Küssel-Prozess: Verzögerung zum Auftakt

Zum Auftakt des Küssel-Prozesses hat es aufgrund von Anträgen der Anwälte Verzögerungen gegeben. Der Staatsanwalt sieht Küssel als „Ideengeber“ der rechtsextremen Homepage Alpen.donau.info, Küssel selbst kam noch nicht zu Wort.

In seinem Anklagevortrag beschrieb Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter zunächst den verbotsgesetzwidrigen Charakter der Homepage alpen-donau.info (ADI) bzw. des zugehörigen Forums alinfodo.com (ADF). Als Beispiel berichtete er von einem Foto eines Konzentrationslagers auf der Website, das mit der Aufforderung an die damilige Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) unterlegt war, „diese Immobilie wieder sinngemäß zu verwenden“.

Küssel sei Auftraggeber für die Anmeldung der Domains und der Ideengeber gewesen, was die Homepage sein sollte, nämlich nach dem Vorbild der neonazistischen Plattform „Altermedia“ gestaltet. Dazu sei er auch für die inhaltliche Gestaltung zuständig gewesen. Der Mitangeklagte Felix B. sei für die inhaltliche und redaktionelle Gestaltung verantwortlich gewesen. Der dritte Angeklagte Wilhelm A. sei der technische Mastermind gewesen, der im Auftrag Küssels die Domains organisiert hätte.

Gottfried Küssel vor Beginn des Prozesses wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung

APA/Herbert Pfarrhofer

Gottfried Küssel soll die rechtsextremistische Homepage Alpen-donau.info betrieben haben

Kontakte zu tschechischen Rechtsextremisten

Die Spezialität von Wilhelm A. war laut Staatsanwalt die Garantie der Free Privacy, also des anonymen Agierens im Netz. Als Beleg dafür wies der Staatsanwalt ein Mail vor, in dem Küssel A. beauftragt haben soll, die Domains auf einem US-Server zu registrieren. „Dieses Mail haben wir bei beiden sichergestellt“, sagte Kronawetter.

A. lehnte der Anklage zufolge zunächst ab, organisierte die Adressen für ADI und ADF dann aber doch. Küssel war aber laut Staatsanwalt auch inhaltlich beteiligt: Als Beispiel diente Kronawetter ein Grundsatzdokument zwischen österreichischen und tschechischen Rechtsextremisten, das Küssel an Felix B. und Franz Radl - derzeit in Graz wegen Wiederbetätigung vor Gericht - weitergeleitet haben soll, mit der Bitte zur Be- und Überarbeitung zwecks baldiger Veröffentlichung.

Felix B. wurde dem Staatsanwalt zufolge Ende April 2011 mit laufendem Computer erwischt - ein Glücksfall für die Ermittler. In einem Mail teilte der Zweitbeschuldigte laut Anklage im Jahr 2006 Franz Radl seinen Zugangscode mit. Bis 2011 verwendete Kronawetter zufolge der ADF-Administrator „Heiler“ diesen Zugangscode.

Anwalt sang Deutschlandlied

Die Verteidiger wiesen in ihren Plädoyers die Vorwürfe zurück. Küssels Anwalt Michael Dohr betonte, dass sein Mandant mit der Registrierung und dem Betrieb der Homepage nichts zu tun habe. Die Ermittler beriefen sich Dohr zufolge auf Daten, die das FBI vom Server-Anbieter in den USA über eine frei zugängliche Homepage bekommen und nach Österreich übermittelt hatte. So sei es gelungen, die IP- und Mailadressen der Homepage-Betreiber in Wien auszuforschen: „Nur Gottfried Küssel war nicht dabei.“

Einen teils skurrilen, vor allem aber sehr langen Auftritt legte Herbert Orlich, Verteidiger des Zweitangeklagten Felix B., hin. Orlich referierte mehr als eine Stunde, streute dazwischen einen Kartentrick ein und sang das Deutschland-Lied - die dritte Strophe, heute die Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland. Er wies die Vorwürfe in Bezug auf Felix B. zurück. Es scheine so, dass die österreichische Justiz „massiv unter Druck steht, dass die Homepage nicht sein kann, nicht sein darf“, meinte der Advokat.

Mirko Matkovits, der Wilhelm A. vertritt, betonte, dass es außer einem Mail von Küssel an seinen Mandanten und der Antwort von Wilhelm A., er damit nichts zu tun haben wolle. Es gebe keinen weiteren Mailverkehr. Ebenso wenig habe man Zahlungseingänge für die Registrierung der Domains gefunden.

Gottfried Küssel vor Beginn des Prozesses wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung am Straflandesgericht Wien

APA/Herbert Pfarrhofer

Großer Medienandrang beim Prozess gegen Gottfried Küssel

Anwälte beantragten wieder Vertagung

Der Prozess hatte am Montag mit Verspätung begonnen - die Verteidigung Küssels hatte beklagt, dass sie nicht Einblick in die Liste der geladenen Geschworenen bekommen habe und daher nicht wisse, ob die richtigen Beeidigten im viel zu engen Saal 106 des Landesgerichts saßen.

Die Anwälte beantragten daher die neuerliche Vertagung, die aber vom Gericht zurückgewiesen wurde. Richterin Martina Krainz gab den Advokaten eine zehnminütige Verhandlungspause zur Einsichtnahme in die Liste. Doch die Verteidiger ließen auch darüber hinaus auf sich warten.

Tumulte wegen zu wenig Platz

Bereits zuvor hatten sich die Rechtsvertreter der Angeklagten darüber mokiert, dass Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter plante, seinen Anklagevortrag durch eine Powerpoint-Präsentation zu unterstützen. In einem weiteren Antrag wollten sie ihm das untersagen: Es bestehe die Befürchtung, dass der Ankläger auch solche Daten präsentieren könnte, die im Zuge von Hausdurchsuchungen sichergestellt worden waren.

Die Verteidigung hätte diese Daten aber nicht einsehen können, wodurch die Möglichkeit zu einer sofortigen Stellungnahme nicht gegeben wäre, was grob unfair im Sinne der Menschenrechtskonvention sei. Auch dieser Antrag wurde zurückgewiesen: Die Richterin begründete, dass die Verteidigung Einsicht in alle Akteninhalte bekommen habe, die auch dem Gericht zugänglich seien. Ein Antrag bezüglich Einsicht in diese Daten sei zurückgewiesen worden, der Einspruch dagegen werde behandelt.

Vor Beginn der Verhandlung hatte es tumultartige Szenen gegeben: Bei weitem nicht alle fanden einen Platz im Gerichtssaal, die gekommen waren, um dem Verfahren beizuwohnen. Etliche Gerichtsreporter mussten sich Sessel organisieren, um vom Prozess berichten zu können.

Verschiebung wegen zu wenig Geschworener

Der Start für den Prozess war bereits für den Montag der Vorwoche vorgesehen, musste aber verschoben werden. Von insgesamt 22 zur Verhandlung geladenen Geschworenenkandidaten fanden sich vergangenen Montag lediglich sieben im Grauen Haus ein - mehr dazu in Küssel-Prozess vertagt.

Gottfried Küssel und ein Mitangeklagter waren am 12. April 2011 nach mehreren Hausdurchsuchungen in Wien und der Steiermark festgenommen worden. Zwei Wochen später klickten bei dem dritten Angeklagten die Handschellen. Den Männern drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis - mehr dazu in Anklage gegen Küssel ist fertig.

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