Mutter erdrosselt: Fünf Jahre Haft

Nicht Mord, sondern Totschlag und fünf Jahre Haft: So lautet das nicht rechtskräftige Urteil für einen 53-Jährigen, der in Wien seine Mutter erdrosselt haben soll. Die Geschworenen glaubten ihm, dass die 80-Jährige ihm davor in den Bauch gestochen hatte.

Nach erstaunlich kurzer Beratungszeit wurde der gebürtige Inder am Montag zu fünf Jahren Haft verurteilt. Die Mordanklage wurde von den Geschworenen einstimmig verworfen. Der Mann wurde mit 5:3 Stimmen wegen Totschlags verurteilt. Die Geschworenen gingen davon aus, dass sich der Mann nach einem jahrelangen, hochemotionalen und ambivalenten Verhältnis zu seiner Mutter in einer allgemein begreiflichen Gemütsbewegung zur inkriminierten Tat hinreißen hatte lassen.

Angeklagter vor Gericht

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Der Angeklagte am Montag im Wiener Straflandesgericht

Sie glaubten zudem der Darstellung des Mannes, derzufolge ihm die 80-Jährige bei einem Disput mit einem Messer in den Oberbauch stach, ehe er sie an ihrem Halstuch packte und erdrosselte. Bei der Strafbemessung wurden dem Mann laut dem vorsitzenden Richter „der bisherige langjährige ordentliche Lebenswandel“ sowie „das reumütige Tatsachengeständnis“ mildernd angerechnet.

„Wollte sie nicht töten“

Der 53-Jährige wirkte bei der Urteilsverkündung sichtlich erleichtert und akzeptierte die Entscheidung mit dankbarem Kopfnicken. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Die Tat soll sich am 23. Februar in einer Wohnung in der Polgarstraße in Wien-Donaustadt ereignet haben. Der Mann und seine Mutter waren an diesem Tag gerade erst dort eingezogen. „Ich bin schuldig, dass sie tot ist. Aber ich wollte sie nicht töten“, hatte der Angeklagte vor Gericht erklärt.

Der Pizzakoch stammt ursprünglich aus Indien und kam vor über 30 Jahren nach Österreich, wo er eine Familie gründete und zwei Kinder bekam. 2005 holte er seine Mutter aus Indien nach Wien, weil sie dort keine näheren Angehörigen mehr hatte und auf Unterstützung angewiesen war.

Angeklagter vor Gericht

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Die Geschworenen glaubten der Darstellung des 53-Jährigen

Mit dem Einzug der Mutter verschlechterte sich das Familienleben. Ihr Sohn soll von seiner Ehefrau - ebenfalls eine gebürtige Inderin - verlangt haben, diese möge sich der Tradition entsprechend um die Schwiegermutter kümmern, was die berufstätige Frau ablehnte. Die Mutter selbst habe oft genörgelt und mit dem Sohn geschimpft, ihm seine Schwächen vorgehalten, berichtete die Staatsanwältin den Geschworenen. Er wiederum soll der Mutter gegenüber handgreiflich geworden sein und Drohungen ausgestoßen haben.

Ex-Frau nach Tat angerufen

Seine Ehefrau hatte von alldem schließlich genug. Sie reichte die Scheidung ein. Zunächst weigerte sich der Angeklagte, die eheliche Wohnung zu verlassen, fand aber schließlich doch eine neue Bleibe in der Polgarstraße. Die Mutter, die gemeinsam mit ihm einziehen sollte und die schon das Übersiedeln bekrittelt hatte, beschwerte sich, als ihr der 53-Jährige die Wohnung zeigte. Laut Anklage bemängelte die Frau vor allem das Fehlen eines Fernsehers.

„Es kommt dazu, dass er den Kränkungen ein Ende setzen will“, schilderte die Staatsanwältin das weitere Geschehen. Der Angeklagte habe die 80-Jährige zu Boden gestoßen, sich auf sie gekniet und das Halstuch mit beiden Händen minutenlang zugezogen. Im Anschluss rief der Mann seine Ex-Frau an und teilte dieser mit, er habe seine Mutter getötet. Er bot ihr auch an, zum Beweis dafür ein Foto zu schicken.

Angeklagter beschuldigt Mutter

Die Ex-Frau verständigte die Polizei. Als diese am Tatort eintraf, blutete der Sohn im Bauchbereich. Die Beamten glaubten, er hätte sich in selbstmörderischer Absicht ein Messer in den Oberkörper gestoßen. Bevor er abtransportiert wurde, sagte der Mann zu den Beamten: „Was ist mit meiner Mutter? Mir ist die Pflege meiner Mutter zu viel.“

Tatort

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Erst unmittelbar vor der Tat zogen Mutter und Sohn in der Polgarstraße ein

Vor dem Schwurgericht erklärte er nun allerdings, seine Mutter sei es gewesen, die ihn verwundet hätte. Sein Ziel sei es stets gewesen, „dass es der Familie gut geht“, erklärte der Mann. Seine Mutter sei aber „schwierig“ gewesen, hätte beispielsweise seine Kinder immer beim Lernen gestört. Die neue Wohnung hätte ihr nicht gepasst. Sie hätte plötzlich ein Messer in der Hand gehabt und ihm die Klinge mit einer seitlichen Drehbewegung in den Oberbauch gestochen: „Es hat mir die Füße weggezogen. Ich war schockiert.“

Keine DNA-Spuren von Mutter auf Messer

Die Mutter habe sich nach dem Stich „nach indischer Art“ selbst geschlagen, behauptete der Angeklagte weiter. Da habe er „meinen Verstand verloren für einen Moment“. Er habe sie am Halstuch erfasst, geschüttelt und gerüttelt. Sie sei hingefallen: „Wahrscheinlich hab ich sie fester genommen.“ Dass die Mutter starb, habe er nicht gewollt: „Ich wusste nicht, dass so was passieren kann.“

Einem DNA-Gutachten zufolge fanden sich auf dem am Tatort sichergestellten Messer, das den Angeklagten verletzt hatte, keine genetischen Spuren der 80-Jährigen. Damit konfrontiert, behauptete der Angeklagte, er hätte die Waffe abgewaschen, nachdem er damit gestochen wurde.

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