Frau abgewiesen: Streit geht weiter

Im Fall der Schwangeren, die am AKH nicht aufgenommen wurde und ihr Kind verlor, sei es „zu keinem medizinischen Fehlverhalten“ gekommen. Das ist das Fazit eines neuen Gutachtens. Der Patientenanwalt zeigte sich skeptisch.

MedUni-Wien-Rektor Wolfgang Schütz am 9. Februar 2012 bei einer Pressekonferenz im AKH

APA/Herbert Neubauer

MedUni-Rektor Wolfgang Schütz verteidigte das AKH

Das Gutachten stammt von Klaus Friese, dem Präsidenten der deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Demnach gebe es gegen eine Fehlgeburt bis in die 24. Schwangerschaftswoche keine Behandlung außer Schonung. „Er spricht dabei nicht nur vom AKH, sondern ausdrücklich von allen drei Spitälern, die die Frau aufgesucht hat - also in chronologischer Abfolge Göttlicher Heiland, AKH und Rudolfstiftung“, zitierte MedUni-Rektor Wolfgang Schütz in einer Pressekonferenz aus dem Gutachten.

Gutachten: „Richtige Entscheidung getroffen“

„Man kann an keiner Stelle ein Fehlverhalten der Ärzte oder der Krankenhäuser sehen. Wenn eine starke Blutung vorhanden ist, wird überall aufgrund der Gefährdung der Mutter, nicht um in jedem Fall die Rettung der Frühschwangerschaft zu schaffen, die stationäre Aufnahme erfolgen. Dies ist aber in drei Krankenhäusern nicht der Fall gewesen, so dass ich denke, bei unterschiedlichen Ärzten und mit unterschiedlichen Kompetenzen, dass alle die richtige Entscheidung getroffen haben“, heißt es in dem Gutachten.

„Die Medizin ist leider nicht so gut, wie wir sie gerne hätten gegen Fehlgeburten. Bis in die 19. Schwangerschaftswoche gibt es überhaupt keine Strategie. Ich verstehe schon, dass das für Nichtmediziner zu akzeptieren und zu verstehen schwierig ist“, sagte Peter Husslein, Vorstand der Universitätsfrauenklinik.

MedUni-Wien-Rektor Wolfgang Schütz und der Chef der Universitäts-Frauenklinik, Peter Husslein im AKH

APA/Herbert Neubauer

Wolfgang Schütz und Peter Husslein sehen kein medizinisches Fehlverhalten

Husslein: „Psychologischer Fehler“

Dass die Frau nicht untersucht worden war, bezeichnete Husslein dennoch als Fehler - die Frau sei aber zuvor im Krankenhaus Göttlicher Heiland untersucht worden. „Sie war dort anlässlich der Untersuchung wegen ihrer Blutungen zur Kontrolle am folgenden Tag bestellt und bereits für eine Anmeldung zur Geburt vorgemerkt worden“, unterstrich Husslein.

„Als sie sich bei uns zur Geburt anmelden wollte, war ihre Schwangerschaft nicht als Risikoschwangerschaft einzustufen und wurde deshalb - wie sonst bei uns auch - abgelehnt. Blutungen sind gerade in der frühen Phase ein gängiges Phänomen bei Schwangerschaft“, so Husslein. Psychologisch sei man nicht richtig vorgegangen. Die Intensität der Vorwürfe gegen die behandelnde Oberärztin sei aber überzogen, so Husslein.

Diskussionen nach Prüfbericht der MA 40

Ein Prüfbericht der MA 40 hatte dem AKH Fehler vorgeworfen, vor allem bei der Kommunikation mit der Schwangeren - mehr dazu in Bericht: „Gravierende Fehler im AKH“. Sowohl Schütz als auch Husslein können laut ihren eigenen Angaben nicht verstehen, warum die Leiterin der MA 40 mit Hinweis auf einen den Betroffenen noch nicht zugänglich gemachten Prüfbericht von „gravierenden Fehlern“ am AKH bzw. der Universitätsklinik sprechen hätte können. Schütz: „Wir haben von der MA 40 keinerlei Informationen, wie sie dazu gekommen ist.“

TV-Hinweis

Peter Husslein ist am Donnerstag zu Gast in Wien heute, 19.00 Uhr, ORF2.

Husslein betonte, ihm sei nicht erkennbar, dass die Versorgung an der Wiener Rudolfstiftung „mehr als vorbildlich“ abgelaufen sei, wenn man dort die Patientin ganz ohne Arztkontakt nach Hause geschickt hätte und es für den Erstkontakt überhaupt keine Dokumentation gebe. Der Gynäkologie auf die Frage, ob dies (kommunal)politische Hintergründe haben könnte: „Ja, ich kann mich des Gefühls nicht erwehren.“ Der Chef des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV), Wilhelm Marhold, wisse „ganz genau“ in derartigen Dingen Bescheid. „Er ist Gynäkologe.“

Rektor Wolfgang Schütz hatte nach dem Prüfbericht der MA 40 das ausländische Gutachten angekündigt - mehr dazu in MedUni-Rektor kritisiert Prüfbericht.

Marhold sieht sich bestätigt

Marhold hat sich in seiner ursprünglichen Kritik, dass die Frühschwangere im AKH nicht untersucht wurde, bestätigt gefühlt. Husslein habe offenbar eingesehen, dass die Frau untersucht hätte werden müssen. Hussleins Kritik an der Rudolfstiftung sei allerdings zurückzuweisen, sagte Marhold im APA-Gespräch.

Er habe von Anfang an darauf hingewiesen, dass man die Patientin untersuchen hätte müssen, so der KAV-Chef. Schließlich gebe es für alle Wiener Krankenanstalten die Weisung, dass jeder hilfesuchende Patient zu administrieren sei, von einem dazu qualifizierten Arzt untersucht und - wenn notwendig - aufgenommen werden müsse, betonte Marhold. Insofern sei es „medizinisch, rechtlich und humanitär nicht haltbar“ gewesen, die betreffende Frau nicht zu untersuchen.

Kein Kommentar zu Gutachten

Nicht nachvollziehen konnte Marhold Hussleins Kritik, wonach die Frau auch in der Rudolfstiftung - das Spital gehört zum KAV - zuerst ohne Untersuchung bzw. ohne Arztkontakt nach Hause geschickt worden sei. Es gebe seitens der Rudolfstiftung eine umfangreiche Dokumentation, die belege, dass die Frau in diesem Fall sich für eine reguläre Geburt anmelden wollte. „Sie hat kein Wort über die Blutungen verloren“, versicherte Marhold: „Hussleins Vorwurf geht ins Leere.“

Nicht kommentieren wollte der KAV-Direktor jenes deutsche Gutachten, dass Husslein und MedUni-Rektor Schütz Dommerstagvormittag präsentierten. Der Expertise zufolge war im betreffenden Fall kein medizinischer Fehler passiert. Das Gutachten bzw. die medizinische Frage sei nicht sein Thema, so Marhold. Ihm gehe es darum, sicherzustellen, dass jeder Wiener im Bedarfsfall untersucht werde.

Skepsis beim Wiener Patientenanwalt

Der Wiener Patientenanwalt, Konrad Brustbauer, sieht das deutsche Gutachten skeptisch. Er hege Zweifel, dass das Gutachten „auf einer ausreichenden Befundlage“ beruhe, sagte Brustbauer der APA. Schließlich gebe es seitens des AKH keinen Befund, da die Frau ja nicht untersucht wurde.

Zudem dürfe die Rudolfstiftung, welche die junge Frau schließlich aufgenommen hatte, ihren Befund aus rechtlichen Gründen nicht weitergeben. Man müsse sich also fragen, auf welchen Daten die Expertise beruhe. Von einem „Gefälligkeitsgutachten“ für das AKH wollte Brustbauer aber nicht sprechen.

Der Patientenanwalt kündigte an, das betreffende Gutachten in die Prüfung auf möglichen Schadenersatz einzubeziehen: „Wir werden das anfordern.“ In den nächsten Tagen sollten zudem die Unterlagen der Rudolfstifung und des Ordensspitals Göttlicher Heiland eintreffen. Die Patientenanwaltschaft will der Frage nachgehen, ob durch eine Aufnahme der Patientin ihr Kind gerettet hätte werden können und je nach Ergebnis, das in einigen Wochen vorliegen soll, Schadenersatz einfordern.

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