Mord: Eifersucht als Motiv

Eifersucht war offenbar das Motiv für den Mord in der Nacht auf Montag an einem 72-Jährigen in Wien-Mariahilf. Der 37-jährige mutmaßliche Täter war am Sonntag aus der Justizanstalt Simmering entflohen, der Ausbruch wird nun untersucht.

„Das Opfer wollte keinen Kontakt des Mannes zu seiner Tochter und dem Enkelkind zulassen“, sagte der Rechtsanwalt des Tatverdächtigen Montagmittag. Bei seiner ersten Einvernahme hat sich der 37-Jährige voll geständig gezeigt, hieß es von der Wiener Polizei.

Mehrere Messerstiche gegen Pensionisten

Nach seinem Ausbruch aus der Justizanstalt Simmering am Sonntag hatte der Verdächtige die Wohnung seines 72-jährigen „Ex-Schwiegervaters“ in der Webgasse aufgesucht, weil er seine Freundin und das gemeinsame Kind sehen wollte, die er dort vermutete. In der Wohnung soll er aber nur den Großvater angetroffen haben.

Dieser versuchte dem geflohenen Häftling klarzumachen, dass seine Tochter nichts mehr von ihm wissen wolle. Der 72-Jährige soll sich außerdem geweigert haben, dem 37-Jährigen Zugang zu dessen Kind zu ermöglichen. Der Mann dürfte daraufhin mehrfach mit einem Messer auf den Pensionisten eingestochen haben.

Polizisten in Stiegenhaus nach Mord an 72-Jährigem in der Webgasse in Wien-Mariahilf

ORF

Tatort in Wien-Mariahilf

Nach der Tat rief er seine Ex-Freundin an, diese alarmierte die Polizei. Da man befürchtete, dass der Täter noch in der Wohnung sein könnte, öffnete die Wega die Wohnung. Bereits im Vorraum waren Blutspuren zu sehen, der Tote lag im Bad.

Kurze Flucht nach Tschechien

Nachdem er den Mann erstochen hatte, sei der Häftling mit dessen Pkw und dessen Handy nach Tschechien geflüchtet, meinte sein Anwalt. „Dort hat er eingesehen, dass das keine gute Idee ist. Er ist daher zurückgefahren“, so der Anwalt des Verdächtigen.

Als er sich wieder im Bundesgebiet befand, gelang es der Polizei, ihn über das Handy des ums Leben Gekommenen zu orten. Am Hernalser Gürtel in Wien-Ottakring wurde der Mann schließlich von der Cobra widerstandslos festgenommen.

Tischtücher bei Ausbruch zusammengeknotet

Der mehrfach vorbestrafte 37-Jährige war am Sonntag aus der Justizanstalt Wien-Simmering ausgebrochen. Wie Erich Huber-Günsthofer, Leiter der Abteilung Sicherheit im Bauwesen in der Vollzugsdirektion, am Montagnachmittag erklärte, hatte offenbar etwas bei der Überwachung beim Übergang zwischen geschlossenem und gelockertem Vollzug nicht funktioniert.

Der Häftling war im geschlossenen Bereich der Küche eingesetzt und gab das Mittagessen an die Insassen des gelockerten Vollzugs aus. In diesen Bereich geht es über den Speisesaal und ein Stiegenhaus, das überwacht wird. Hier dürfte die Kontrolle versagt haben.

Der 37-Jährige öffnete im zweiten Stock ein Fenster, das nicht durch massive Stäbe gesichert war. Das angebrachte Feingitter sollte laut Huber-Günsthofer im gelockerten Vollzug lediglich verhindern, dass Gegenstände aus oder in das Fenster geworfen werden. Für den Verdächtigen stellte dies kein Hindernis dar, er seilte sich laut „Österreich“ mit zusammengeknoteten Tischtüchern ab.

Kommission soll Ausbruch untersuchen

Der mutmaßliche Mörder war im Gegensatz zu ersten Meldungen nicht heuer bereits einmal ausgebrochen. Vielmehr war er im Vorjahr nicht von einem Ausgang zurückgekehrt. „Ich möchte, dass rasch geklärt wird, wie es zu diesem Ausbruch kommen konnte, damit wir die notwendigen Schlüsse ziehen können, um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden“, so Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP). Eine unabhängige Kommission soll die Flucht untersuchen und Vorschläge unterbreiten, wie Derartiges in Zukunft verhindert werden kann.

Peter Prechtl, Leiter der Vollzugsdirektion, schloss im Interview für „Wien heute“ aus, dass sich ein derartiger Vorfall in der Justizanstalt Simmering wiederholt. Es seien „einige Maßnahmen“ getroffen worden, sagte Prechtl, ohne ins Detail zu gehen. Prechtl ist am Montag Studiogast in „Wien heute“.

Im Vorjahr wurden in Österreich sechs Gefängnis-Ausbrüche, bei denen manuelle Gewalt - etwa gegen Mauern oder Gitter - ausgeübt wurde, sowie zwei Fluchten verzeichnet. Heuer waren es zwei Ausbrüche und vier Fluchten. Dazu kamen 2011 noch 24 Fälle von „Entweichen“, während es 2012 bis dato nur fünf waren. Entweichungen bedeutet, dass der Insasse sich - in praktisch allen Fällen vorübergehend - von „seiner“ Strafanstalt verabschiedet, ohne dass er ein Hindernis überwinden muss.

Anwalt: Keine Tötungsabsicht

Der Anwalt des Tatverdächtigen erklärte am Montagnachmittag, sein Mandant habe sich ausschließlich wegen seines Kindes aus der Justizanstalt abgeseilt: „Er ist ausgebrochen, um sein Kind zu sehen, das ihm wahnsinnig abgegangen ist und das man ihm vorenthalten hat.“ Deswegen habe er sich mit dem Vater seiner Freundin und Kindesmutter getroffen, die keinen Kontakt zu dem Häftling mehr haben wollte.

Der Streit mit dem 72-Jährigen soll eskaliert sein, im Streit soll der Verdächtige das Messer gezückt haben. „Mord war das keiner“, zeigte sich sein Anwalt überzeugt. Es liege vielmehr ein Totschlag vor, da sich sein Mandant in einer allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung zur Bluttat hinreißen habe lassen.

Link: