Missbrauch: Volkshilfe unter Beschuss

Trotz Missbrauchsvorwürfen hat ein Kinderheim der Volkshilfe Wien einen Erzieher nicht entlassen, sondern sich einvernehmlich getrennt. So konnte er in einem anderen Heim arbeiten. Kritiker sehen darin eine fragwürdige Vorgangsweise.

Volkshilfe-Kinderwohnheim Pitten

ORF

Neue Missbrauchsvorwürfe in Kinderheim

Wenn die schlimmsten Befürchtungen eintreten, könnte der Erzieher von den 1980er Jahren bis 2011 immer wieder Buben missbraucht und zu sexuellen Gefälligkeiten animiert haben. Doch die Vorwürfe wurden erst nach und nach bekannt.

2010 wurden zwei kleine Buben im Kinderheim Pitten bei eindeutigen sexuellen Handlungen miteinander erwischt. Angeblich sollen sie gesagt haben, sie hätten so etwas auf Videos des Erziehers gesehen. Kolleginnen vermuteten damals außerdem länger zurückliegende Missbrauchsfälle. Doch der 48-Jährige stritt damals alles ab. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt stellte die Ermittlungen wegen angeblicher Verjährung rasch ein.

Volkshilfe verteidigt Entscheidung

Parallel dazu erfolgte die einvernehmliche Kündigung des Erziehers durch den Heimbetreiber Volkshilfe inklusive einer Abfertigung. Volkshilfe-Sprecherin Christine Penz verteidigte gegenüber Ö1 dieses Vorgehen, da der Mann nicht verurteilt - also unbescholten - gewesen sei. An oberster Stelle sei die Bestrebung gestanden, dass das Dienstverhältnis sofort aufgelöst werde, deshalb habe es keine andere Möglichkeit als eine einvernehmliche Kündigung gegeben.

Die Leiterin der Arbeitsrechtsabteilung der Arbeiterkammer Wien (AK), Irene Holzbauer, sieht das aber anders. Man hätte den Erzieher auch bis zur endgültigen Klärung aller Vorwürfe suspendieren oder kündigen können: „Wenn es Verdachtselemente gibt, dann kann unabhängig von der noch Strafbarkeit eines Verhaltens, eine Entlassung ausgesprochen werden.“ Freilich hätte die Volkshilfe damit einen arbeitsrechtlichen Prozess riskiert und damit höhere Kosten.

Im Burgenland wieder in Kinderheim gearbeitet

Der mutmaßliche Pädophile wechselte jedenfalls nach seiner einvernehmlichen Kündigung von Niederösterreich ins Burgenland und heuerte dort bei einem Kinderdorf an. Als Gerüchte darüber bekanntwurden, wagte es zuerst niemand, das Kinderdorf direkt zu warnen. Schließlich gab es aber doch eine Warnung an das Landeskriminalamt Burgenland.

Als es Ermittlungen aufnahm, trennte sich das Kinderdorf von dem Verdächtigen. Mittlerweile soll es auch Aussagen der beiden Buben geben, wonach sie in jüngerer Zeit sexuell missbraucht worden seien. Dem Vernehmen nach hoffen Behörden und die Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft, dass sich mögliche weitere Opfer melden. Der 48-jährige Erzieher sei mittlerweile „teilweise geständig“. Er befinde sich auf freiem Fuß, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt - mehr dazu in Pitten: Neuer Verdachtsfall von Kindesmissbrauch aufgetaucht.

Causa Wilhelminenberg wird untersucht

Zuletzt sorgten die Missbrauchsvorwürfe im ehemaligen Kinderheim am Wilhelminenberg für Schlagzeilen. Zuletzt konstituiert sich die Kommission Schloss Wilhelminenberg unter dem Vorsitz der Richterin Barbara Helige. Die Untersuchungen zu den Missbrauchsvorwürfen in dem Kinderheim werden frühestens Ende 2012 abgeschlossen - mehr dazu in Missbrauch: Ergebnisse bis Ende 2012.