Prozess um Mafia-Doppelmord ohne Urteil

Wieder muss ein Geschworenenprozess wiederholt werden. Die Berufsrichter haben am Mittwoch das Urteil in einem Prozess um einen Doppelmord im Dunstkreis der Chinesen-Mafia vor 18 Jahren ausgesetzt.

Die Geschworenen sprachen zunächst den Angeklagten, einen gebürtigen Chinesen, vom Mordvorwurf frei und erkannten auf Beteiligung an einer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang. Sie verneinten den Mord mit vier zu vier Stimmen und damit mit dem knappest möglichen Quorum für den Angeklagten. Die drei Berufsrichter setzten den Wahrspruch aber wegen Irrtums der Laienrichter aus. Der Prozess muss in einigen Wochen vor einem Schwurgericht wiederholt werden. Der Angeklagte bleibt bis dahin in U-Haft.

Die Verteidiger Nikolaus Rast und Alfred Boran reagierten auf die Entscheidung der Berufsrichter entrüstet: „Wozu braucht man die Geschworenengerichtsbarkeit, wenn derzeit jedes Urteil ausgesetzt wird?“ Tatsächlich zeigt die Laiengerichtsbarkeit bei Kapitalverbrechen derzeit Schwächen: Seit vergangenem Donnerstag ist der Wahrspruch bei nicht weniger als drei Schwurverhandlungen ausgesetzt worden, weil die Geschworenen nach Ansicht der Berufsrichter durchwegs irrten.

Hinrichtungen im Mafia-Stil

Im Mafia-Prozess ging es um den Mord an einem damals 25-jährigen Mann und seine 19-jährige Partnerin im Jahr 2000. Der Mann war bei einer auf Menschenhandel und Schutzgelderpressung spezialisierten Bande namens „Snake Heads“ in Ungnade gefallen. Im August 2000 wurde er in Wien überfallen, verschleppt, gefoltert und getötet.

Mordprozess: Freispruch aufgehoben

Eine Bluttat im Dunstkreis der Chinesen-Mafia war in Wien Fall für ein Schwurgericht. Die Berufsrichter hoben das Urteil aber auf.

Seine 19-jährige ebenfalls aus China stammende Lebensgefährtin brachte man als mutmaßliche Mitwisserin über Banden-Interna zum Schweigen. Ihre Leiche wurde in einem Gebüsch in Leobersdorf entdeckt. Sie war in Mafia-Manier mit einem Hackbeil hingerichtet worden.

Angeklagter im Vorjahr in München festgenommen

An der Ermordung der 19-Jährigen soll neben drei längst verurteilten Männern ein damals 17-Jähriger beteiligt gewesen sein, der in der kriminellen Gruppierung hauptsächlich als Dolmetscher fungierte. Der inzwischen 35 Jahre alte Mann wurde im vergangenen Dezember mit internationalem Haftbefehl am Flughafen München festgenommen, nachdem er aus Shanghai angereist war.

Einer der bereits verurteilten Täter hatte den 35-Jährigen nach seiner Haftentlassung „verpfiffen“. Er soll vom Angeklagten Schweigegeld verlangt haben. Weil er nicht bezahlt wurde, nannte er den Strafverfolgungsbehörden den richtigen Namen des bis dahin unter einem Falschnamen Gesuchten und dessen Aufenthaltsort.

Angeklagter will von Mord nichts gewusst haben

Der 35-Jährige soll dem Vernehmen nach zugeben, sich in dem Pkw befunden zu haben, in dem die 19-Jährige von ihren Entführern aus Wien weggebracht wurde. Der Angeklagte will aber weder von den mörderischen Absichten seiner Landsmänner gewusst noch an deren Umsetzung mitgewirkt haben.

Er behauptet, er wäre im Auto sitzen geblieben, als die gefesselte 19-Jährige aus diesem geschafft wurde. Zu diesem Zeitpunkt sei er noch davon ausgegangen, dass man die junge Frau einschüchtern und ihr ein paar Ohrfeigen verabreichen wollte.

Kein weiterer Tatbeteiligter greifbar

Der mutmaßliche Auftraggeber des Doppelmords hat nach seiner Inhaftierung in seiner Zelle Selbstmord verübt. Ein unmittelbarer Täter, der nach 15 Jahren im Gefängnis auf seine mögliche bedingte Entlassung vorbereitet werden sollte, nutzte einen Ausgang zur Flucht. Von ihm fehlt jede Spur.