„Drogen“-Prozess endet mit Enthaftung

Drei Somalier haben sich wegen Handels mit getrocknetem Kath in Wien vor Gericht verantworten müssen. Sie wurden aber nicht verurteilt, sondern enthaftet. Denn es muss erst geklärt werden, ob getrocknetes Kath eine Droge ist.

„Es ist schlicht und ergreifend völlig wirkungslos“, fasste Richter Wilhelm Mende die Ergebnisse seiner eigenen Recherche zum Thema Kath zusammen. Bevor er die Verhandlung auf unbestimmte Zeit vertagte, begründete er dies damit, dass sich der Tatverdacht insoweit relativiert habe, „als dass nicht mehr zwingend davon auszugehen ist, dass eine Verurteilung erfolgen müsste“.

Die drei Angeklagten, die sich seit knapp sechs Monaten in U-Haft befanden, wurden gegen Gelöbnis, das Land nicht zu verlassen, und Abgabe ihrer Pässe auf freien Fuß gesetzt.

„Sommerspritzer wirkt mehr“

Laut Anklage hatten die drei Männer im großen Stil und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung mit Blättern der Pflanze gehandelt, die in Ostafrika und im Jemen angebaut wird und dort als Alltagsdroge gilt. Sie gaben zu, wiederholt Zweigspitzen und Blätter des Kathstrauchs mit dem Pkw von Ungarn nach Wien gebracht zu haben, die ihre Hintermänner zuvor per Flugzeug nach Budapest geschafft hatten. In Wien lagerten sie das Kath ein, verpackten es in einer Wohnung in Kartons und verschickten es dann per Post nach Skandinavien.

Beim Aufgeben mehrerer Pakete, die rund 31 Kilogramm Kath enthielten, wurde das Trio am 8. März 2016 festgenommen. In einem Keller und einem angemieteten Lagerraum wurden weitere 438 Kilogramm sichergestellt.

Ungeachtet der inkriminierten Menge von fast einer halben Tonne und der Geständnisse der Angeklagten hatte Verteidiger Bischof gleich zu Beginn der Verhandlung Zweifel an der Strafbarkeit angemeldet. Kath wird üblicherweise vom Strauch gezupft und sofort gekaut, ein bis drei Tage nach dem Pflücken soll die Wirkung deutlich nachlassen. Im gegenständlichen Fall ging es ausschließlich um getrocknete Blätter. „Ich glaube daher, dass ein Sommerspritzer mehr kann, als darauf herumzukauen“, meinte Bischof.

Ministerium und OGH mit zwei Meinungen

Auch Richter Mende hatte sich im Vorfeld augenscheinlich informiert und präsentierte in der Verhandlung wissenschaftliche Untersuchungen, denen zufolge getrocknete Kath-Blätter kaum für Rauschzustände gut sein dürften. „Es ist schlicht und ergreifend völlig wirkungslos“, fasste Mende die Ergebnisse zusammen. Außerdem legte der Richter ein Dokument vor, aus dem hervorgeht, dass offenbar selbst das Justizministerium den Kathstrauch nicht für gefährlich hält.

Im Mai 2014 hatte das Justizministerium nach einer strafrechtlichen Verurteilung mit der Bemerkung, man habe sich „bewusst dafür entschieden“, Kath „im Suchtmittelgesetz nicht zu erwähnen“, bei der Generalprokuratur eine Nichtigkeitsbeschwerde zu Wahrung des Gesetzes gegen den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch angeregt. Im Ministerium hielt man die ergangene Verurteilung offensichtlich für verfehlt. „Die Aus- und Einfuhr unterliegt keiner Strafbarkeit“, so die - zumindest damalige - Rechtsansicht des Justizministeriums.

Im Unterschied zum Ministerium dürfte der Oberste Gerichtshof (OGH) aber weiter auf dem Standpunkt stehen, dass Kath zu den verbotenen Substanzen zu zählen ist. Die Pflanze unterliege „den Beschränkungen des Suchtmittel-Gesetzes“, stellte der OGH im März 2015 in einer Entscheidung fest.

Gutachten soll Wirkung erheben

„Ein veritabler Rechtsstreit zwischen BMJ und OGH also“, befand Mende. Um beurteilen zu können, ob in seinem Fall das Suchtmittelgesetz überhaupt zum Tragen kommt, will er nun den Wirkstoffgehalt der sichergestellten getrockneten Blätter auf spezielle Weise ermitteln lassen. Sie sollen in Wasser eingeweicht, extrahiert und analysiert werden, um abzuklären, ob sich die Wirkstoffe Cathin und Cathinon dabei in einem Ausmaß nachweisen lassen, das über der Grenzmenge liegt, die eine Strafbarkeit nach dem SMG begründen würde.

Nach längerer Beratung wurde auch den Enthaftungsanträgen der Verteidiger Josef Philipp Bischof, Roland Friis und Andreas Rest (Kanzlei Soyer Kier Stuefer) stattgegeben.

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