Antidepressiva: Zwei Drittel gehen an Frauen

Im Vorjahr wurden alleine in Wien über 1,1 Millionen Packungen Antidepressiva verschrieben - zwei Drittel gingen an Frauen. Ein Umstand, der laut der Wiener Frauengesundheitsbeauftragten zu hinterfragen ist.

101.900 Frauen bekamen im Vorjahr laut Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) Antidepressiva verschrieben, bei den Männern waren es 50.372. Bei 384 Personen wurde das Geschlecht nicht statistisch erfasst. Die Gründe für den Unterschied zwischen Frauen und Männern sind vielfältig, sagt die Wiener Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger.

Frauen würden häufiger zum Arzt gehen, offener über psychische Probleme reden und auch statistisch gesehen mehr psychische Erkrankungen haben, so Wimmer-Puchinger gegenüber wien.ORF.at. „Depression ist weiblich, aber Studien zeigen auch, dass bei ein und der selben Schilderung von Beschwerden, Frauen Psychopharmaka verschrieben bekommen, während man bei Männern ein medizinisches Checking macht.“

Ärzte sollen „Ursachen mehr auf den Grund“ gehen

Dass Ärzte leichtfertig Psychopharmaka verschreiben glaubt Wimmer-Puchinger nicht. „Uns ist aber wichtig, dass man nach Gewalterlebnissen oder Traumata fragt und den Ursachen mehr auf den Grund geht.“ Und auch eine gezielte Therapie solle erfolgen, fordert die Frauengesundheitsbeauftragte.

Nur die Einnahme von Psychopharmaka alleine, steigere die Gefahr von den Medikamenten abhängig zu werden. „Es ist leider so, dass vor allem Frauen dann gehäuft medikamentenabhängig sind. Und das ist absolut nicht gesund“, so Wimmer-Puchinger.

Leichter Anstieg bei Psychopharmaka

Die Zahl der verschrieben Psychopharmaka steigt leicht. 2012 wurden über die Wiener Gebietskrankenkasse 2,29 Millionen Packungen abgerechnet, im Vorjahr waren es um knapp 35.800 mehr.

„Der psychische Druck nimmt zu. Die Menschen sind überfordert. Und manchmal sind Psychopharmaka einfach notwendig, um die ärgste Zeit der Belastung gut auszuhalten“, sagt Peter Stippl vom Österreichischen Bundesverband für Psychotherapie. Aber gleichzeitig betont er, dass „man sich nicht mit Psychopharmaka anstelle einer Therapie hinwegschwindeln soll. Es soll ein sowohl als auch sein. Ohne Therapie kann man die Ursachen, wie etwa ein ‚Nicht-nein-sagen-können‘, nicht aufarbeiten“.

Auch der Wiener Psychoanalytiker Alfred Kirchmayr betont das „sowohl als auch“. Er kritisiert aber, dass „Psychopharmaka oft über einen viel zu langen Zeitraum verschrieben werden. Und immer wieder werden nur Psychopharmaka verschrieben, ohne dass der Arzt auf die Möglichkeit oder Notwendigkeit einer Therapie aufmerksam macht.“

Hubert Kickinger, wien.ORF.at

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