Justizpalast-Brand jährt sich zum 90. Mal

Am Samstag jährt sich der Justizpalast-Brand zum 90. Mal. Damals starben 84 Demonstranten und Demonstrantinnen und fünf Polizisten, mehr als 1.000 Menschen wurden verletzt. Auslöser für die Demonstrationen am 15. Juli 1927 war das Schattendorfer Urteil.

In dem Prozess waren drei rechte Frontkämpfer angeklagt. Ihnen wurde vorgeworfen, im Jänner 1927 während Zusammenstößen zwischen den Frontkämpfern und Anhängern des sozialdemokratischen Schutzbunds im burgenländischen Schattendorf den kroatischen Kriegsinvaliden Matthias Csmarits und ein unbeteiligtes Kind, Josef Grössing, erschossen zu haben.

Die Männer wurden freigesprochen, und die Arbeiterschaft begehrte gegen das von der sozialdemokratischen Seite als „Schandurteil“ empfundene Urteil auf. Der Prozess war am 14. Juli 1927 zu Ende gegangen, die Nachrichten vom Urteil verbreitete sich schnell in den Wiener Arbeiterbezirken. Noch in der Nacht planten Betriebe, in denen es Nachtschichten gab, Demonstrationen.

Justizpalast aufgebrachte Menge

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Tausende Arbeiterinnen und Arbeiter marschierten ins Stadtzentrum

Die „Arbeiter-Zeitung“ titelte am 15. Juli: „Die Arbeitermörder freigesprochen. Der Bluttag von Schattendorf ungesühnt“. Der Artikel heizte die Stimmung auf. Am selben Tag kam es zu einem Streik, der damit begann, dass Arbeiterinnen und Arbeiter der E-Werke die Elektrizität der Straßenbahnen abschalteten, wodurch der öffentliche Verkehr lahmgelegt wurde. In zahlreichen Betrieben kam es zu Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen.

Polizei befahl Reiterattacken gegen Demonstranten

Tausende Menschen marschierten ins Stadtzentrum. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der E-Werke erreichten gemeinsam mit Arbeitern aus Hernals als Erste den Ring. „Eben dieser Hernalser Zug war es, der das erste Mal mit der Polizei, und zwar bei der Universität zusammenstieß“, heißt es in einer Diplomarbeit. Die Menge versuchte, die Universität zu stürmen, was aber misslang.

An der Universität Wien sind zum Thema etwa die Diplomarbeiten „Schattendorf und der Justizpalastbrand 1927 im Spiegel der Wiener Tagespresse“ von Karin Masek (2004) und „Der Vorfall in Schattendorf am 30.01.1927 und seine Folgen“ von Nicole Smrzek (2009) erschienen.

Als Nächstes zogen die Demonstrantinnen und Demonstranten in Richtung Parlamentsgebäude. Dort unternahm die Polizei eine Reiterattacke. Die Demonstrantinnen und Demonstranten wichen auf umliegende Parks aus und bewaffneten sich etwa mit Holzlatten. Nach weiteren Reiterattacken wichen sie auf den Schmerlingplatz zurück, wo sie die Wachleute des Justizpalastes mit Steinen bewarfen. Die Wachleute mussten sich in das Gebäude zurückziehen. Gegen die Reiter wurden Barrikaden errichtet.

Redaktionen und Wachstube wurden angezündet

Mittlerweile wurde der Republikanische Schutzbund von der Parteiführung eingesetzt, um die aufgebrachte Menge zu beruhigen. Die Mitglieder schlossen sich jedoch teilweise selbst den Demonstrationen an.

Inzwischen wurden die Wachstube Lichtenfelsgasse und die Redaktion der „Reichspost“ angezündet sowie die Redaktion der „Wiener Neuesten Nachrichten“ verwüstet. In der Lichtenfelsgasse, wo eine Schlacht zwischen den Demonstranten und der Polizei entbrannt war, gab es die ersten Todesopfer.

„Der Justizpalast brennt“

Als Symbol für die Klassenjustiz geriet der Justizpalast schnell in den Fokus der Demonstrantinnen und Demonstranten. Gegen Mittag drangen die Ersten in den Justizpalast ein. Möbel und Akten wurden aus dem Fenster geworfen und in Brand gesetzt. Um 12.28 Uhr erreichte die Alarmmeldung die Feuerwehr: „Der Justizpalast brennt.“

Justizpalast brennt

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Das Feuer konnte lang nicht unter Kontrolle gebracht werden

Mitglieder der Parteiführung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, darunter Bürgermeister Karl Seitz und Julius Deutsch, intervenierten mit unterschiedlichem Erfolg, damit die Menge die Feuerwehr durchließ. Nichtsdestoweniger sabotierte die aufgebrachte Menge die Arbeit der Feuerwehr.

Polizeipräsident gab Schießbefehl

Um 14.30 Uhr gab der Wiener Polizeipräsident Johann Schober, der die Polizisten mit Militärwaffen ausgerüstet hatte, den Befehl zu schießen. Daraufhin begannen die Demonstranten und Demonstrantinnen in die Vorstädte zurückzuweichen. Insgesamt 84 von ihnen starben. Fünf Polizisten wurden getötet, mehr als 1.000 Menschen verletzt.

Mittlerweile hatte sich das Feuer im Justizpalast auf alle Stockwerke ausgebreitet. Es konnte erst gegen 2.00 Uhr unter Kontrolle gebracht werden. Von der Parteiführung der SDAP (Sozialdemokratische Arbeiterpartei) wurden als Reaktion auf die Polizeigewalt ein Generalstreik und ein Verkehrsstreik ausgerufen, die zwar befolgt wurden, jedoch ohne Folgen blieben.

Zentrales Ereignis in der Republik

Der Brand des Justizpalastes war ein zentrales Ereignis in der Ersten Republik und läutete den Anfang ihres Endes ein: „Vom Justizpalastbrand am 15. Juli 1927 führt eine direkte Linie zum Bürgerkrieg im Februar 1934 und weiter zum März 1938. Dieser Tag markiert einen Wendepunkt am Weg von der Demokratie zu einem autoritären Regime“, resümierte der Historiker Gerhard Jagschitz in einer ORF-Dokumentation zum Justizpalast-Brand.

90. Jahrestag des Justizpalast-Brandes

Aus Wut über das Urteil im Prozess von Schattendorf zündeten Arbeiter das Gerichtsgebäude am Schmerlingplatz an.

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