100 Jahre Islam in Österreich

Gegenseitige Respektsbekundungen sowie Appelle für ein weiteres friedliches Zusammenleben hat es Freitagabend bei der Feier „100 Jahre Österreichisches Islamgesetz“ im Rathaus gegeben. Muslime-Präsident Fuat Sanac lobte das heimische Modell.

Ein „schöner, freudiger und wichtiger Anlass“ ist für Sanac das Jubiläum der staatlichen Anerkennung des Islams in Österreich. Das Österreichische Modell sei geprägt von gegenseitiger Wertschätzung, der Islam würde von den meisten Menschen als Bereicherung und nicht als Gefahr gesehen. Es bestehe auch kein Grund zur Angst - „auch wenn manche sich das wünschen und manche Kräfte aus diesem irrealen Anlass Kapital schlagen möchten“, so Sanac.

Festakt "100 Jahre Islamgesetz in Österreich" am Freitag, 29. Juni 2012, im Wiener Rathaus

APA/Herbert Pfarrhofer

Der Chef des türkischen Religionsamtes, Mehmet Görmez, BP Heinz Fischer, IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP)

Die islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) sei das Bindeglied zu den staatlichen Institutionen, meinte deren Präsident: „Die Zusammenarbeit war nicht immer ohne Ecken und Kanten aber immer getragen von gegenseitigem Respekt.“ Abermals äußerte Sanac den Wunsch nach einer Novellierung des Islamgesetzes sowie einer Imame-Ausbildung in Österreich und einer islamisch-theologischen Fakultät, um eine Imame-Ausbildung in Österreich zu ermöglichen.

Fischer: „Pflichte und Gesetze anerkennen“

Bundespräsident Heinz Fischer verwies auf die Wichtigkeit der in Österreich geltenden Rechtsnormen, was ein Miteinander möglich mache. Er betonte nicht zum ersten Mal, dass die Religionsgemeinschaften durch ihre öffentlich-rechtliche Stellung, „die mit der Anerkennung verbundenen Pflichten, insbesondere die im Staat geltenden Gesetze, respektieren und anerkennen müssen“. Für eine Islamische Glaubensgemeinschaft könne dies durchaus eine Herausforderung sein, allerdings habe sie sich diesen Herausforderungen gestellt.

Aggression und Feindseligkeit gegen Menschen mit anderer Religion erteilte der Bundespräsident eine Absage, er appellierte an einen friedlichen und respektvollen Umgang miteinander. Auch Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) erteilte jenen eine Absage, die „aus politischen Gründen versuchen, einander aufzuhetzen“. „Wir brauchen nicht den Gegensatz, sondern ein Miteinander, ein friedliches Miteinander.“ Die Schaffung des Islamgesetzes vor 100 Jahren sei „sehr mutiger Schritt, ein Schritt mit Weitsicht“ gewesen.

Festakt "100 Jahre Islamgesetz in Österreich" am Freitag, 29. Juni 2012, im Wiener Rathaus

APA/Herbert Pfarrhofer

Kultusministerin Claudia Schmied (SPÖ) erinnerte an die in Österreich herrschende Trennung von Staat und Religion sowie die im Staatsgrundgesetz verankerte Freiheit von Wissenschaft und Kunst. Zu groben Konflikten zwischen etwa dem Islam und Kunst sei es in Österreich allerdings noch nie gekommen. Und: „Bildung ist wohl das wirksamste Instrument gegen Radikalisierung“, meinte sie.

Festakt mit internationalen Gästen

„Die Religion sollte auch beim Zusammenleben immer ein Teil der Lösung sein und sollte nie als Teil des Problems gesehen werden“, appellierte wiederum Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) an die Anwesenden. Österreich habe allerdings bereits eine gewisse Tradition, was die Zusammenarbeit zwischen Staat und den unterschiedlichen Religionen betrifft.

Auch internationale Gäste waren zum Festakt ins Rathaus gekommen: Mustafa Ceric, Großmufti von Bosnien und Herzegowina, erinnerte die Muslime daran, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten.

Der Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten der Türkei, Mehmet Görmez, meinte, Europas Werte würden durch mancherorts islamfeindliche Tendenzen auf die Probe gestellt. Trotzdem werde man diesen Test erfolgreich bestehen.

Seit 1912 als Religion anerkannt

Die Beziehungen zwischen Österreich und dem Islam waren - wie in jedem anderen europäischen Land im Laufe der Weltgeschichte - abwechselnd freundlich bis feindselig geprägt. Auch diplomatische und wirtschaftliche Kontakte gab es über Jahrhunderte. Anerkannt wurde die Weltreligion im Habsburgerreich aber erst, nachdem Österreich Bosnien und Herzegowina okkupiert hatte: Im Jahr 1912 wurde das Islamgesetz beschlossen.

Nicht zuletzt aus geopolitischen Gründen blieb der Orient und das Osmanische Reich Jahrhunderte lang im Blickpunkt der Habsburger. Wien war seit jeher Zentrum des kulturellen Austausches zwischen Abend-und Morgenland. Eine tatsächliche muslimische „Bevölkerung“ konnte Österreich allerdings lange nicht vorweisen.

Vorarbeit durch Joseph II.

Einen entscheidenden Schritt brachte das Toleranzsystem Josephs II., welches etwa regelte, dass Muslime ihren Eid bei Gericht auf den Koran ablegen müssten. Nach der bürgerlichen Revolution 1848 brachte erst das heute noch geltende „Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger“ volle Religionsfreiheit und somit die Gleichbehandlung der bis dahin lediglich tolerierten Religionsgemeinschaften.

Eine erste spezielle Regelung wurde 1890 mit dem Israelitengesetz geschaffen, welches 2012 novelliert wurde. Protestanten mussten bis 1961, Orthodoxe bis 1967 auf ein solches Gesetz warten. Nach langen Diskussionen und Abwägungen trat am 15. Juli 1912 schließlich das Islamgesetz in Kraft. Nach Zerfall des Habsburgerreiches wurde dessen Notwendigkeit aber bald wieder infrage gestellt, da die Notwendigen Voraussetzungen mittlerweile fehlten. Trotzdem blieb es dabei.

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