Kampusch: Cold-Case-Ermittlung?

Der Fall Natascha Kampusch soll mit Hilfe von Cold-Case-Spezialisten wie etwa jene des FBI neu evaluiert werden. Das hat der Parlamentsausschuss vorgeschlagen. Im Abschlussbericht werden schwere Ermittlungspannen aufgelistet.

Der Unterausschuss zum Fall Kampusch mit Vertretern aller Parlamentsparteien musste vor allem zwei Fragen klären. Und zwar, ob die Ermittler mit der notwendigen Sorgfalt und Professionalität gehandelt haben und ob den wesentlichen Fragen, die sich während der Ermittlung ergeben haben, auch ausreichend nachgegangen worden ist.

„Nach Ansicht des Unterausschusses sind beide Fragen mit ‚Nein‘ zu beantworten“, zog der Vorsitzende Werner Amon (ÖVP) Bilanz. Zudem kritisierte er , dass dem Gremium nicht alle Akten zur Verfügung gestellt worden sind. Die Empfehlung einer Evaluierung des Falls wurde einstimmig beschlossen.

Keine Hinweise auf Mord und Kinderpornoring

Die Ungereimtheiten rund um den Fall Kampusch wurden von den Abgeordneten zwar aufgeführt, allerdings nur sehr zurückhaltend beantwortet. Bei der zentralen Frage, ob es sich bei Wolfgang Priklopil um einen Einzeltäter gehandelt hat, kam der Ausschuss zu keinem eindeutigen Schluss. Die Frage, ob der Entführer Mittäter oder Mitwisser hatte, könne mit den vorliegenden Ermittlungsergebnissen „nicht abschließend beantwortet werden“.

Auch für einen möglichen Mord an Priklopil habe es keine Hinweise gegeben - allerdings wurde kein toxologisches Gutachten an der Leiche durchgeführt. Auf einen Kinderpornoring im Hintergrund hat es laut Peter Pilz (Grüne) keinerlei Hinweise gegeben.

Kritik an Ermittlungen

Die Mitglieder des Ausschusses orteten gleich eine ganze Reihe von Ermittlungspannen - wie etwa, dass dem Hinweis eines Polizei-Hundeführers auf den Entführer Wolfgang Priklopil nicht nachgegangen worden ist. Auch die Staatsanwaltschaft sei ihrer Aufgabe nicht nachgekommen.

„Nach Auffassung des Untersuchungsausschusses wurden Beweisergebnisse vonseiten der Staatsanwaltschaft nicht ausreichend erörtert, vielmehr besteht der Eindruck, dass Ergebnisse im Zweifelsfall dahingehend interpretiert wurden, dass sie in die bestehenden Ermittlungsansätze passten. Aussagen von Zeugen, die dem widersprachen, wurden in der Regel als wenig glaubwürdig qualifiziert“, heißt es in dem Abschluss-Kommunique.

Besonders kritisierte Amon den Umgang mit der Zeugin, die die Entführung von Kampusch beobachtet und über Jahre hinweg von zwei Tätern gesprochen hatte. Die junge Frau sei „unter Druck gesetzt worden“, um ihre Aussage letztlich zu ändern. Der Ausschuss überlegt in diesem Fall laut Amon sogar, eine Anzeige gegen unbekannt wegen Nötigung einzubringen, falls diese Frage bei der Evaluierung nicht geklärt wird.

Natascha Kampusch

APA/Pfarrhofer

Warnung: Kampusch nicht vom Opfer zum Täter machen

Zeitplan noch unklar

Einen Zeitplan für das weitere Vorgehen gibt es nicht. Amon ging davon aus, da es sich bei der Empfehlung um einen einstimmigen Beschluss handelt, die neuerliche Evaluierung zügig in Angriff genommen wird. Sofern sich durch die Überprüfung mit der Einbindung von ausländischen Ermittlern Verdachtsmomente erhärten sollten, würde dies neuerlich zu einer Anzeige bei Staatsanwaltschaft und somit zu einer weiteren Wiederaufnahme des Falles führen. Der SPÖ-Abgeordnete Otto Pendl warnte allerdings davor, dass Natascha Kampusch vom Opfer zum Täter gemacht wird.

Insgesamt zeigten sich die Abgeordneten mit der Arbeit des Ausschusses zufrieden. Die FPÖ-Vertreterin Dagmar Belakowitsch-Jenewein kritisierte allerdings, dass dem Ausschuss nicht sämtliche Unterlagen übergeben worden sind. Wesentliche Aktenteile - darunter etwa die erste Einvernahme von Natascha Kampusch - würden fehlen. Der Fall ist für die Freiheitliche auch alles andere als geklärt: „Ich bin mit 100 Fragen in den Ausschuss hinein und komme mit 150 Fragen hinaus“, sagte sie.

Peter Pilz (Grüne) kritisierte, dass der Fall und die Ermittlungspannen der Behörden in den vergangenen Jahren niemals wirklich aufgearbeitet worden sind. „Die Kontrolle hat vollkommen versagt“, meinte er. Erst die Arbeit des Ausschusses habe zu einer Evaluierung geführt. „Der Fall Prikopil, Freunde, Helfer und Beschützer kommt nicht zu den Akten“, so der Vertreter des BZÖ, Peter Westenthaler. „Es muss alles auf den Tisch und aufgeklärt werden“, meinte er.

Zweifel an Ein-Täter-Theorie

Um die Entführung von Natascha Kampusch im Jahr 1998 hatte es seit ihrer Flucht und dem Selbstmord des Entführers Wolfgang Priklopil 2006 immer wieder Diskussionen gegeben. Der Ausschussvorsitzende Werner Amon hatte mit Aussagen, wonach die Ein-Täter-Theorie bezweifelt werde, Anfang März für Gesprächsstoff gesorgt. Kampusch bezeichnete die Gerüchte als „enorme psychische Belastung“ - mehr dazu in Kampusch gegen Verschwörungstheorien.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte schon im März berichtet, dass mit dem FBI wegen des Falls Kampusch Kontakt aufgenommen worden sei - mehr dazu in FBI wegen Fall Kampusch kontaktiert.

In ersten Berichten über die Ausschussergebnisse hatte es geheißen, dass keine Hinweise auf einen zweiten Täter gefunden wurden. Spekulationen über einen Kinderpornoring wären ebenso falsch gewesen wie eine Schwangerschaft von Natascha Kampusch während der Gefangenschaft - mehr dazu in Verwirrung um Kampusch-Bericht.