Weitere Burschen bei Pfadfindern missbraucht

Ein 53-jähriger Mann, der mehrere Burschen in seiner Funktion als Pfadfinderführer sexuell missbraucht haben soll, ist nun mit weiteren Vorwürfen konfrontiert. Er soll zumindest vier weitere Burschen missbraucht haben.

Vor knapp vier Wochen musste sich der Verdächtige wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen am Landesgericht für Strafsachen verantworten. Der 53-Jährige wurde wegen Verjährung freigesprochen. Die Vorwürfe waren - der Strafprozessordnung entsprechend - vom Gericht aus formalen Gründen gar nicht mehr auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu prüfen - mehr dazu in Missbrauch: Freispruch für Pfadfinderführer.

Losgelöst davon steht aber fest, dass der Verdächtige im Lauf der Jahre zumindest vier weitere Minderjährige missbraucht haben dürfte. Bereits 1985 hatte er sich während eines Weihnachtsausflugs auf einem Matratzenlager gegenüber eines 15-Jährigen übergriffig verhalten.

Im Vorjahr noch auf Sommerlager mit

Mitte der 1990er-Jahre wurde ein weiterer Schützling des Pfadfinderführers in dessen Wohnung eingeladen. Annäherungsversuche an einen anderen Burschen Ende der 1990er-Jahre führten dazu, dass dieser beim Explorer-Führer übernachtete und diesen abwehren musste, als er im Bett zu heftig bedrängt wurde. In den Jahren 2004 und 2005 soll der Mann mit einem 17-jährigen Pfadfinder eine sexuelle Beziehung unterhalten haben.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Mann seine Leitungsfunktion bei den Pfadfindern zurückgelegt. Er hielt aber weiter Kontakt zur betreffenden Gruppe. Im August 2016 begleitete er diese als Koch auf das Sommerlager. Nach dessen Abschluss wurde bekannt, dass er dort einen 14-Jährigen belästigt hatte, indem er sich an dessen nackter Brust zu schaffen machte. Einem anderen 14-Jährigen versuchte er mehrfach die Hosen herunterzuziehen. Einen 15-Jährigen forderte er auf, sich zu entblößen.

„Haben gewusst, dass er seine Lieblinge hat“

Als die Eltern der Kinder davon erfuhren, informierten sie die Verantwortlichen der Gruppe. In der betroffenen Gruppe dürfte der ehemalige Explorer-Führer unter den Jugendlichen einen „gewissen Ruf“ gehabt haben, ohne dass sich dieser bis nach oben durchsprach. „Wir haben alle gewusst, dass er seine Lieblinge hat“, erinnert sich ein ehemaliger Explorer, der bis in die späten 1990er-Jahre der Gruppe angehörte.

Der Mann hätte bestimmte Burschen „gern angegriffen“, diese ins Kino eingeladen oder zu Fußball-Matches begleitet. „Auffallend war, dass er auf Sommerlagern immer welche massieren wollte. Mir ist das eigenartig vorgekommen“, so der ehemalige Pfadfinder.

Verdächtiger von Pfadfindern suspendiert

Bei den Wiener Pfadfindern war man von der Anzeige, die zu dem Prozess geführt hat, und den Ergebnissen der kriminalpolizeilichen Ermittlungen völlig überrascht. „Es hat uns alle von den Socken gehaut“, so der Präsident der Wiener Pfadfinder, Kurt Weber. Speziell in der betroffenen Gruppe hätten „Ernüchterung, Enttäuschung, eine Das-kann-doch-nicht-wahr-Sein-Stimmung“ Platz gegriffen. „Er ist vom Präsidium sofort suspendiert worden“, betonte Weber. Von seiner Gruppe wurde der mittlerweile 53-Jährige zudem mit einem Hausverbot belegt.

Mittlerweile wurden Vorkehrungen getroffen, um in Zukunft ähnliche Fälle zu verhindern. Am Bundestag der Österreichischen Pfadfinder - hierzulande gibt es rund 300 Gruppen mit über 85.000 Mitgliedern - wurde Ende Oktober eine Resolution in die Verbandsordnung aufgenommen, die sich dem Thema Missbrauch widmet und die einen verbindlichen Verhaltenskodex enthält.

Zudem wird die Aus- und Weiterbildung von Pfadfinderführern „intensiviert, weil gewisse Dinge, über die man vor 30 oder 40 Jahren nicht gesprochen hat, heute einfach Thema sind“, sagte Weber. Um mit Kindern und Jugendlichen der jeweiligen Altersstufe entsprechend auf Augenhöhe über Sexualität, erste Liebe und Verhütung zu sprechen, können bei Bedarf auch externe Experten beigezogen werden.

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