Kindergartenstudie: Ministerium in der Kritik

Die viel beachtete Kindergartenstudie des Islamforschers Ednan Aslan dürfte vom Integrationsministerium bearbeitet worden sein. Das legt ein Bericht des „Falter“ nahe. Beamte hätten auch inhaltliche Änderungen vorgenommen.

Dem Magazin liegt das Word-Dokument inklusive Korrekturmodus vor. Es seien etwa Passagen, in denen die Qualifikation der Pädagogen gelobt wurde, gestrichen oder umgedeutet worden. Die Rede ist von über 900 Änderungen durch zwei Beamte. Gestrichen wurde laut „Falter“ etwa auch der Satz: „Das Kind soll selbständig, respektvoll und liebevoll erzogen werden.“ Er sei ersetzt worden durch: „Bisweilen sollen Kinder auch vor dem moralischen Einfluss der Mehrheitsgesellschaft geschützt werden.“

Ednan Aslan

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Ednan Aslan sagte, er habe die Änderungen persönlich angeordnet

Ein weiteres Beispiel: Aslan schrieb, dass auch muslimische Eltern in den Kindergärten für ihre Kinder „Werte wie Respekt, Gelassenheit, Individualität des Kindes, Hygiene, Zufriedenheit der Kinder, Pünktlichkeit, Liebe, Wärme und Geborgenheit, Selbstständigkeit und Transparenz der Regeln“ suchten. Ein Beamter des Ministeriums formulierte stattdessen: „Besonders wichtig ist ihnen (den Eltern, Anm.), dass den Kindern islamische Werte vermittelt werden“ - mehr dazu in Klenk: „Studie ganz intensiv bearbeitet“.

Aslan sieht „wissenschaftliche Diffamierung“

Aslan verteidigte sich gegen Kritik an seiner Studie: „Ich stehe weiter hinter meiner Studie“, sagte Aslan gegenüber „Wien heute“. Jene inhaltlichen Änderungen, die von Beamten des Integrationsministeriums vorgenommen worden seien, seien von ihm persönlich angeordnet worden: „Ich würde niemandem erlauben, mir für meine Arbeit Anweisungen zu geben.“

Die Vorwürfe, wonach die Studie vom Ministerium überarbeitet worden sei, stellen für Aslan eine „wissenschaftliche Diffamierung und persönliche Beleidigung“ dar. Man habe den Bericht ergänzen müssen, „um weitere Komplikationen zu vermeiden. Wir wollten rechtliche Komplikationen vermeiden“. Der Wissenschaftler war in Zusammenhang mit der Studie in Kritik muslimischer Organisationen geraten und soll auch Klagsdrohungen ausgesetzt gewesen sein.

Alles trägt laut Kurz „die Handschrift Aslans“

Die Studie wurde vom Integrationsministerium in Auftrag gegeben. Ein Sprecher von Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) betonte, dass sein Chef nichts von den Änderungen gewusst habe. Kurz selbst hat zur Kritik an der Überarbeitung der Studie gemeint, dass alles in der Studie „die Handschrift Aslans“ trage. Wenn jemand glaube, nun die Problematik schön reden zu können, halte er das für falsch, sagte der ÖVP-Obmann am Dienstag in Innsbruck. Zudem habe der Autor der Studie, Islamwissenschafter Ednan Aslan, die Anschuldigungen bereits zurückgewiesen.

Laut Integrationsministerium gab es insgesamt 890 Anmerkungen zum Studientext: 256 davon betrafen Satzzeichen, Format und Gendern, 170 Grammatik- und Zeitfehler, 148 Lektorat, insbesondere Satzstellung, 116 Rechtschreibung bzw. Groß- und Kleinschreibung, 87 Quellen und Fußnotenanmerkungen, 59 Kommentare an der Seite, 19 die Verschiebung von Satzteilen und Passagen und 35 inhaltliche Anmerkungen, die von Aslan in Auftrag gegeben wurden.

Universität leitet Prüfverfahren ein"

„Die Universität Wien sammelt alle Fakten zu den medial erhobenen Vorwürfen zur sogenannten Kindergartenstudie. Auf dieser Grundlage wird eine Prüfung des Sachverhalts erfolgen, um festzustellen, inwieweit die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis eingehalten wurden“, heißt es in einer Aussendung der Universität Wien. Dazu habe die Universität Wien eine Kommission eingerichtet. Die Ergebnisse der Prüfung würden „zeitnah“ erwartet. Wann dies genau sein werde, will die Universität nach der der ersten Sitzung der Kommission bekannt geben.

Kritik von Grünen und NEOS

Der für Kindergärten zuständige Wiener Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) will nach dem „Falter“-Bericht zunächst abwarten. Allerdings versicherte er am Dienstag: „Wenn das auch nur im Ansatz stimmt, bin ich ehrlich bestürzt.“

Für den Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel sind die Vorwürfe eine „inszenierte Aufregung“. „Der einzige Skandal ist der Zustand in den islamischen Kindergärten in Wien“, so Blümel. Die kürzlich von Czernohorszky präsentierten Neuerungen seien nicht mehr „als Ablenkung und Placebo“. Angekündigt wurden unter anderem strengere Kriterien bei der Bewilligung - mehr dazu in Strengere Prüfung von Kindergärten.

Der Grüne Klubobmann Albert Steinhauser zeigt sich empört über die mutmaßliche Abänderung der Kindergartenstudie durch das Integrationsministerium. Kinderbetreuungseinrichtungen und Bildungseinrichtungen dürften nicht für innenpolitische Zwecke missbraucht werden. Die NEOS bringen in der Angelegenheit am Mittwoch eine parlamentarische Anfrage ein. Man fordert unter anderem Aufklärung darüber, auf wessen Anordnung die kolportierten Änderungen erfolgten.

Neue Studie im Herbst

Die Erhebung über die Islamkindergärten sorgte 2015 für Debatten - und für eine Verstimmung zwischen Integrationsministerium und Wiener Rathaus. Nachdem ein - später als Vorstudie titulierter - Text öffentlich bekanntgeworden war, zitierte Kurz die beiden zuständigen Wiener SPÖ-Stadträtinnen zu sich. Der damalige Medientermin verlief wenig harmonisch - mehr dazu in Schlagabtausch um islamische Kindergärten

Kurz, Aslan, Wehsely

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Die „Vorstudie“ sorgte für Verstimmung

Die damals für Jugend bzw. Bildung zuständigen Stadträtinnen Sonja Wehsely und Sandra Frauenberger urgierten Fakten und übten Kritik an pauschalen Urteilen. Kurz versicherte jedenfalls: „Es hat sich aus meiner Sicht dargestellt, dass es Probleme gibt.“ Die Gefahr, dass Parallelgesellschaften „herangezüchtet“ würden, bestehe - da Kinder religiös und ethnisch getrennt in Kindergruppen betreut würden.

Die Rathaus-Politikerinnen versicherten, dass man gemeinsam gegen Radikalismus und Extremismus kämpfen wolle. Leider seien Kurz und Aslan die Namen von konkreten Kindergärten, die angeblich sofort geschlossen hätten werden sollen, schuldig geblieben, wurde beklagt. Trotz aller Dissonanzen einigte man sich auf ein gemeinsames Vorgehen: Eine Studie soll das Thema umfassend erörtern. Sie soll bis Herbst 2017 vorliegen und von insgesamt sechs Autoren - darunter auch Aslan - erarbeitet werden.

Religionsleitfaden für private Träger in Arbeit

Außerdem erstellt die Stadt derzeit einen Religionsleitfaden für private Träger. Dieser soll - ergänzend zum Bildungsplan - konkrete Vorgaben machen, wie religiöse Inhalte adäquat zu vermitteln sind. Das Handbuch werde im Herbst präsentiert, kündigte Czernohorzsky zuletzt an - mehr dazu in Religionsleitfaden für Kindergarten kommt.

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