Vergewaltigungen im Kinderheim?

Zwei ehemalige Zöglinge des 1977 geschlossenen Kinderheimes im Schloss Wilhelminenberg erheben nun heftige Vorwürfe gegen die Erzieher der Anstalt. Demnach gab es in dem Heim Serienvergewaltigungen, bei denen sogar Geld geflossen sein könnte.

Es könnte eine neue Dimension in der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in Wiener Heimen werden: Eva L. und ihre Schwester, die nun gegenüber der ZIB und dem „Kurier“ (Sonntag-Ausgabe) über ihre Zeit im Heim berichten, kamen vor etwa 40 Jahren als Sechs- bzw. Achtjährige auf Schloss Wilhelminenberg. Sie berichteten von Vergewaltigungen durch mehrere Männer. „Es waren mehrere Männer und mehrere Mädchen. Im Zimmer waren 20 Mädchen. Da ist jede drangekommen“, schilderte eine der Frauen.

„Manchmal täglich“

Die Vergewaltigungen habe es „manchmal täglich“ gegeben, „und dann war ein, zwei Wochen Ruhe“. An den Übergriffen sollen sich auch mehrfach die Erzieher beteiligt haben, welche für die ebenfalls im Heim untergebrachten Buben zuständig waren.

Die beiden Frauen vermuten, dass im Zusammenhang mit den Vergewaltigungen auch Geld an die Erzieherinnen geflossen sein könnte. „Im Nachhinein kommt es mir so vor, dass jemand für uns bezahlt wurde. Weil sie uns immer zurechtgemacht haben. Wir mussten Strumpfbandgürtel anziehen und durften uns nicht die Haare schneiden lassen“, wurde eine der Heiminsassinnen im „Kurier“ zitiert.

Immer wieder schwere Verletzungen

Wiederholt habe der Rettungswagen kommen müssen, weil Mädchen so schwer verletzt worden seien, dass sie ins Spital mussten. Manche seien nie wieder zurückgekehrt. In jenen Nächten, in denen es zu Vergewaltigungen kam, sei offensichtlich die sonst übliche Nachtaufsicht nicht anwesend gewesen: „Sie müssten uns schreien gehört haben“, so Eva L. - eines der beiden Opfer, die nun an die Öffentlichkeit gingen, gegenüber der ZIB.

Der Verdacht der Kinderprostitution sei auch bei der Opferschutzorganisation „Weisser Ring“ ähnlich gesehen worden, sagten die beiden Frauen. „Ja, vom ‚Weissen Ring‘ sind wir heuer zu einer Anwältin geschickt worden. Ich habe ihr erzählt, was passiert ist. Und sie hat gesagt: ‚Ja, eindeutig, ich weiß, ihr seid verkauft worden.‘“

Die inkriminierten Vorgänge spielten sich laut ZIB Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre ab. Sie sind laut „Kurier“ bereits verjährt.

Anwalt fordert höhere Entschädigung

Von der Stadt Wien erhielten die Opfer bisher laut Angaben eines Anwalts 35.000 Euro. Das werde dem Leiden jedoch „in keiner Art und Weise gerecht“ und es würde der Stadt „gut anstehen“, eine „angemessene Entschädigung“ zu zahlen. Die Stadt wollte gegenüber der ZIB zum konkreten Fall keine Stellung nehmen. Sie verwies darauf, dass Missbrauchsopfern rasch und unbürokratisch geholfen werde.

Kommission soll Geschichte aufarbeiten

Der SPÖ-Gemeinderat Heinz Vettermann kündigte Samstagabend in einer Aussendung an, dass eine unabhängige Historikerkommission die Geschehnisse prüfen soll. „Die Stadt Wien ist um eine lückenlose Aufklärung der Geschehnisse in Wiener Städtischen Heimen bemüht“, so Vettermann. Bereits im Herbst 2010 - als ähnliche Vorwürfe in Bezug auf ein anderes städtisches Heim bekanntwurden - sei die Kommission zur Aufarbeitung von Gewalt in städtischen Kinderheimen unter der Leitung des Wiener Zeithistorikers Reinhard Sieder eingerichtet worden. Diese soll nun auch die neuen Vorwürfe untersuchen.

Die Forschungsergebnisse werden laut der Stadtregierung im Frühjahr 2012 vorliegen. „Alle strafrelevanten Erkenntnisse, die zutage treten, werden umgehend an die Staatsanwaltschaft übermittelt, wie auch im konkreten Fall der beiden betroffen Frauen im Heim Wilhelminenberg“, so Vettermann. Der Politiker und Vorsitzende des Vereins Wiener Jugendzentren spricht sich für Entschädigungszahlungen an die Opfer aus. „Es ist schwierig, das Erlittene in Zahlen umzumünzen, dennoch sind die finanziellen Zuwendungen ein Zeichen für die Anerkennung des Opferstatus’.“ Zuvor hatte auch FPÖ-Chef Heinz Christian Strache eine „umfassende Aufklärung“ gefordert.

Links: