Übergriffe: Seelsorger verurteilt

Ein Seelsorger ist heute in Wien rechtskräftig zu einer bedingten Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Im Zuge einer Trauerbegleitung wurde er gegenüber einem 15-jährigen Burschen sexuell übergriffig.

Den 15-Jährige hatte der freie Theologe kennengelernt, als dessen Neffe gestorben war. Bei der Aufarbeitung kam es zu zwei Gesprächen in der elterlichen Wohnung des Schülers und in einer Kapelle, die der Mann zu sexuellen Übergriffen nutzte.

Der 15-Jährige zeigte den Seelsorger, der für Hochzeiten, Beerdigungen, Trauerfeiern und Trauerbegleitungen gebucht werden kann, Ende Oktober 2015 an. Er berichtete der Polizei, der Seelsorger habe ihm im vorangegangenen Jahr zunächst Fotos von nackten Männern gezeigt und ihn später zwei Mal im Genitalbereich gepackt. Der Schüler meldete die Übergriffe erst deshalb recht spät, weil ihm seine Mutter, der er sich zunächst anvertraut hatte, nicht glaubte.

Angeklagter nicht geständig

Der Angeklagte bezeichnete die Vorwürfe als „erfunden“. Er sei dem 15-Jährigen niemals zu nahe gekommen: „Es ist für mich nicht möglich, einen Übergriff auf einen Menschen zu machen, den man fast nicht kennt. Noch dazu, wo er mich persönlich als Mensch überhaupt nicht interessiert hat.“ Auf die Frage, wie er sich die Anschuldigungen erkläre, erwiderte der Theologe: „Entweder wollte er sich wichtig machen oder es ist ein Racheakt, weil ich einen Einfluss auf seine Mutter gehabt habe.“

Enger Kontakt mit Mutter

Diese dürfte den plötzlichen Tod ihres Enkels nicht verkraftet haben und beim Seelsorger eine über das übliche Ausmaß hinausreichende Hilfestellung gesucht haben. Dieser räumte in der Verhandlung ein, es habe sich allmählich eine Freundschaft entwickelt, zumal die Ehe der Frau nicht sehr glücklich verlief. Die 41-Jährige und der Seelsorger schrieben sich täglich gingen Händchen haltend spazieren. Sie chauffierte ihn überdies regelmäßig zu Terminen.

„Wenn man das durchliest, glaubt man, sie haben eine Beziehung gehabt. Das ist wie zwischen zwei Partnern, die kommunizieren“, befand die Richterin in Bezug auf die Korrespondenz. „Sie hat sich an mich angehängt“, antwortete der Angeklagte. Er habe sich „langsam aus dieser Umklammerung zurückziehen wollen“. Sie habe „erwartet, dass ich auf Abruf bereit stehe. Eine Exklusivseelsorge ist nicht immer möglich“.

Mit Strafe einverstanden

Ungeachtet der vorangegangenen Unschuldsbeteuerungen war der Mann am Ende mit der über ihn verhängten Bewährungsstrafe einverstanden. Er wurde wegen „Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses“ zu sechs Monaten bedingt verurteilt worden. Die Staatsanwältin verzichtete ebenfalls auf Rechtsmittel.