Dichter Christian Ide Hintze verstorben

Der Dichter und Aktionslyriker Christian Ide Hintze ist im Alter von 58 Jahren überraschend verstorben. Der Wiener hatte 1992 die Schule für Dichtung initiiert, an der Autoren wie H. C. Artmann, Nick Cave und Gerhard Rühm unterrichteten.

Die genaue Todesursache und das exakte Todesdatum sind derzeit noch unbekannt, hieß es aus der Schule für Dichtung. Hintze war an der von ihm gegründeten Schule als Direktor tätig. Der überzeugte Verfechter der Kleinschreibung betrieb „Sprachpolitik“ und war als Autor von Aktionen, Installationen und Songs, von Audio-, Video- und Performancegedichten, von Zettel-, Plakat- und Buchtexten tätig.

Roland Neuwirth, Marlene Streeruwitz,  Rudolf Muhr und Christian Ide Hintze bei einer Pressekonferenz 2004

APA/Barbara Gindl

Christian Ide Hintze (rechts) bei einer Pressekonferenz mit Roland Neuwirth, Marlene Streeruwitz und Rudolf Muhr im Jahr 2004

Straßensänger und Teilnehmer der Arena-Besetzung

Geboren wurde Hintze am 26. Dezember 1953 in Wien, wuchs allerdings in Salzburg und bei Graz auf, bevor er in Wien seine Matura absolvierte. Es folgten Jahre als Straßensänger in ganz Europa, darauf ein Studium der Theaterwissenschaft. Er beteiligte sich an der Arena-Besetzung ebenso wie an anderen Aktionsformen im öffentlichen Raum. 1979 realisierte er den Kinofilm „Zetteldämmerung“ und erlangte sukzessive mit seinen Werken der „expanded poetry“ Aufmerksamkeit.

Seinen Poesiebegriff sah er „geprägt von den Spannungsfeldern analog/digital und eigene Sprache / fremde Sprache“ - seine Gedichte siedelte er in sieben Kategorien an - von „akustisch“ über „performativ“ bis zu „instruktiv“. Mit einem Gedichtband wie „Die goldene Flut“ oder dem interaktiven „E1. Kartenspiel für ein verstreutes Publikum“ sicherte er sich einen exquisiten, exotischen Ruf im deutschsprachigen Feuilleton.

Auf die Idee für seine Dichtkunstschule kam Hintze 1990, als er auf Einladung von Allen Ginsberg die „Jack Kerouac School of Disembodied Poetics“ besuchte. Nachdem er 1992 in Wien sein eigenes Institut begründet hatte, gewann er Dichter wie H. C. Artmann, Wolfgang Bauer und Gerhard Rühm, aber auch Popliteraten wie Blixa Bargeld, Nick Cave und Falco als Lehrkräfte. Oft äußerte sich Hintze in sprachpolitischen Fragen - und propagierte neben der Kleinschreibung etwa eine österreichische Rechtschreibung.

Konflikte mit Behörden als „Dichter der Straße“

Konfrontation scheute er auch bei seinen Aktionen nicht. In den 70er Jahren sorgte er mit seiner Arbeit als „Dichter der Straße“ für behördliche Konflikte und erhielt laut eigenen Angaben Anzeigen wegen „Behinderung des Fußgeherverkehrs“, „Störung der öffentlichen Ordnung“ und „Verunreinigung von öffentlichen Gebäuden“.

Von der Volkspolizei Ostberlin wurde er 1976 wegen des unerlaubten Verbreitens von Flugschriften verhaftet, in Stuttgart aus demselben Grund der Buchmesse verwiesen. Weil er das Burgtheater beklebte, wurde er in der Heimat Wien wegen Sachbeschädigung verurteilt.

Auf seiner Homepage versammelte Christian Ide Hintze auch Zitate über sich selbst. „Die Texte des Delinquenten sind Obszönitäten und Wortspiele. Es besteht kein Bedarf nach derartigen Texten in der DDR“, wird da ein Polizeioffizier zitiert. Ein anderes stammt von Erich Fried: „Hintze wird in Österreich, wenn überhaupt, nur als Ärgernis bemerkt.“ Und ein drittes - von Peter Henisch: „Entweder ist das ein besonders sturer oder ein besonders konsequenter Mensch. Entweder ein Besessener oder ein Idiot, aber womöglich einer von der Sorte des reinen Toren Myschkin.“

Trauer um „innovativen Sprachkünstler“

Der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) würdigte Hintze als „eloquenten Vertreter der arrivierten, österreichischen Avantgardeliteratur“: „Mit ihm verliert die Kulturstadt Wien einen Poeten von enormer Sprachkraft und eine Persönlichkeit, für die der Beruf die Berufung war.“

Als „innovativen Sprachkünstler“ würdigte Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) den Verstorbenen: „Er setzte sich stets dafür ein, die Dichtkunst in die Moderne überzuführen.“

IG AutorInnen: Verneigung vor großem Lebenswerk

Die IG AutorInnen würdigte in einer Aussendung den Einsatz von Christian Ide Hintze für die Rechte der Autoren. Hintze habe „sich auf nichts eingelassen, dem er sich nicht ausgesetzt hat, in seinen Anfängen als Straßendichter und später als Teil all dessen, das er organisiert hat, an der Seite der von ihm verehrten und zu den Vorlesungen an der Schule für Dichtung eingeladenen Dichterinnen und Dichter“.

„Vielleicht ist bei all seinen Aktivitäten sein Werk immer ein wenig zu kurz gekommen, wahrscheinlich aber nicht, weil er so wie von allem Anfang an als Straßendichter den Prozess der künstlerischen Arbeit immer dem fertigen Werk vorgezogen hat“, schrieb Gerhard Ruiss für die IG. Christian Ide Hintze „hinterlässt mehr als ‚nur‘ ein schriftstellerisches Werk, er hinterlässt mit der Schule für Dichtung eine Einrichtung und Initiativen und Aktionen, die in ihrer Art einzigartig waren. Wir verneigen uns vor einem großen Lebenswerk“.

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