Nazar, der Superstar aus Favoriten

Der Favoritner Rapper Nazar ist einer der Höhepunkte beim Popfest am Karlsplatz. Im polarisierenden Interview erzählt er vom neuen Album, von Erfolg, betont seine Funktion als Sprachrohr gegen Rassismus und findet sogar Left Boy okay.

Nazar, bürgerlich Ardalan Afshar, ist in Teheran im Iran geboren, seine Mutter flüchtete mit ihm und seinem älteren Bruder in der Zeit des ersten Golfkriegs in den 1980er Jahren zu Fuß nach Österreich. Der Grund für die Flucht war eine schwere Knochenentzündung ihres jüngeren Sohnes Ardalan. Im Iran konnte die Krankheit weder diagnostiziert, geschweige denn behandelt werden. Im Laufe der Jahre in Wien wurde Nazar zwölf mal operiert, während seiner letzten Operation vor sechs Jahren war er ein Jahr ans Bett gefesselt. Da kam er zum Rap.

„Ich hatte sowieso nichts Besseres zu tun“, sagt er lachend. Ein Freund hatte ihm damals eine Platte des Frankfurter Rappers Azad gezeigt. Dann ging alles sehr schnell, die beiden gingen ins Studio, klopften an Türen von Produzenten. Nazar nahm damals einen Kredit auf, setzte alles auf eine Karte. Irgendwann machte ihm dann jemand die Tür auf. Seine Geschichte wurde bereits verfilmt. „Schwarzkopf“ von Arman T. Riahi erschien im Mai 2011, die Hauptrolle spielt Nazar selbst.

Nazar

Bernhard Kaufmann

Nazar, geboren im Iran, aufgewachsen im 10. Bezirk, erzählt seine Geschichte.

„Ein migrantischer Superstar“

Aufgewachsen ist er in Wien-Favoriten, Erfahrungen mit der Polizei hat der 29-Jährige ebenfalls. Auch vor Gericht stand er. Vor fünf Jahren wurde er aufgrund der Falschaussage eines ehemaligen Freundes wegen schweren Raubes angeklagt. Es war schließlich „nur“ Körperverletzung und Drohung. Das hinderte Nazar aber nicht an der großen Karriere. Wolfgang Schlögl, der Kurator des Popfests, bezeichnet ihn jüngst als „migrantischen Superstar“. Am Donnerstag um 20.00 Uhr tritt er mit Yasmo, der 16-köpfigen Band S.K. Invitational und Blak Twang auf.

Nazars erstes Album mit seinem Kollegen Raf Camora erschien 2010 und erreichte Platz 33 der österreichischen Albumcharts. Mit seinem nächsten Album „Fakker“ (2011) machte er auch Deutschland auf sich aufmerksam. Das vierte Album „Fakker Lifestyle“ kam schließlich in Österreich auf Platz zwei, in Deutschland auf drei und in der Schweiz auf Platz 15. Der am 22. August erscheinende Nachfolger „Camouflage“ wird vermutlich all dies noch sprengen. Auf diesem wird er auch wieder gegen Rassismus, Ausländerhetze und die FPÖ rappen - unter anderem.

wien.ORF.at: Wie kam es zu der Kollaboration mit Yasmo, S.K. Invitational und Blak Twang?

Nazar: Wolfgang Schlögl und Violetta Parisini haben mich gefragt, ob ich beim Popfest spielen will, dann meinte ich ja, aber wenn, dann möchte ich auch eine Band dabei haben. Dann war es auch der Wunsch von Violetta, dass ich den Song „An Manchen Tagen“ mit Yasmo gemeinsam performe, weil sie damit auch für die Frauenquote sorgen wollte.

wien.ORF.at: Was darf sich das Publikum davon erwarten?

Nazar: Auf jeden Fall einen schönen Auftritt. Yasmo ist ein Talent, deswegen habe ich auch diesen Song gewählt, der Beziehungsprobleme anspricht. Der Song war schon offen dafür, dass eine Frau einen Part übernehmen könnte. Dann hat sie sich gewünscht, dass sie ihren eigenen Text dazuschreibt, den habe ich auch bei der Generalprobe zum ersten Mal gehört. Er ist super.

wien.ORF.at: Welche Bedeutung hat das Popfest deiner Meinung nach für die österreichische Musikszene?

Nazar: Eine ganz große - vor allem, weil sie sich jetzt auch geöffnet haben für andere Musikgenres. Ich habe die Popfeste der letzten Jahre gar nicht mitbekommen, jetzt ist es aber breiter gefächert. Das kann nur ein gutes Zeichen für die nächsten Jahre sein. In Österreich passiert sowieso sehr wenig, was Festivals betrifft, mit denen auch versucht wird, mehrere Musikgenres zusammenzuführen.

wien.ORF.at: Wolfgang Schlögl hat dich als Superstar bezeichnet. Somit ist es doch eher ungewöhnlich, dass du auf einem subventionierten Festival spielst. Es gibt keine große Gage. Warum also?

Nazar: Ich muss schon sagen, dass ich die höchste Gage bekomme, aber ich habe sie auch heruntergeschraubt, weil es dem Popfest nicht möglich war, mir mehr zu bezahlen. Es war mir dann eben ein Wunsch, vor dieser Location mit der Karlskirche im Hintergrund zu spielen. Wien ist meine Stadt. Das erste Mal auf einem Festival in Wien – ich finde das Popfest ehrlich gesagt viel sympathischer und schöner als das Donauinselfest - mehr dazu in Popfest: „Pop muss mutig sein“ (wien.ORF.at).

Nazar

Bernhard Kaufmann

Beim Popfest wird Nazar mit Yasmo, S.K. Invitational und Blak Twang auftreten.

wien.ORF.at: Was muss Hip Hop heute bewegen können?

Nazar: Definitiv alles, von dem die Menschen damals schon dachten, dass er das muss. Du musst ein Allround-Paket sein, also es reicht schon lange nicht mehr aus, einfach nur gute Musik zu machen oder gute Texte zu schreiben. Mittlerweile geht es viel um Image und um Vermarktung und ob die Leute dich als Gesamtpaket kaufen und konsumieren möchten. Das hat sich mit den Jahren alles stark verschoben, was ich ein bisschen traurig finde, aber ich bin froh, dass es für mich trotzdem funktioniert.

wien.ORF.at: Jeder, der dich kennt, kennt auch deine politische Einstellung. Warum ist es dir so wichtig, dass du diese nach außen trägst?

Nazar: Weil ich in Österreich überhaupt der Einzige bin, der die Möglichkeit hat, das zu sagen, was sich alle jungen und auch älteren Migranten denken und dabei fühlen, wenn ein HC Strache und seine Partei einfach alles beleidigt, woher wir kommen, was unser Glaube ist, was unsere Mentalität ist. Ich weiß, dass das sehr gefährlich ist und das hat auch in der Vergangenheit vielen Musikern das Genick gebrochen, wenn sie sich zu sehr mit Politik angelegt oder sich zu sehr eingemischt haben.

Ich sehe das aber als meine Pflicht, denn wenn ich ein ganz normaler Nicht-Musiker in Österreich wäre, der damals aus dem Iran mit seiner Mutter geflohen ist und niemand das Wort für mich ergreifen würde, würde ich mich auch darüber freuen, wenn es einen Nazar geben würde, der das sagt, was ich mir denke und wünsche.

wien.ORF.at: Du findest also auch nicht, dass man Kunst und Politik trennen sollte?

Nazar: Kann man machen, wenn man möchte. Das ist ja auch der Punkt in der Kunst - du kannst tun, was du möchtest. Wenn du dich entscheidest, dich gar nicht damit auseinanderzusetzen, dann würde ich dich nie dafür kritisieren, aber ich hoffe, dass es immer Musiker, Schauspieler und Sportler, alle Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, gibt, die sich gegen etwas sträuben, das einfach nicht korrekt ist.

Ich für mich lehne es ab, für eine politische Partei zu werben. Ich habe das mit der SPÖ damals gemacht, weil sie mir die Möglichkeit gegeben haben, mich auf diese Plattform zu stellen, den Song aufzunehmen und das Video gemeinsam zu drehen („Meine Stadt“ feat. Chakuza, Kamp und Raf Camora, Anm.). Deshalb singe ich auch bewusst in einer Strophe „irgendwann gründe ich die Schwarzkopf-Partei“. Das musste ich der SPÖ damals hoch anrechnen, dass sie mich damals einfach machen lassen haben. Viele haben das falsch verstanden.

Wenn die FPÖ einmal mit ihrer Ausländerhass-Politik aufhören sollte, würde auch von mir nichts mehr kommen diesbezüglich. Aber so lange das so weiter geht, sehe ich mich verpflichtet, etwas zu sagen.

wien.ORF.at: Jetzt wurde ja Josef S. in allen Punkten verurteilt, weil er bei den Ausschreitungen bei der Demo gegen den Akademikerball dabei war. Was sagst du dazu?

Nazar: Ganz ehrlich, die österreichische Justiz ist für mich einer der größten Schandflecken. Ich musste das ja leider auch schon einmal aus eigener Erfahrung erleben. Am Ende des Tages hat sich niemand bei mir entschuldigt. Wenn ich dann so etwas wieder höre, auch, dass der einzige Zeuge ein Polizist war...

Seitdem ich mich damals gegen HC Strache ausgesprochen habe, werde ich einmal in der Woche in Favoriten von der Polizei aufgehalten, die dann mein Auto auseinandernimmt. Und du kommst teilweise in Polizeireviere, in denen 20 FPÖ-Häferl herumstehen und Bilder hängen, auf denen Islam-Schmähs drauf sind. Das tut mir sehr weh. Ich wünsche Josef alles Gute. Josef, ich fühle mit dir.

wien.ORF.at: Mit wem würdest du gerne einmal zusammenarbeiten – lebendig oder tot?

Nazar: Ich hab mir auf „Camouflage“ den größten Wunsch erfüllt – Falco. Mit welchem größeren Musiker könnte man da zusammenarbeiten? Ich habe einen Song bekommen, der nie auf einem Album von ihm war. Das war mir auch wichtig, denn ich hätte keine Lust gehabt, „Amadeus“ oder „Junge Römer“, seine großen Hits, zu covern, so wie es im Hip Hop ja öfter ist.

Der Song, den wir gemacht haben, ist wie ein komplett neuer Song. Ich war der Erste, dem diese Möglichkeit gegeben wurde und es ist mir eine große Ehre. Ich bin schon sehr gespannt auf die Reaktionen, da ich weiß, dass Österreich gerne viel bemängelt und kritisiert, wenn es um ihre Superhelden geht.

Nazar

Bernhard Kaufmann

Nazars neues Album „Camouflage“ wird seine bisherigen Erfolge sprengen.

wien.ORF.at: Was darf man sich vom neuen Album erwarten? Die Vorboten sind ja etwas anders als die älteren Sachen, unaufgeregter.

Nazar: Eines kann ich ganz klar sagen, „Camouflage“ ist mit Abstand das beste Album, das in Österreich je produziert wurde. Ich kann das auch begründen. Der österreichische Musikmarkt ist sehr veraltet. Wenn etwas Erfolg hat, dann sind es Schlager oder Popsongs mit total lieben Texten. Solche Songs bestehen aus acht Sätzen, die auf 3:40 Minuten aufgebaut sind.

Ein Hip Hop-Song hat einfach 32 bars, 40 und 45 bars – ein einziger Hip Hop-Song könnte ein ganzes Schlager-Album füllen. Dieses Album ist so vielseitig, es ist von 13 unterschiedlichen Produzenten produziert worden und wir haben viele Instrumentals drauf.

wien.ORF.at: Was hältst du von Left Boy?

Nazar: Geht so. Ich fand das am Anfang irgendwie superspannend, weil er einer der Leute war, die frischen Wind in die ganze Sache gebracht haben. Später habe ich erfahren, dass er der Sohn von Andre Heller ist und dass er es dadurch sehr leicht gehabt hat. Aber weißt du, ich habe nicht so eine Hater-Natur.

Ich habe nur mitbekommen, dass die ganzen Bobos so richtig gekotzt haben gegen ihn. Ich kann das nicht. Ich beurteile Menschen danach, was ich selber von ihnen wahrnehme. Künstliche Hypes zu generieren, das finde ich halt ganz schlimm. Aber wenn er Erfolg hat und Menschen mit seiner Musik begeistern kann, ist es eigentlich egal, wie er dazu gekommen ist. Ob sein Vater Michael Jackson oder George Bush ist, ist mir egal.

wien.ORF.at: Was treibt dich an, weiter zu machen? In einem Interview hast du 2009 gesagt, du gibst dir selbst noch zwei bis drei Jahre. Jetzt geht es aber doch gut weiter.

Nazar: Erfolg. Ich bin Perser, wir haben den Bazar erfunden. Wir haben immer schon versucht, alles, auch wenn es unsere Leidenschaft ist, in etwas Finanzielles umzuwandeln, von dem man leben kann. Deshalb habe ich auch am Anfang ein großes, finanzielles Risiko auf mich genommen und alles auf eine Karte gesetzt. Ich würde der größte Lügner auf der Welt sein, wenn ich für ein Interview sagen würde, dass ich das nur mache, weil es meine größte Leidenschaft ist.

Ist es natürlich auch und es ist ein Privileg, einen künstlerischen Beruf ausüben zu können, von dem man auch leben kann, aber hinter so einem Album wie Camouflage steckt eine halbe Million Euro. Aber um zu der Frage zurück zu kommen - wenn irgendwann der Moment kommt, wo ich nicht mehr von der Musik leben kann, dann höre ich natürlich auf. Aber solange die Nachfrage nach mir immer größer wird, werde ich weitermachen.

wien.ORF.at: Wie gehst du mit Kritik um? Die fällt ja oft etwas harsch aus.

Nazar: Ja?

wien.ORF.at: Du kriegst das nicht mit?

Nazar: Nein. Ich lese nur die Kommentare auf meiner eigenen Facebook-Seite, wenn ich etwas poste. Sonst habe ich das nur einmal gemacht. Damals, als ich in Untersuchungshaft war, habe ich mir die Kommentare in der Krone durchgelesen. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mich Sätze wie „Tötet ihn, bevor er Eier legt“ nicht getroffen hätten. Auch über meine Mutter war etwas dabei, das ist schon hart. Ich habe aber aufgehört, politische Kommentare zu lesen, weil es leider sehr viele ungebildete Menschen sind, die dort kommentieren.

Das Interview führte Nicole Schöndorfer, wien.ORF.at.

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