Islamist sieht sich nun „gemäßigt“

Im Prozess gegen sechs Islamisten in Wien haben sich die vier anwesenden Angeklagten nicht schuldig bekannt. Der 26-jährige Hauptangeklagte sieht sich seit dem Vorjahr „gemäßigt“, der Prozess wird am 30. Mai fortgesetzt.

In der Einvernahme meinte der 26-jährige Hauptangeklagte, dass er sich früher über die Anschläge vom 11. September „gefreut“ habe: „Man hat sich gefreut, dass die Amerikaner auch einmal ein Leid erfahren. Nicht nur die Moslems. Aber ich lass’ mich überzeugen, wenn ich sehe, dass etwas falsch ist.“ Heute sehe er etwa Osama bin Laden kritischer: „Früher hab’ ich schon mit ihm sympathisiert. Heute lehne ich Vergeltungsanschläge ab. Ich tu ihn jetzt nicht verteufeln, es gibt schon sehr viel schlimmere Leute.“

Richterin Daniela Zwangsleitner konfrontierte ihn daraufhin mit dem Umstand, dass sein kleiner Sohn zu Hause „Osama“ gerufen werde. Dieser Rufname gehe auf seinen Vater zurück und habe mit der Person bin Ladens nichts zu tun, erwiderte der 26-Jährige: „Außerdem wollten wir uns in Ägypten niederlassen, und da ist dieser Name nichts Ungewöhnliches.“

Reisen zu Terrorcamps organisiert?

Der 26-jährige soll Reisen zu Terrorcamps in Pakistan organisiert und außerdem mit seiner Familie eine Reise nach Somalia geplant haben, um sich dort den Al-Schabab-Milizen anzuschließen. Die Staatsanwältin stützt die 77 Seiten umfassende Anklageschrift auf umfangreiche Überwachungsprotokolle und Zeugenaussagen.

Lennart Binder, Verteidiger des Hauptangeklagten, bezeichnete die Anschuldigungen gegen seinen Mandanten als „reine paranoide Verschwörungstheorien“. Sein Mandant habe „ganz normale Verhaltensweisen gesetzt“ und sich nichts Strafbares zuschulden kommen lassen. Dieser habe zwar einem Jugendlichen Geld gegeben, doch nicht für terroristische Zwecke. Er sei davon ausgegangen, dass der Bursche in einer Koranschule unterrichtet wurde.

Die letztlich gescheiterte Reise nach Somalia war laut Binder „eine Fernreise, um andere Länder kennenzulernen“. Der Angeklagte habe sich „ein Bild von Somalia machen wollen“. Es sei nie geplant gewesen, sich Milizen anzuschließen, so der Verteidiger.

Angeklagter sah sich „für Kampf nicht fähig“

Nach Somalia zu reisen, sei „immer Gesprächsthema gewesen“, meinte der 26-Jährige in seiner Einvernahme. Er habe sich mit Frau und Kind in den Süden des Landes begeben wollen, „um zu schauen, ob man dort leben kann“. Er habe „unter den Al Shabaab-Milizen leben wollen“ und sei auch davon ausgegangen, dass diese ihm ein Haus zum Wohnen zur Verfügung stellen, stellte der Hauptangeklagte fest.

Sich als Kämpfer zu betätigen, sei für ihn aber nicht infrage gekommen: „Für das, dass ich mich am bewaffneten Kampf beteilige, habe ich mich nicht fähig gehalten.“ Daher habe er beschlossen, „dass ich dort einmal lebe und schaue, wie es weitergeht“.

Die für Ende 2009/Anfang 2010 beabsichtigte Einreise nach Somalia kam nie zustande. Die insgesamt 13-köpfige Gruppe kam bis zum Flughafen im äthiopischen Addis Abeba und wurde dann nach Österreich zurückgeschickt. Zwei Wochen, bevor sich der 26-Jährige auf den Weg nach Afrika gemacht hatte, hatte er in seiner Wiener Wohnung einen Vortrag gehalten und dabei erklärt, es sei „die Pflicht, in den Dschihad zu gehen“.

Terror gegen Pakistan soll unterstützt worden sein

Eng bekannt war der Hauptangeklagte mit zwei Wiener Jugendlichen, die im Mai 2009 nach Pakistan gingen, um dort den „Kampf gegen die Ungläubigen“ aufzunehmen. Ein damals 16-Jähriger soll für Anschläge auf die pakistanische Armee herangezogen worden sein, er starb im Alter von 18 Jahren bei Kampfhandlungen.

Der zweite Jugendliche schloss sich der Staatsanwaltschaft Wien zufolge ab Juli 2010 der Al-Qaida an und lernte dort einen deutschen Staatsbürger. Mit ihm soll er den Auftrag erhalten haben, in Europa für Al-Qaida Geld zu sammeln und Personen zu rekrutieren.

Der Hauptangeklagte soll innerhalb der Islamistengruppe einen gewissen Druck verspürt haben, nachdem die beiden Wiener Jugendlichen nach Pakistan gezogen waren. Ihm selbst gelang es jedoch nicht, ebenfalls in einem Terror-Camp unterzukommen. Als ein weiterer Bekannter im Juli 2009 den Versuch unternahm, sich im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet zum Kämpfer ausbilden zu lassen, soll er diesem zwei Laptops, eine Digitalkamera und 2.000 Euro mitgegeben haben, die laut Staatsanwältin der Al-Qaida zukommen sollten. Der 26-Jährige wies das zurück.

Islamistische Website für Al-Qaida

Die Staatsanwältin hatte am Beginn des Verfahrens auch Kontakte zu anderen Terrorverdächtigen unter anderem in Deutschland aufgelistet. Die Kommunikation der Angeklagten untereinander wurde dargelegt. Die Staatsanwältin beschrieb die Versuche der Angeklagten, Geld für ihre Aktivitäten aufzutreiben und weitere Mitglieder anzuwerben.

Bis 22. Juni sind zehn Verhandlungstage anberaumt, der nächste am 30. Mai. Der Hauptangeklagte wurde vor einem Jahr in seiner Wiener Wohnung verhaftet und war als einziger der Angeklagten in Untersuchungshaft.

23-jähriger Angeklagter untergetaucht

Zwei der sechs Angeklagten fehlen beim Prozessauftakt. Ein 23-Jähriger soll mit seiner Ehefrau nach Ägypten gereist sein, ihm konnte nicht einmal die Anklageschrift zugestellt werden. Das Straflandesgericht hat gegen ihn einen internationalen Haftbefehl erlassen.

Laut Anklage soll der Arbeiter, den seine Eltern nach Abschluss der HTL aus der Wohnung geworfen hatten, weil er nach der Hinwendung zum Islam sämtliche „westlichen Gegenstände“ in der Wohnung abzudecken begann und gegenüber seinem Vater aggressiv auftrat, Reisen zu „Terrorcamps“ mitorganisiert und dafür auch Spenden gesammelt haben.

Auch ein weiterer Beschuldigter fehlt zu Beginn der Verhandlung. Der gebürtige Afghane ließ jedoch über seinen Anwalt dem Gericht ein Entschuldigungsschreiben zukommen. Darin macht er geltend, seine Mutter sei schwer krank, und es sei ihm unmöglich, zeitgerecht nach Wien zurückzukehren.