Kommission vor dem Start

Jene Kommission, die die Missbrauchsvorwürfe im Kinderheim am Wilhelminenberg prüft, soll Ende der Woche stehen. Stadtrat Oxonitsch (SPÖ) sprach von einer „neuen Dimension der Anschuldigungen“, verteidigte aber die Stadt.

Bei den Leitern der Kommission wird es sich um Juristen, also etwa ehemalige Richter oder Staatsanwälte handeln. Das neue Gremium soll die jüngst erhobenen massiven Vorwürfe untersuchen. Zwei Schwestern gaben an, dass es in dem Heim in den 1970er Jahren zu Serienvergewaltigungen und Fällen von Kinderprostitution gekommen ist.

Dass es sexuelle Übergriffe und körperliche Misshandlungen in den - inzwischen nicht mehr existierenden - Wiener Großheimen gegeben hat, ist unterdessen schon länger bekannt. Dafür wurde zuletzt bereits eine Historikerkommission eingerichtet. An einer noch genaueren Aufarbeitung der Missbrauchsfälle führe aber aufgrund der „neuen Dimension der Vorwürfe“ kein Weg vorbei, so Stadtrat Christian Oxonitsch: „Das ist unangenehm und schmerzvoll, aber es ist notwendig.“

Wien heute-Interview mit Stadtrat Oxonitsch

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Letzten Heime erst 2000 zugesperrt

Oxonitsch wies aber Kritik, wonach die Stadt einst zu langsam reagiert habe, zurück. Es sei schon in den 1970er Jahren klar geworden, dass die Struktur der Großheime überholt ist. Das habe letztendlich zur Schließung der großen Heime geführt.

Ausschlaggebend sei hier etwa der damals publizierte Bericht („Verwaltete Kinder“) der früheren SPÖ-Nationalratsabgeordneten Irmtraut Karlsson gewesen - auf den der die Tageszeitung „Der Standard“ am Mittwoch verwiesen hatte. Karlsson hat darin unter anderem von „Kindergefängnissen“ gesprochen.

Archivvideo aus Kinderheim am Wilhelminenberg

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„Die Zustände damals waren schlimm“, zeigte sich Oxonitsch überzeugt. Die sofortige Schließung aller Heime sei jedoch nicht möglich gewesen, auch aus organisatorischen Gründen. In Wien wurden - nach einer Reihe von Reformen - die letzten derartigen Einrichtungen erst im Jahr 2000 zugesperrt. Seither werden Kinder in Wohngesellschaften oder bei Pflegeeltern betreut.

Verwirrung über möglichen Todesfall

Verwirrung gibt es um den jüngst kolportierten Todesfall in dem Heim. Bei der Staatsanwaltschaft Wien war und ist im Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen das 1977 aufgelassene Kinderheim im Schloss Wilhelminenberg kein Verfahren wegen Mordverdachts anhängig. „Es gibt kein Opfer“, so Behördensprecher Thomas Vecsey. Opferanwalt Johannes Öhlböck hatte am Dienstag in einer Pressekonferenz von möglichen Todesfällen berichtet - mehr dazu in wien.ORF.at.

Mittlerweile kristallisierte sich aber heraus, dass viele der Vorwürfe auch in ihrer Dimension den Behörden schon seit geraumer Zeit bekannt sind. Die Gemeinde Wien hat der Staatsanwaltschaft Wien bereits am 17. August 2010 zur strafrechtlichen Prüfung ein Konvolut mit 72 Fällen weitergeleitet, wobei darin auch Schicksale von früheren Zöglingen in anderen Einrichtungen der Gemeinde Wien dokumentiert sind. Die Anklagebehörde prüfte die Schilderungen der seinerzeit misshandelten Kinder, dürfte den Großteil mittlerweile wegen Verjährung eingestellt haben.

Sonderausschuss im Rathaus

Im Wiener Rathaus wird jedenfalls kommende Woche auch ein Sonderausschuss zu dem Thema stattfinden. Dort sollen die anderen Parteien über den Stand der Dinge informiert werden, kündigte Oxonitsch an. Auch Fragen an die Wilhelminenberg-Kommission sollen dort formuliert werden.

Opfer mehrmals abgewiesen?

Nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe melden sich unterdessen laufend neue Betroffene. Eine Frau sagte gegenüber der ORF-Sendung „Wien heute“ und dem „Kurier“, dass sie sich seit Jahrzehnten immer wieder ans Jugendamt gewandt habe, passiert sei nichts.

Opfer

ORF

Opfer erhebt schwere Vorwürfe

Die heute 69-jährige Frau verbrachte fünf Jahre von 1948 bis 1953 in dem Heim. „Die haben mich als Lügnerin hingestellt. Als blöde Frau, die fantasiert“, zitierte der „Kurier“ die Frau. In den 1970er und 1980er-Jahren sei sie auch im Rathaus gewesen, um ihre schrecklichen Erinnerungen an die Heimzeit auf einem Amt zu dokumentieren. „Die haben mich einfach rausgeschmissen. Mir hat keiner zugehört“, so der Vorwurf der Frau - mehr dazu in wien.ORF.at.