Mindestsicherung: Wien muss Budget aufstocken

Die Stadt Wien braucht mehr Geld, um die steigenden Ausgaben für die bedarfsorientierte Mindestsicherung abzudecken. Nötig ist eine Budgetaufstockung von 130 Mio. Euro, teilte Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) mit.

Wehsely kündigte am Mittwoch in einem APA-Interview einen entsprechenden Antrag an den zuständigen Gemeinderatsausschuss an. Die Ressortchefin rechnet damit, dass heuer rund 198.000 Menschen unterstützt werden müssen. Im Vorjahr waren es knapp über 180.000 gewesen.

Insgesamt 664 Millionen Euro für Mindestsicherung

Damit erhöht sich die für die Mindestsicherung in Wien aufgewendete Summe für heuer auf 664 Mio. Euro. Mehr werde es „sicher nicht mehr“ werden, beteuerte Wehsely. Dass zusätzliches Geld nötig sein wird, hatte die Ressortchefin bereits avisiert, wie sie am Mittwoch betonte: „Ich habe immer gesagt, dass der Betrag nicht halten wird.“

Sonja Wehsely

APA/Helmut Fohringer

Wehsely macht für die notwendige Budgetaufstockung unter anderem die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich

Denn das Budget für heuer sei noch vor dem großen Flüchtlingsandrang errechnet worden, konkret im ersten Halbjahr 2015. Laut Wehsely zeigt die aktuelle Fallzahlentwicklung, dass die Anzahl der Mindestsicherungsbezieher nach Jahren geringeren Anstiegs im Vorjahr wieder stärker gewachsen ist. Konkret wurde 2015 ein Plus von 13 Prozent verzeichnet. Diese Entwicklung hält an: 2016 betrug die Steigerung im ersten Halbjahr elf Prozent. Innerhalb der ersten sechs Monate wurden bereits 16.900 Neuzugänge registriert.

Immer mehr Menschen länger im System

Für die Zunahme werden von der zuständigen Stadträtin vor allem zwei Gründe ins Treffen geführt: Zum einen gibt es schlicht mehr Personen, die zum ersten oder auch wiederholten Mal Unterstützung beziehen. Aber auch der „Abgang“ ist geringer, sprich: Immer mehr Menschen bleiben länger im System. Verantwortlich für diese Faktoren sind laut Wehsely das aktuelle, geringe Wirtschaftswachstum und die damit verbundene steigende Arbeitslosigkeit. Beobachtet wird auch der Trend, dass schlecht ausgebildete Personen immer weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Aber auch der Anstieg bei den Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten spielt eine Rolle: Ihr Anteil in Sachen Mindestsicherung hat sich auf 17 Prozent im Jahr 2015 erhöht (auf 31.505 Personen). Im ersten Halbjahr 2016 gab es bereits 6.420 neue Fälle aus dieser Gruppe. Die Anzahl der Empfänger stieg zudem aufgrund der generellen Zuwanderung aus anderen Bundesländern.

Residenzpflicht für Asylberechtigte gefordert

Zumindest für Flüchtlinge soll die Übersiedlung in die Hauptstadt, wenn es nach dem Willen der Stadt geht, künftig nicht mehr so einfach möglich sein. Wien pocht auf die Schaffung der Residenzpflicht - also die Bindung der Mindestsicherung an den Wohnort. Denn: Allein im ersten Halbjahr 2016 sind laut Wehsely 54 Prozent aller asylberechtigten Erstbezieher aus einem anderen Bundesland zugezogen.

Noch immer sei die bedarfsorientierte Mindestsicherung vor allem eine Ergänzungsleistung, also eine Aufstockung zum vorhandenen Einkommen, betonte sie. Wohin die Reise gehen werde, sei offen, wobei laut Wehsely mittelfristig mit keinem Rückgang zu rechnen ist. Gegensteuern wolle man unter anderem mit einer Fokussierung auf Ausbildungsmaßnahmen für junge Bezieher.

Im Zusammenhang mit dem Dauerthema Betragsobergrenze hält Wehsely zumindest eine Verlagerung in Richtung Sachleistungen für überlegenswert. Wobei sie die Debatte an sich vehement kritisierte: „Es können nicht die Flüchtlinge als Vehikel für einen Sozialabbau in großem Stil verwendet werden.“

FPÖ: Mindestsicherung für Asylberechtigte streichen

Die Wiener FPÖ fordert angesichts der Budgetaufstockung für die bedarfsorientierte Mindestsicherung eine Streichung derselben für Asylberechtigte sowie - erneut - den „sofortigen Rücktritt“ Wehselys. „Das wird zusehends ein Fass ohne Boden“, so der blaue Vizebürgermeister Johann Gudenus.

Wenig überrascht zeigte sich die Wiener NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger: „Es war absehbar, dass die Stadt das heurige Budget im Bereich der Mindestsicherung wegen höherer Kosten nachjustieren wird müssen.“ Wehsely solle die Schuld nun aber nicht auf die zusätzlichen Asylberechtigten oder die steigenden Arbeitslosenzahlen schieben, sondern endlich handeln und für sinnvolle Reformen sorgen.

Lopatka erwartet „Umdenken“ in SPÖ

Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel warf Wehsely in einer Aussendung „Untätigkeit und Realitätsverweigerung“ vor: „Jedem Laien war seit Jahresbeginn klar, dass diese Budgetierung niemals halten kann.“ Blümel kritisierte weiters Wehselys „Einladungspolitik“ und forderte ihren Rücktritt.

ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka erwartete angesichts der Nachdotierung nun Bewegung bei der SPÖ. „Wenn das jetzt nicht zum Umdenken führt, weiß ich nicht, was noch passieren muss; welche Fakten noch offenkundig werden müssen.“ Lopatka fürchtet, dass alle Bundesländer, wie soeben in Niederösterreich passiert, eigene Regelungen treffen werden - mehr dazu in Obergrenze bei Mindestsicherung fix. „Das ist schade. Wir brauchten eine österreichweit einheitliche Regelung“, so Lopatka.

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