Streit um E-Medikamentation flammt wieder auf

Der Streit zwischen Wiener Ärztekammer und Hauptverband der Sozialversicherungsträger über das Pilotprojekt E-Medikamentation hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Grenze des Erträglichen sei überschritten worden, heißt es nun.

Die Wiener Ärzte haben in den vergangenen Tagen von beiden Seiten Post bekommen. Die Wiener Ärztekammer informierte über die Gründe für ihre Ablehnung des Projekts. Der Hauptverband versuchte, diese Argumente zu entkräften.

Die Ärztekammer verwies auf das rechtswidrige Zustandekommen des Projekts. Viel schwerwiegender sei jedoch der „Eingriff in unsere Verschreibungsfreiheit und somit in unsere Prozesshoheit in der Ordination“. Die Krankenkassen würden wie „Big Brother“ die Ärzte per E-Medikamentation ständig beobachten können. Der Hauptverband wiederum wies in seinem Brief an die Ärzte Behauptungen wie „elektronisch über die Schulter schauen“ als „schlichtweg falsch“ zurück.

Kostenfrage noch nicht entschieden

Die Ärztekammer warnte auch vor einer „Kostenfalle“. Künftige Kosten der E-Medikamentation würden bewusst verschwiegen. Den Ärzten drohten bis zu 1.000 Euro Anschaffungskosten und laufende Kosten. Der Hauptverband betonte, dass die Frage der Finanzierung im Falle einer bundesweiten Einführung auf politischer Ebene zu klären sein werde. „Wie hoch die Kosten sind, wird von der endgültigen technischen Lösung abhängen.“

Als dritten Kritikpunkt sieht die Wiener Ärztekammer die Rechtssicherheit weiterhin nicht als gegeben an. Der Hauptverband weist darauf hin, dass hier die Wiener Ärztekammer sogar anderer Meinung als die Österreichische Ärztekammer sei. Die Wiener Ärztekammer zeichne mit ihrem jüngsten Brief ein Bild der E-Medikamentation, „das sich so weit von der Realität entfernt hat, dass die Grenze des Erträglichen überschritten wurde“.

Das ist E-Medikamentation

Statistisch gesehen nimmt jeder Mensch ab dem 60. Lebensjahr im Durchschnitt drei rezeptpflichtige und fast ebenso viele nicht rezeptpflichtige Medikamente ein. Jeder Dritte zwischen 75 und 85 Jahren bekommt sogar mehr als acht Arzneimittel verordnet. Die Risiken einer solchen Polymedikation sind nicht unerheblich. Mit steigender Zahl der Medikamente nimmt die Möglichkeit von Doppelverschreibungen, Wechselwirkungen, unerwünschten Arzneimittelwirkungen und Fehldosierungen zu.

Nicht selten sind solche Medikationsfehler sogar Ursache für eine Krankenhausaufnahme. Zu einer wesentlichen Verbesserung dieser Situation und damit zu einer Erhöhung der Patientensicherheit soll das Projekt E-Medikation beitragen. Es bedeutet, dass sämtliche von einer Person eingenommenen Medikamente elektronisch in einer zentralen Datenbank - natürlich auf der Grundlage des Datenschutzes - gespeichert werden und von Ärzten, Apothekern und Krankenhäusern abgerufen werden können.

Interesse bleibt hinter Erwartungen zurück

Das Pilotprojekt zur E-Medikamentation soll noch bis Ende des Jahres laufen. Das Interesse in den drei Testregionen in Wien, Tirol und Oberösterreich liegt allerdings weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Mehr dazu in wien.ORF.at.

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