Barbara Helige leitet Kommission

Die Präsidentin der Liga für Menschenrechte, Barbara Helige, wird der Kommission zur Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe im ehemaligen Kinderheim auf dem Wilhelminenberg vorstehen. Das hat die Stadt am Freitag bekanntgegeben.

„Wir wollen der Sache auf den Grund gehen und wir wollen die Verantwortlichen finden“, sagte Helige. Es solle ein „Gesamtbild“ geschaffen werden. Helige geht davon aus, dass sich die Kommission bei ihrer Arbeit auf das Schloss Wilhelminenberg konzentriert: „Was mir sinnvoll erscheint.“ Es gelte zu schauen, was passiert sei, betonte die Neo-Vorsitzende.

Die restlichen Kommissions-Mitglieder stünden noch nicht fest, Helige erwartet sich eine Größenordnung von vier bis Experten aus verschiedenen Bereichen und eine erste konstituierende Sitzung Ende November. Einen Zeithorizont bis zur Publikation der Fakten und Erkenntnisse wollte sie noch nicht nennen. Als Untersuchungszeitraum sprach sich Helige für den gesamten Zeitraum der Vorwürfe - also von 1948 bis in die 1970er Jahre aus. Hilfe erwarte sie sich diesbezüglich auch von der Historikerkommission, die bereits tätig sei.

Barbara Helige und Stadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ)

APA/Georg Hochmuth

Barbara Helige und Stadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ)

„Nachdenken“ über genaue Arbeitswise

Noch „nachdenken“ müsse Helige über die genaue Arbeitsweise des Gremiums. Man werde mit jeder Art von Zeitzeugen sprechen. Ob auch mit Opfern gesprochen wird, ist noch offen. Weiters müssten die vorhandenen Akten aufgearbeitet werden. Die ehemalige Richterin will es aber „ganz bewusst“ nicht auf das Strafrecht reduzieren: „Unsere Aufgabe ist eine andere als die der Staatsanwaltschaft.“ Es gehe zusätzlich darum, das ganze System zu untersuchen. Erkenntnisse über strafrechtliche Belange werden aber an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Helige betonte, dass es mehrere Voraussetzungen für ihre Mitarbeit gegeben habe: Die Kommission müsse unabhängig arbeiten können. „Das ist für mich von entscheidender Bedeutung“, unterstrich sie. Überdies forderte sie auch freie Hand bei der Zusammensetzung des Gremiums. Helige sprach sich dafür aus, das Ergebnis der Kommission in „geeigneter Form“ zu publizieren. Über die Zusammenarbeit mit der Stadt zeigte sie sich zufrieden: „Ich habe den Eindruck, vollkommen freie Hand zu haben.“

„Weißer Ring“ bleibt Anlaufstelle für Betroffene

Das Gremium unter der Leitung von Helige soll die jüngst erhobenen massiven Vorwürfe untersuchen. Zwei Schwestern gaben an, dass es in dem Heim in den 1970er Jahren zu Serienvergewaltigungen und Fällen von Kinderprostitution gekommen ist. Seitdem meldeten sich unzählige Personen bei der Organisation „Weißer Ring“, die mögliche Entschädigungszahlungen prüft - mehr dazu in wien.ORF.at.

Die neu eingerichtete Kommission wird laut Stadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ) die volle Unterstützung der Stadt und Einsicht in alle Akten erhalten. Ob diese allerdings noch vollständig vorhanden sind, konnte Oxonitsch nicht garantieren. Oxonitsch wies bei der Präsentation darauf hin, dass in Sachen Hilfeleistungen weiterhin der Verein „Weißer Ring“ die zentrale Anlaufstelle für die Betroffenen sei. „Ich würde es für schlimm erachten, wenn die Opfer im Kreis geschickt werden“, unterstrich er.

Dass es sexuelle Übergriffe und körperliche Misshandlungen in den - inzwischen nicht mehr existierenden - Wiener Großheimen gegeben hat, war schon länger bekannt. Dafür wurde vor mehr als einem Jahr bereits eine Historikerkommission von der Stadt eingerichtet.

Jusstudium in vier Jahren absolviert

Helige wurde am 27. Jänner 1958 in Wien geboren. Das Jusstudium absolvierte sie - mit verschiedenen Studentenjobs daneben - in vier Jahren (1976 bis 1980). 1981 begann sie als Rechtspraktikantin ihre Laufbahn in der Justiz. Eigentlich hatte sie Rechtsanwältin werden wollen. Von diesem Wunsch kam sie aber ab, weil „mir die richterliche Funktion interessanter erschien und auch meinem Wesen eher entspricht“.

Bereits als Richteramtsanwärterin (ab 1982) war sie in der Richtervereinigung engagiert. Als Sprecherin der Richteramtsanwärter saß sie 1983 bis 1984 im Vorstand. Am 1. September 1985 wurde Helige zur Richterin an den Bezirksgerichten Döbling und Bruck an der Leitha ernannt, ab 1. Jänner 1987 nur mehr in Döbling. Seit 1992 ist sie Vorsitzende der Bundessektion Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst. Gleichzeitig wurde sie auch Vizepräsidentin der Richtervereinigung.

Erste Frau an Spitze der Richtervereinigung

1998 wurde sie als erste Frau zur Präsidentin der Richtervereinigung gewählt. Ihre Amtszeit war vom Kampf gegen Sparmaßnehmen unter ständigem Pochen auf die richterliche Unabhängigkeit geprägt. Besonders erbitterte Auseinandersetzungen gab es mit Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) in den Jahren 2000 bis 2004. Die Funktion übte sie bis Ende 2007 aus, ehe sie zur Präsidentin der Liga für Menschenrechte ernannt wurde.