AzW erinnert an die „Stadt des Kindes“

Die „Stadt des Kindes“ am Stadtrand von Wien sollte mit rund 300 Kindern hehre Ziele von Erziehung und Gemeinschaft verwirklichen - und scheiterte. Das Architekturzentrum Wien erinnert nun an das Wohlfahrtsexperiment der 68er.

Es ist Bauwerk gewordene Reformpädagogik, in Beton gegossenes Ideal der 68er - und Monument des Scheiterns: Von Anton Schweighofer konzipiert und 1974 eröffnet, sollte die „Stadt des Kindes“ in Penzing verwaisten oder gefährdeten Kindern Unterkunft bieten. In einer Ausstellung widmet sich das Architekturzentrum dieser Idee.

Stadt des Kindes

Architekturzentrum Wien

„Es gibt wenige gebaute 68er Utopien, eigentlich ist es spektakulär, dass wir in Wien so ein genuines Gebäude haben“, so Direktorin Angelika Fitz. Wobei „haben“ eher relativ ist: Nach der Schließung der Stadt des Kindes 2002 wurde intensiv nach einer Nachnutzung gesucht - bis 2013 entstand schließlich ein Wohnkomplex, bei dem allerdings zentrale Bereiche des ursprünglichen Ensembles abgerissen wurden. Das AzW verfügte damals bereits über den Vorlass von Schweighofer.

Disco und Maisonettewohnungen

Darin enthalten sind auch die interessantesten Dokumente der Ausstellung: Seine Skizzen, in denen er sich einen ganz konkreten Alltag für die Kinder ausmalte, wie sie in der Disco feiern, beim Vogelnistplatz die Natur entdecken, in den Wohneinheiten lebten und lernten, sich an vielfältig geplanten Plätzen der Begegnung versammelten.

Die Stadt des Kindes: Vom Scheitern einer Utopie

Architekturzentrum Wien
Museumsplatz 1, 1070 Wien
17.04.2018 – 28.05.2018
Täglich 10.00 Uhr bis 19.00 Uhr

Er konzipierte Maisonette-Wohnungen für Jugendliche, in die sie sich zurückziehen konnten, schuf Gänge, Durchgänge, Brücken und Ebenen in bunten Farben und voller pädagogischer Einzelheiten. Es sollte ein radikaler Wechsel von der klassischen Kinderheim-Typologie sein. Für die Stadt Wien, die Schweighofer nicht zuletzt den Namen des Projekts vorgab, war es ein Vorzeigeprojekt mutiger, neuer Wohlfahrtspolitik.

Stadt des Kindes

Pez Hejduk, Wien

2008 wurde mit dem Teilabriss begonnen

Gewalt und Verwahrlosung

Doch schon den optimistischen Fotos aus den frühen Jahren haftet ein bitterer Beigeschmack an, wenn man die spätere Entwicklung kennt. Eine Historikerkommission bescheinigte dem Experiment im Jahr 2012, was schon ab den späten 80ern spürbar war: Dass die Stadt des Kindes ihren Idealen nicht gerecht werden konnte, dass es zu physischer und sexueller Gewalt kam, zu Drogenmissbrauch, zu Verwahrlosung.

Zwei Dokumentarfilme - die auch in der Schau gezeigt werden - lassen ehemalige Bewohner zu Wort kommen. „Dabei zeigt sich ein paralleles Nebeneinander von Wahrnehmungen“, so Kuratorin Monika Platzer. Ab 1995 wurden Massenunterbringungen für Kinder Zug um Zug geschlossen und die Bewohner in kleinere Einheiten verlegt.

Kuratorin wünscht sich Denkmalschutz

Was also für heute lernen? Für Angelika Fitz liegt eine wichtige Lektion im Verhältnis von „Investitionskosten“ und „Kümmern“: „Viel zu oft versucht man etwas zu bauen, was dann niedrige oder keine Erhaltungskosten bedeutet“, so Fitz - genau daran sei die Stadt des Kindes aber gescheitert, die Ressourcen, um die ambitionierte Vision umzusetzen, fehlten auf lange Sicht.

Ausstellung: „Vom Scheitern einer Utopie“

Das ehemalige sozial und architektonisch engagierte Kinderbetreuungsprojekt am Stadtrand von Wien war von 1974 bis 2002 in Betrieb.

„Vielleicht wäre es manchmal sinnvoller, anfangs weniger zu investieren, dann aber viel zu kümmern - das ist stadtplanerisch eine wichtige Perspektive.“ Vor allem aber ist die Ausstellung ein historisches Zeugnis für die weitreichenden Umbrüche nach 68. Für Kuratorin Platzer ist es unverständlich, dass die Stadt des Kindes nicht unter Denkmalschutz steht. Für manche ihrer einstigen Bewohner wahrscheinlich nicht.

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