Zu viel Alkohol - zu wenig Therapie

Auf den Mangel geeigneter Möglichkeiten zur Behandlung der Alkoholkrankheit haben heute Experten in Wien aufmerksam gemacht. Der Umbruch in der Therapie vom „Alles oder nichts“-Prinzip brauche aber mehr Betreuungsmöglichkeiten.

340.000 Österreicherinnen und Österreicher sind abhängig von Alkohol, weitere 760.000 haben einen problematischen Alkoholkonsum. Derzeit befinden sich die Therapien bei Sucht und Missbrauch im Umbruch. Frühzeitige Behandlung und mehr ambulante Betreuungsstellen wären notwendig. Darauf machten Experten am Donnerstag in Wien aufmerksam. Neben völliger Abstinenz rückt auch kontrollierter Konsum bei Betroffen als Ziel in den Vordergrund.

Grafik Alkoholkonsum

APA/Martin Hirsch

„Mangelhafte Strukturen in Österreich“

„Die Alkoholkrankheit ist eine tödliche Erkrankung. Die Betroffenen haben eine um 15 bis 20 Jahre geringere Lebenserwartung“, so Michael Musalek, Ärztlicher Direktor des Anton Proksch Instituts, Europas größter Suchtklinik. Derzeit würden sich die Kriterien für die Diagnose der Alkoholkrankheit ändern. Künftig wird nur noch zwischen einem „Frühstadium“ und einem „Spätstadium“ unterschieden. Man werde künftig auch im Frühstadium behandeln können, so Musalek.

TV-Hinweis

Musalek war am Donnerstag in „Wien heute“ Studiogast, hier können Sie das Interview nachsehen.

Gerade dafür wären aber ambulante und spezialisierte Versorgungsstrukturen notwendig, die es offenbar in Wien und in Österreich nur mangelhaft gebe. Musalek musste erst vor wenigen Tagen das Ende ambulanter Behandlungen im Anton Proksch Institut bekannt geben - mehr dazu in Kein ambulanter Alkoholentzug mehr.

Auch Barbara Degn, Vizepräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin, spricht von mangelnder Versorgung: „Die Betreuung von Drogenkranken im niedergelassenen Bereich (vor allem durch Hausärzte, welche die Substitutionstherapie durchführen, Anm.) ist eine Erfolgsstory. Viele Tausende Drogenpatienten werden behandelt. Es gibt vergleichsweise für Alkoholkranke wesentlich weniger Anlaufstellen. Wir würden viel mehr brauchen.“

Kontrollierter Konsum als Behandlungsoption

Nicht unerwähnt blieb auch der Wandel in der Betreuung Alkoholkranker. Habe es früher das „Alles oder Nichts-Prinzip“ gegeben, sei das Endziel der Therapie nun, dass die Patienten wieder ein freudvolles und autonomes Leben führen. Musalek: „Da kann im Frühstadium auch ein kontrollierter Alkoholkonsum das Ziel sein.“ Bei schweren Formen der Erkrankung bleibe natürlich Abstinenz weiterhin das Ziel.

Auf die möglichen dramatischen Folgen übermäßigen Alkoholkonsums machte Bernhard Ludvik von der Universitätsklinik für innere Medizin III am AKH aufmerksam. Bei zunehmender Alkoholmenge steige das Risiko für Mund- und Kehlkopfkrebs auf das 7,4-Fache, für Speiseröhrenkrebs auf das 4,4-Fache und für Leberkrebs auf das 3,6-Fache.

Selbsttest gibt Auskunft

Was heute als „ständig problematischer Alkoholkonsum“ bezeichnet wird, ist in der Diagnostik künftig als Frühstadium von Alkoholkrankheit anzusehen. Für Österreich bedeutet dies, dass rund 760.000 Personen gefährdet sind. Ein Selbsttest gibt Auskunft über den Gefährdungsgrad für alkoholbezogene Störungen und die Notwendigkeit weiterer Handlungen.

Wie oft trinken Sie Alkohol?

Nie 0
Einmal im Monat oder seltener 1
Zwei- bis viermal im Monat 2
Zwei- bis dreimal die Woche 3
Viermal die Woche oder öfter 4

Wenn Sie Alkohol trinken, wie viele Gläser trinken Sie dann an einem Tag? (ein Glas entspricht 0,33 Liter Bier, 0,25 Liter Wein,
0,02 Liter Schnaps)

1 bis 2 Gläser pro Tag 0
3 bis 4 Gläser pro Tag 1
5 bis 6 Gläser pro Tag 2
7 bis 9 Gläser pro Tag 3
10 oder mehr Gläser pro Tag 4

Wie oft trinken Sie an einem Tag sechs oder mehr alkoholische Getränke?

Nie 0
Seltener als einmal im Monat 1
Jeden Monat 2
Jede Woche 3
Jeden oder fast jeden Tag 4

Ab 3 bzw. 4 Punkten ist Risiko erhöht

Bei einem Gesamtpunktwert von 4 oder mehr bei Männern beziehungsweise 3 oder mehr bei Frauen ist der Test positiv im Sinne eines erhöhten Risikos für Alkoholbezogene Störungen und spricht für die Notwendigkeit weiteren Handelns.

In jedem Fall sollte die so genannte „Harmlosigkeitsgrenze“ (laut „Handbuch Alkohol Österreich“, Gesundheitsministerium aus dem Jahr 2011) nicht überschritten werden: Sie beträgt bei Männern geringfügig mehr als einen halber Liter Bier oder ein Viertel Liter Wein pro Tag (24 Gramm reiner Alkohol), bei Frauen geringfügig weniger als einen halber Liter Bier oder ein viertel Liter Wein pro Tag (16 Gramm reiner Alkohol).

Die Gefährdungsgrenze liegt bei Männern bei 21,2 Österreichischen Standardgläsern (ÖSG ist ein halber Liter Bier, bzw. Viertel Liter Wein bzw. 2 cl Schnaps bzw. 2 Gläser Sekt) pro Woche, bei Frauen bei 14 ÖSG.

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