Spedition ergaunerte 20 Mio. Euro von Finanzamt

Eine Wiener Spedition soll sich vom Finanzamt 21 Jahre lang insgesamt mehrere Millionen Euro überweisen haben lassen - als Vorsteuerabzug. Die Unterlagen dafür sollen aber manipuliert gewesen sein. Heute begann der Prozess.

Laut Anklage setzte sich der Schaden aus 16 Millionen Euro an hinterzogener Umsatzsteuer und 1,75 bzw. 1,9 Millionen an unterschlagener Körperschafts- bzw. Kapitalertragssteuer zusammen. Die langjährige Geschäftsführerin des Unternehmens muss sich nun wegen Abgabenhinterziehung und Abgabenbetrugs vor dem Wiener Straflandesgericht verantworten. „Für mich ist das ein skrupelloses Vorgehen, gepaart mit Wegschauen der Finanz“, stellte Staatsanwalt Günter Gößler einleitend fest.

Finanzamt: „Finanzprüfung hat versagt“

Erst 2014 flogen die Machenschaften auf. Die Firma wurde im Tatzeitraum zwei Mal eingehend geprüft, ohne dass dem Treiben ein Ende gesetzt worden wäre. 2003 wurde im Rahmen einer Betriebsprüfung sogar explizit die Umsatzsteuer-Voranmeldung in Augenschein genommen. Dabei trat zutage, dass es an Belegen für den Vorsteuerabzug fehlte. 500.000 Euro wurden daraufhin zwar gestrichen, ansonsten gab es aber keine weiteren Konsequenzen.

„Die Finanzprüfung hat versagt“, musste nun der Vertreter der Finanz zugeben, die sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hat. Das führte dazu, dass die Spedition auch nach 2003 weiter ihren Vorsteuerabzug geltend machen konnte, indem sie angebliche Aufwendungen ins Treffen führte, die in Wahrheit gar nicht existierten.

Unterlagen bei angeblichem Feuer verbrannt

Eben so wenig gab es die behaupteten Erlöse im Auslandsgeschäft - die Tätigkeit der Firma beschränkte sich auf Österreich. Lieferungen ins Ausland wären bei Erhalt des Vorsteuerabzugs steuerbefreit gewesen. Weil es in der Buchhaltung keinen einzigen Beleg für die behaupteten Länder übergreifenden Transporte gab, tischte die Firma der Finanz die Geschichte auf, sämtliche Unterlagen wären bei einer Feuersbrunst verbrannt.

Als es eng wurde und eine dritte Betriebsprüfung anstand, täuschte die Geschäftsführerin einen Einbruch vor und trug drei Kisten mit Unterlagen sowie ein „schwarzes Buch“ davon, wie sie nun dem Senat gestand: „Das hab’ ich alles am Weg nach Hause in den Restmüllcontainer geschmissen.“

Angeklagte: Komplizen im Finanzamt

Die Spedition ist inzwischen in Konkurs gegangen. Die 69-jährige Geschäftsführerin bekannte sich grundsätzlich schuldig, persönlich bereichert habe sie sich jedoch nicht, erklärte sie vor Gericht. Zudem habe das System ihre mittlerweile verstorbene Schwester geboren. Sie habe dieses nach deren Ableben nur übernommen und fortgesetzt.

Und auch im Finanzamt gab es laut der 69-Jährigen Mittäter. Ihr unbekannt gebliebene „Referenten“ hätten die Machenschaften gedeckt. Knapp 40.000 Euro will sie dafür jeden Monat dafür in ihrem Büro in einer Schublade gelegt haben. Drei oder vier Tage danach habe „ein Unbekannter“ das Geld stets an sich genommen. Sie habe diesen nie getroffen. Diese Vorgangsweise habe ihr ihre verstorbene Schwester in einem Brief nahegelegt.

„Wir haben diesen Vorwurf sehr genau geprüft. Wir haben keinen einzigen Hinweis gefunden, dass diese Vorwürfe stimmen“, meinte Staatsanwalt Gößler dazu. Als Beitragstäter mitangeklagt sind die Adoptivtochter der verstorbenen Schwester und ein langjähriger Bekannter der 69-Jährigen, die Bargeldbehebungen und Botengänge bzw. nach dem Ableben der Schwester die Manipulationen buchhalterisch aufrechterhalten haben sollen. Die beiden bekannten sich „nicht schuldig“. Die Verhandlung wurde zur ergänzenden Beweisaufnahme vertagt.