Wie funktioniert „Freundschaft plus“

Was unterscheidet eine „Freundschaft plus“ von anderen Beziehungsformen, was macht sie so kompliziert und wann kann eine „Freundschaft plus“ funktionieren? Tipps von Kommunikationsexpertin Nana Walzer

Sehen wir uns zunächst eine normale Beziehung an: Meistens verlieben sich beide Partner ineinander, sie treten nach einer Weile gemeinsam in der Öffentlichkeit und im Bekanntenkreis als Paar auf. Und irgendwann bestimmen sie, dass sie vielleicht zusammen wohnen möchten - bis hin zu heiraten, Kinder kriegen, das ganze Paket. Oder dass sie zwar getrennt wohnen wollen, aber exklusiv zusammen sind, also dass es keine anderen Affären geben soll. Für die meisten Beziehungen ist dieser Faktor der Ausschließlichkeit wesentlich für das Vertrauen und die Offenheit, die beide einander gegenüberbringen und die als notwendig gesehen werden, damit sie sich fallen lassen können.

Sendungshinweis:

„Radio Wien am Nachmittag“, 21.9.2017

Der Faktor „Liebe“ spielt auch eine Rolle und damit ein gewisses Gefühl der Einzigartigkeit dieser Beziehung und einer Intensität, die eben andere Beziehungsformen nicht erreichen. Die „Freundschaft plus“ unterscheidet sich in allen diesen Punkten. Die Partner sind nicht verliebt ineinander, sie mögen sich allerdings auf eine ganz besondere Art. Sie verstehen sich überaus gut und können sogar über vieles miteinander reden, über das in Beziehungen oft geschwiegen wird. Aber sie treten nicht gemeinsam auf, wohnen nicht gemeinsam (außer vielleicht in einer WG), heiraten nicht, bekommen keine Kinder, versprechen einander nicht, mit niemand anderem Sex zu haben. „Liebe“ ist kein Thema, zumindest nicht in Form eines Besitzanspruches. Aber genau hierin liegt oft der Knackpunkt der „Freundschaft plus“.

Frau umarmt Mann

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Komplizierte „Freundschaft plus“

Ein netter Mensch, wiederholter Sex, gute Gespräche – eigentlich ideal, denken viele zu Beginn. Aber die wenigsten sind für eine lockere intime Begegnung auf Dauer geeignet. Entweder einer der beiden verliebt sich in den anderen oder in einen ganz anderen. Oder einer hat Erwartungen an ein Verhalten, das eher einer Beziehung entspricht, wie sich regelmäßig zu treffen, dauernde Verfügbarkeit, der einzige Partner zu sein etc.

Kommen Erwartungen ins Spiel, die an eine reine Freundschaft nicht gestellt werden, so wird es schwierig mit der Vertrauensebene auf beiden Seiten. Ein Freund muss sich zum Beispiel nicht sofort zurückmelden (außer im Notfall). Wird ihm aber daraus ein Problem gemacht, so ist auch er selbst enttäuscht, da er in seiner Freiheit eingeschränkt wird. Es war ja alles zunächst ganz anders ausgemacht.

Wann „Freundschaft plus“ funktioniert

Wenn die Prioritäten und Regeln klar sind und von beiden gerne eingehalten werden. Die Vorteile müssen die Nachteile, die Wohlgefühle das Unwohlsein bei weitem überwiegen. Offenheit und Vertrauen sind absolut notwendig, sonst driftet die Freundschaft in eine Bedürfnisgemeinschaft ab, in der zwar beide vielleicht Sex bekommen, in der aber der Gedankenaustausch beschränkt wird. Auf der Gefühlsebene muss klar sein, dass Sehnsucht oder enttäuschte Erwartungen Anzeichen dafür sein können, dass sich die eigenen Beziehungswünsche gewandelt haben oder man sich vielleicht sogar etwas vorgemacht hat. Dann wird es Zeit, dies klar anzusprechen, anders zu einander zu finden oder auszusteigen.

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Nana Walzer
Nana Walzer: „Die Kunst der Begegnung“