Langer Applaus für Ibsens „Gespenster“
Im Haus der Witwe Helene Alving (Kirsten Dene) ist es ziemlich trostlos. Ihr vor zehn Jahren verstorbener Ehemann hat ihr Leben ebenso zerstört wie Pastor Manders (Martin Schwab), den sie eigentlich geliebt hätte, der sich aber als bigotter Kirchenmann in stolzer Unfehlbarkeit suhlt.
Alvings Dienstmädchen und Ziehtochter Regine (Liliane Amuat) träumt von einem Leben in Paris, läuft aber Gefahr, stattdessen in der Seemannsbar ihres versoffenen Vaters (Johannes Krisch) als Prostituierte zu landen. Alvings Sohn Osvald (Markus Meyer), ein Künstler ist gerade aus Rom und Paris zurückgekehrt, weil ihm die Ärzte eine tödliche Diagnose gestellt haben: Er leidet an Syphilis.
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Einstürzende Altbauten, reinigender Regen
Als Osvald seiner Mutter von seinen Plänen, Regine heiraten zu wollen, erzählt, beginnt das Kartenhaus einzustürzen. Familiengeheimnisse von Betrug bis Inzest prasseln auf die Bühne und münden schließlich im Versuch eines Befreiungsschlages gegen den verstorbenen Vater.
Diesen inszeniert Bösch, der den ersten Teil der „Gespenster“ eher als konservatives Konversationsdrama zeigt mit dramatischer Wucht. Das Porträt des Vaters fällt, Osvald darf die Büste seines Erzeugers und Zerstörers zu den Klängen von „Father and Son“ mit einem Vorschlaghammer zertrümmern und kathartischer Regen spült die Lügen effektvoll weg. Doch auch wenn die Tatsachen auf dem Tisch liegen - die Konsequenzen aus den Verfehlungen und dem bis dato Verschwiegenen lassen sich nicht so einfach wegwaschen.
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Statt in einem bürgerlichen Gartensalon lässt Bühnenbildner Patrick Bannwart das Drama in einem gruselig anmutenden Geisterhaus spielen. Das Zimmer ist überzogen mit Staub und Spinnweben, die Möbel sind mit weißen Laken abgedeckt. Nur in seltenen Momenten darf Licht von außen den Raum fluten, meist bleibt er düster und grau.
Der verzweifelte Kampf nach Lebensfreude
Düster ist auch Ibsens Text, der keine einfache Theatervorlage darstellt. Denn statt auf der Bühne die Handlung voranzutreiben, erzählen die Figuren streng und analytisch von der Vergangenheit, von den wenigen Wünschen und Hoffnungen die noch geblieben sind.
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Auch über die Aktualität von Ibsens Drama lässt sich streiten, von einem Skandal wie zu Zeiten der Entstehung kann natürlich keine Rede mehr sein. Der konservative skandinavische Kulturbetrieb des ausgehenden 19. Jahrhunderts fühlte sich von „Gespenster“ brüskiert, weil Ibsen gleich mit mehreren Tabus und gesellschaftlichen Konventionen brach - Inzest, Syphilis, Alkoholismus, Sterbehilfe. Kein renommiertes Theater wollte das Stück spielen, so wurde „Gespenster“ erst 1882 von einer skandinavischen Amateurtheatergruppe in Chicago uraufgeführt.
Hinweis
„Gespenster“ ist am Akademietheater am 13., 14., 18., 22. und 26. März sowie am 2. und 12. April zu sehen.
Boten des bitteren Endes
Doch der Kern der „Gespenster“, der auch in Böschs Inszenierung im Zentrum steht, ist ohne Frage zeitlos: die fehlende Lebensfreude, der Wunsch nach unbeschwertem Glück und das Scheitern an eigener und fremdverschuldeter Verzweiflung. Und das wird auch im Akademietheater deutlich, wo man schon von der ersten Szene an das bittere Ende ahnt.
Bösch hat mit seiner Inszenierung fraglos eine sehr solide Arbeit abgeliefert, mit der er stilistisch an vorhergehende Projekte anschließt. Doch vor allem den schauspielerischen Leistungen des gesamten Ensembles - allen voran der gewohnt souveränen Dene - ist es zu verdanken, dass das Stück am Premierenabend mit langem Applaus gefeiert wurde.
Sophia Felbermair, ORF.at
Links:
- Burgtheater
- David Bösch (Wikipedia)
- Henrik Ibsen (Wikipedia)