Viel Körpereinsatz beim Ausstellungsherbst

Erwin Wurm, Minimal Art und nackte Männer: Der diesjährige Ausstellungsherbst bietet vielfältige Zugänge zu Malerei, Fotografie und Stadtgeschichte. wien.ORF.at gibt einen Überblick über die Highlights der kommenden Monate.

Die Albertina startete heuer bereits mit Fotografie und radikalen Perspektiven auf den menschlichen Körper in den Herbst. Im Zentrum der Ausstellung „Körper als Protest“ (bis 2. Dezember) stehen die großformatigen Fotos des Künstlers John Coplans. In der Inszenierung seines eigenen nackten Körpers verzichtet er auf idealisierte Darstellungen und verfremdet seine Teilakte durch Fragmentierung - mehr dazu in Albertina zeigt „Körper als Protest“.

John Coplan

Albertina Wien

Fotografie von John Coplans

Albertina setzt auf Kaiser Maximilian I. und Wurm

Ab 14. September geht es weiter mit der Schau zu einem großen Meister der Selbstinszenierung: Kaiser Maximilian I. beauftragte zu seinen Lebzeiten die angesehensten Künstler seiner Epoche, um in Gemälden, Grafiken und Skulpturen Abbilder von ihm zu schaffen, die ihm als gezielte Propaganda in eigener Sache dienten. Allen voran Werke von Albrecht Dürer können in der Schau „Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit“ (bis 6. Jänner) ausführlich begutachtet werden - mehr dazu in Kaiser Maximilians PR-Strategie in Albertina.

Publikumsmagnet Erwin Wurm ist ab 12. Dezember die dritte große Albertina-Schau gewidmet (bis 17. Februar). Mit seinen „One Minute Sculptures“ und oft stark verfremdeten Plastiken wie dem „Fat Car“ hat sich der Künstler einen zentralen Platz im internationalen Kunstbetrieb erarbeitet.

Im Fokus der Einzelausstellung steht eine noch nicht abgeschlossene aktuelle Werkgruppe des Künstlers. Damit steht ein zweites Mal in diesem Herbst die menschliche Physis im Zentrum einer Ausstellung der Albertina, denn Wurm stellt in seinen Exponaten der Körperlichkeit der Gegenwart die Körpersprache der Gotik gegenüber.

Kaiser Maximilian auf einem Bild Dürers

VBK, Wien 2012/Albertina Wien

Kaiser Maximilian auf einem Bild Dürers

MUMOK feiert 50. Jubiläum

Rechnet man das 1962 eröffnete Museum des 20. Jahrhunderts als Vorgängerinstitution dazu, feiert das MUMOK heuer sein 50-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass lädt man am 23. September zum Tag der offenen Tür. So kann bei freiem Eintritt sowohl ein letzter Blick in die aktuelle Ausstellung „Reflecting Fashion – Kunst und Mode seit der Moderne“ geworfen werden, als auch ein erster in die neue Schau „Poesie der Reduktion. Minimal, Concept, Land Art“ (17. September bis 5. Mai).

Diese zeigt die Bestände des Museums zu Strömungen wie Minimal Art, Concept Art, oder auch „Hard Edge Painting“ und wird ab 13. Oktober von der Sonderausstellung zum Werk von Dan Flavin, einem der Hauptvertreter der Minimal Art, ergänzt (bis 3. Februar).

Gegensätze im Leopold Museum

Gleich gegenüber im Leopold Museum bringen der September und Oktober Kunst aus dem fernöstlichen Kulturraum und – ein weiteres Mal in diesem Herbst – nackte Tatsachen. „Japan – Fragilität des Daseins. Meisterwerke aus der Sammlung Genzō Hattori“ (28. September bis 4. Februar) zeigt traditionelle japanische Tuchmalerei und Kalligrafie.

Katsushika Hokusai, Unter der Welle bei Kanagawa, aus der Serie: 36 Ansichten des Berges Fuji, um 1830

Sammlung Leopold II

„Unter der Welle“ von Hokusai

Der Titel „Nackte Männer. Von 1800 bis heute“ darf als Hinweis auf den Inhalt der zweiten Ausstellung verstanden werden: Anhand von Leihgaben aus ganz Europa wird die Entwicklung des männlichen Aktes vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart nachgezeichnet (19. Oktober bis 28. Jänner). Neue Einblicke in den Wandel von männlichen Schönheitsidealen und Rollenbildern wurden vom Museum in Aussicht gestellt, haben sich bisherige Ausstellungen zum Thema Nacktheit doch vor allem mit dem weiblichen Akt beschäftigt.

Andy Warhol, Querelle, um 1982

Privatsammlung/ VBK, Wien 2012

„Querelle“ von Andy Warhol

Exzentrisches in der Kunsthalle

Der dritte Nachbar im Hof des Museumsquartiers, die Kunsthalle Wien, setzt im Herbst nicht nur auf Provokation im Ausstellungsbetrieb, sondern auch auf einen neuen Direktor. Der deutsche Kunsthistoriker und Kurator Nicolaus Schafhausen tritt ab 1. Oktober offiziell die Nachfolge von Gerald Matt an. Die ersten beiden Ausstellungen in seiner Amtszeit befassen sich mit zwei „Bad Boys“ der Kulturszene:.

Der gerne als „Enfant Terrible“ bezeichnete Leigh Bowery machte in den 1980ern seinen eigenen Körper zum Kunstobjekt und sorgte mit exaltierter Selbstinszenierung für viel Aufruhr und Applaus in der Londoner Subkultur. „XTRAVAGANZA. Staging Leigh Bowery“ bietet von 19. Oktober bis 3. Februar einen Querschnitt durch sein Werk.

Johnny Rozsa, Leigh Bowery with Trojan, Pakis from Outer Space, 1983, C-Print

Johnny Rozsa, Courtesy Johnny Rozsa

Werk von Bowery in der Kunsthalle

Parallel dazu zeigt „Mike Parr. Edelweiß.“ (9. November bis 24. Februar) in Halle 2 Arbeiten von einem der radikalsten zeitgenössischen Performancekünstler. In seinen provokanten Auftritten testet Parr die Grenzen des eigenen Körpers bis hin zur Selbstverletzung aus. Er bricht mit Tabus und animiert das Publikum mit Stilmitteln wie Schmerz und Ekel zur Reflexion. Kontroverse Diskussionen unter den Besuchern scheinen damit vorprogrammiert.

Neue Zugänge im KHM

In deutlich weniger kontroversielles Fahrwasser bewegt man sich naturgemäß im Kunsthistorischen Museum (KHM), auch wenn es mit den Plastiken des griechisch-österreichischen Bildhauers Joannis Avramidis abermals um die Struktur des menschlichen Körpers geht. Anlässlich seines 90. Geburtstags sind zwei Wochen lang Skulpturen und graphische Arbeiten des ehemaligen Professors der Akademie der Bildenden Künste in der Antikensammlung zu sehen (19. September bis 4. November).

Die beiden größeren Programmpunkte im Herbst zeigen Bestände des Kunsthistorischen Museums in neuer Präsentation. „Ed Ruscha. The Ancients Stole All Our Great Ideas“ (25. September bis 2. Dezember) ist der Beginn einer neuen Reihe von Ausstellungen, die von international bekannten Künstlern kuratiert werden. Zum Auftakt wählt der Maler und Fotograf Ruscha Werke des Museums aus, um sie in neuen Kontexten zu präsentieren.

Landschaftsmalerei und Ungarn

Im Oberen Belvedere widmet man sich indes mit der Schau „Emil Jakob Schindler - Poetischer Realismus“ (27.September bis 6. Jänner) einem der wichtigsten Vertreter der österreichischen Landschaftsmalerei. „Die Nacht im Zwielicht“ beleuchtet dann ab 24. Oktober im Unteren Belvedere und der Orangerie Malerei und Fotografie von der Romantik bis heute. Zu sehen sind unter anderem Werke von Georg Waldmüller, Philipp Otto Runge, oder Ansel Adams (bis 17. Februar).

Malerei ist auch im Kunstforum auf der Freyung zu sehen. Ab 12. September steht dort unter dem Titel „Die Acht. Ungarns Highway in die Moderne“ eine Gruppe von Malern im Blickpunkt, die Österreichs östlichen Nachbarn Anfang des 20. Jahrhunderts an ein neues künstlerisches Zeitalter heranführten (bis 2. Dezember). Von 12. Dezember bis 10. März folgt eine Werkschau zu Miquel Barcelo, einem führenden Vertreter der Neuen Malerei, die den Kunstbetrieb der 1980er-Jahre dominierte.

Wien Museum widmet sich Wohnen und Freizeit

Das Wien Museum am Karlsplatz startete ebenfalls bereits mit einer großen Schau zur Geschichte und Entwicklung der Wiener Werkbundsiedlung - mehr dazu in Auf den Spuren der Werkbundsiedlung. Ab 25. Oktober wirft „Spiele der Stadt – Glück, Gewinn und Zeitvertreib“ einen historischen Blick auf die Freizeitbeschäftigungen der Hauptstädter (bis 2. April).

Die ausgestellten Spielräume reichen von vornehmen Salons des 18. Jahrhunderts bis zu heutigen Automatenhallen, die Exponate von Tarockkarten bis Schachbrettern. Auch alte Gassenspiele wie „Anmäuerln“, „Reifentreiben“ oder die öffentlichen Spielplätze werden beleuchtet. Der gesellschaftliche und soziale Kontext der verschiedenen Zeitvertreibe wird bei der Ausstellung besonders deutlich: Im Beisl spielt man andere Spiele als im Kaffeehaus, im großbürgerlichen Wohnzimmer andere, als in der Gemeindebausiedlung.

Wohnraum in Werkbund-Haus 45 von Jacques Groag, 1932

Wien Museum/Julius Scherb

Wohnraum in Werkbundsiedlung

Warhol aus dem Foto-Automaten

Die Ausstellung „Foto-Automaten-Kunst“ im Kunsthaus Wien zeigt hingegen ab 10. Oktober mit mehr als 300 Exponaten von rund 60 internationalen Künstlern, darunter auch Andy Warhol oder Arnulf Rainer, einen umfassenden Einblick in die „Ästhetik hinter dem Vorhang“. Dabei wird die eigentliche Funktion der Maschine ebenso gezeigt wie das durch die schnellen Bilder entstehende Erzählen kurzer Geschichten oder das Schaffen eigener Welten.

Die Besucher der Ausstellung sind dazu aufgerufen, den Fotoautomaten, der im Foyer des Kunsthaus stehen wird, kreativ-künstlerisch zu nützen: Die zehn kreativsten und originellsten Fotostreifen-Sujets werden prämiert und zusätzlich in der Ausstellung gezeigt.

Franco Vaccari: Ausstellung in Echtzeit Nr. 4, Modena 1972

Franco Vaccari

Bilder von Franco Vaccari

Besten Pressefotos in der Galerie Westlicht

Last but not least: Auch dieses Jahr zeigt die Galerie Westlicht wieder die besten Pressefotos. Eine Aufnahme aus dem blutigen Machtkampf im Jemen ist zum besten Pressefoto des vergangenen Jahres gekürt worden - mehr dazu in Besten Pressefotos in der Galerie Westlicht.

World Press Photos 2011

Samuel Aranda / The New York Times / APA / EPA

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