Wiener Grüne wollen Partei völlig umkrempeln

Nach dem Debakel bei der Nationalratswahl und internen Querelen wollen die Wiener Grünen die Partei völlig umkrempeln. „Ohne Tabus“ soll auch die basisdemokratische Listenerstellung für die Wien-Wahl hinterfragt werden.

Der Startschuss für den Reformprozess fällt am 25. November. An diesem Tag tagt das größte Gremium der Wiener Partei, die Landesversammlung. Dort soll ein Leitantrag mit dem Titel „Für einen Neubeginn der Wiener Grünen“ mit möglichst breiter Mehrheit beschlossen werden und somit der Startschuss für die Neuaufstellung der Partei fallen.

Das katastrophale Ergebnis bei der Nationalratswahl beruhe „auf Fehlern und Problemen, die wir zum Teil seit Jahren kennen und ignoriert haben“, heißt es in einem vierseitigen Entwurf. Im Hinblick auf die für 2020 geplante Wiener Landtagswahl müsse es jetzt zu einer „Neugestaltung“ kommen, die „alle Ebenen unserer Partei“ betreffe.

Diskussion über Zentralisierung

Der Antrag macht deutlich, dass die Grünen offenbar auch heikle Strukturangelegenheiten angreifen oder zumindest hinterfragen wollen, ob diese noch zeitgemäß sind - etwa die bisherigen basisdemokratischen Listenerstellungen. „Es gibt schon länger Stimmen dafür, dass wir unsere internen Wahlvorgänge überdenken sollen“, heißt es dazu. Gesucht wird ein Wahlmodus, der transparent ist, aber auch eine thematische Ausgewogenheit im Klub garantieren soll.

Maria Vassilakou

APA/Georg Hochmuth

Auch ein nochmaliges Antreten Vassilakous ist laut dem Antrag nicht fix

Diskutiert werden soll zudem, ob der Spitzenkandidat oder die Spitzenkandidatin anders als derzeit auch im Vorstand vertreten und somit eine Art formeller Parteichef bzw. Parteichefin sein soll und künftig auch personelle Vorschläge in Sachen Listenerstellung machen darf - also ein Schritt in Richtung Zentralisierung.

„Ärgste Krise unserer Geschichte“

Auch ein nochmaliges Antreten von Maria Vassilakou wird in dem Antrag durchaus nicht als fix vorausgesetzt. „Ein Neubeginn gelingt nur mit konkreten Veränderungen und einer geeigneten Person als SpitzenkandidatIn. Für deren Findung wird bei der Landesversammlung im Juni 2018 ein Fahrplan vorgelegt“, wird in dem Papier formuliert.

Man wolle alles „ohne Scheuklappen und ohne Tabus“ in einem „offenen Prozess“ zur Debatte stellen, sagt die grüne Sozialsprecherin Birgit Hebein, die den Antrag mitformuliert hat, im APA-Gespräch. Denn es gebe „dringenden Handlungsbedarf“: „Wir sind in der ärgsten Krise unserer Geschichte.“ Eine Art Gegenantrag zum angekündigten Vorstoß des Vassilakou-Kritikers Alexander Hirschenhauser, Klubobmann im ersten Bezirk, sei das aber nicht.

Hirschenhauser will bei der Landesversammlung ja über einen Antrag abstimmen lassen, der die grüne Frontfrau zur Niederlegung ihrer politischen Funktionen bis zum Frühjahr 2018 auffordert - mehr dazu in Rufe nach Rücktritt Vassilakous. „Wir machen mit unserem Antrag klar, dass die Frage der Führungsspitze erst am Ende der Erneuerung steht“, meint Hebein. Zu Hirschenhausers Antrag wollte sie sich nicht äußern.

Abgrenzung von Koalitionspartner SPÖ

Schaffen will man den Spagat auch zwischen dem Selbstverständnis einer systemkritischen Bewegung und der Notwendigkeit zu Kompromissen in Regierungsverantwortung. Außerdem soll eine Strategie gefunden werden, wie man sich stärker vom Koalitionspartner SPÖ abgrenzen kann, damit 2020 nicht wieder das Schicksal droht, dass Grün-Wähler in letzter Minute zu den Roten umschwenken. Durch eine Parteiöffnung hin zur Zivilgesellschaft erhoffen sich die Grünen außerdem mehr Mitglieder. Denn derzeit zähle man nur 1.500 - bei knapp 100.000 Wählerstimmen bei der Gemeinderatswahl 2015.

Neben Gemeinderätin Jennifer Kickert und der Währinger Bezirksvorsteherin Silvia Nossek ist auch Christian Tesar, Klubobmann der Grünen in Rudolfsheim-Fünfhaus, im achtköpfigen Autorenteam des Antrags vertreten. „Wir wissen nicht erst seit dem 15. Oktober, dass wir tiefgehende Probleme haben. Wir werden nicht mehr als konstruktive Kraft wahrgenommen, obwohl uns eigentlich mit dem Ressort von Maria Vassilakou (Verkehr/Planung/Energie, Anm.) sehr viel gelingt in der Stadt. Das ist ja absurd“, fasste Tesar das Dilemma gegenüber der APA zusammen. Der Antrag sei der „Versuch, möglichst viele Menschen an Bord zu holen, um Lösungen umzusetzen“.

Neuerungsprozess bis Herbst 2018

Der Leitantrag wurde noch am Mittwochnachmittag an die einzelnen Bezirke verschickt, wo er diskutiert werden und bei Bedarf ergänzt werden soll. Ziel ist, viele Mitstreiter zu finden, damit das Papier bei der Landesversammlung eine möglichst breite Zustimmung findet. Erste Reformergebnisse sollen bei der Landesversammlung im Juni 2018 präsentiert werden, der gesamte Neuerungsprozess bis Herbst 2018 abgeschlossen sein.

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