Missbrauch in Heimen: Längere Meldefrist

Die Stadt Wien hat die Frist verlängert, bis zu der sich Opfer von Missbrauch und Gewalt in städtischen Heimen oder Privateinrichtungen unter städtischer Aufsichtspflicht melden können. Der Weisse Ring nimmt Meldungen noch bis 31. Oktober entgegen.

Auch nach Ablauf der Frist meldeten sich noch Personen. „Die wollen wir nicht nach Hause schicken, sondern auch ins Projekt nehmen“, begründete Marianne Gammer, Geschäftsführerin des Weissen Rings, die Verlängerung der Meldefrist. Bis vergangenen Mittwoch meldeten sich 343 Personen beim Weißen Ring. 231 Fälle seien bisher im Gremium behandelt worden, 47 würden nächste Woche geprüft, so Gammer. Wann alle Fälle abgewickelt sein werden, ist offen. „Wir bemühen uns und haben nach wie vor alle Ressourcen geballt, um möglichst rasch fertig zu werden“, so Gammer.

Insgesamt stellte die Stadt Wien 5,8 Millionen Euro für Hilfeleistungen bereit. Entsprechend der gängigen Judikatur für Schmerzensgeldzahlungen sind 5.000 Euro für leichte, 15.000 Euro für mittlere und 25.000 Euro für schwere Gewaltübergriffe veranschlagt.

Heim auf Hoher Warte am öftesten genannt

In 173 Fällen wurden finanzielle Entschädigungen zugesprochen. Laut Weissem Ring waren 67 Prozent davon Männer. 35 Prozent der Betroffenen seien zwischen 40 und 50 Jahre alt, 33 Prozent zwischen 50 und 60. In 42 Fällen wurden bisher keine Entschädigungen gezahlt. Diese Betroffenen hätten nur sprechen oder anonym bleiben wollen. In einigen Fällen wurden sie auch an andere Anlaufstellen vermittelt. 148 Personen nahmen zudem psychologische Betreuung oder Therapien in Anspruch.

Ausgewertet ist laut Weissem Ring auch, welche Heime besonders oft in Zusammenhang mit gewalttätigen Übergriffen genannt wurden. Das Heim auf der Hohen Warte kam demnach auf 35 Nennungen, jenes in Eggenburg auf 31, Hütteldorf auf 29, das Heim auf dem Wilhelminenberg auf 26. Die Häuser in Biedermannsdorf und das Julius-Tandler-Heim wurden jeweils 22-mal genannt.

Historikerkommission prüft Umstände

Die Vorfälle, um die es jetzt geht, liegen viele Jahre zurück. Seit der städtischen Heimreform im Jahr 2000 gibt es in Wien keine Großheime mehr. Kinder werden in Wohngemeinschaften oder auch in Krisenzentren untergebracht.

Mehr zum Thema:

Schutz für ranghohe Geistliche? (wien.ORF.at; 27.9.2011)

Mit den Vorkommnissen in städtischen Heimen und Privateinrichtungen unter städtischer Aufsichtspflicht beschäftigt sich zurzeit auch eine Historikerkommission. Diese soll Erziehungskonzepte, Organisationsstrukturen und alltägliche Praktiken bis zum Jahr 2000 analysieren, die Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen ermöglicht haben. Die Ergebnisse werden 2012 erwartet.

Link: