Brandsteidl zu Kurz: Vorschule bereits Realität

Der Vorschlag von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) zu mehr Sprachförderung für Schulkinder, sorgte für Kritik von Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ). In Wien sei die Förderung bereits Realität.

„So werden derzeit in 119 Vorschulklassen wienweit Kinder mit mangelnder Schulreife in genau solchen Vorschulklassen betreut und fit für den Regelschulunterricht gemacht“, so Brandsteidl in einer Aussendung. Ebenso verhalte es sich mit der Forderung des Staatssekretärs nach eigenen Deutsch-Kursen für ältere Kinder.

„Wien macht das schon sehr lange“, sagte Brandsteidl gegenüber Radio Wien. „Wenn das Modell in ganz Österreich umgesetzt wird, wäre es eine gute Sache, aber man sollte sich immer im Vorhinein informieren und dann nicht so tun, als würde man das Rad neu erfinden“, kritisierte die Stadtschulratspräsidentin.

Kritik von Wiener ÖVP

Brandsteidl selbst wird wiederum von der Wiener ÖVP attackiert. Das System „Deutsch vor Schuleintritt“ würde in Wien noch gar nicht funktionieren. „Tatsache ist, dass an Wiens Schulen Kinder Mathematik und Sachunterricht erhalten, obwohl sie nicht Deutsch sprechen. Das ist blanker Unsinn. Das ist ungerecht gegenüber den Kindern, frustrierend für die Lehrerinnen und Lehrer und es ist gleichzeitig totale Ressourcenverschwendung“, so ÖVP-Bildungssprecherin Isabella Leeb in einer Aussendung.

Angetan zeigte sich dagegen FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz in einer Aussendung: „Schön, wenn sich die ÖVP mit Verzögerung von ein paar Jahren endlich den Forderungen der FPÖ anschließt. Wir verlangen nämlich schon seit Jahr und Tag das Gleiche.“

Unterrichtsministerium gegen „Gettoklassen“

Wenig Freude zeigte man im roten Unterrichtsministerium mit den Vorschlägen von Kurz: „Wir sind gerne bereit, über alle konstruktiven Vorschläge zu diskutieren, nicht aber über Gettoklassen, wie das die FPÖ und der Herr Staatssekretär fordern“, hieß es. Viele Forderungen von Kurz seien überdies bereits umgesetzt oder „sehr undifferenziert“.

Kurz forderte, dass in Österreich aufgewachsene Kinder ohne ausreichende Sprachkenntnisse im Rahmen eines Vorschulsystems ein Deutsch-Förderjahr absolvieren sollten, später zugewanderte „Quereinsteiger“ am Schulstandort drei- bis sechsmonatige „Crashkurse“ machen sollten, bevor sie den Unterricht in ihrer Stammklasse besuchen. In Fächern wie Turnen oder Zeichnen, wo Sprachkenntnisse nicht so entscheidend sind, sollen sie dagegen von Anfang an mit allen anderen unterrichtet werden.

Experte gegen „Segregation“ und „Stigmatisierung“

Für „nicht sinnvoll“ hält der Sprachwissenschafter Rudolf De Cillia (Uni Wien) eine „Segregation von Kindern in eigenen Ausländerklassen“. Diese sei „natürlich auch eine Stigmatisierung von Kindern mit anderen Erstsprachen“, so de Cillia zum Vorschlag von Kurz. Sinnvoller wäre es, mit mehr Lehrkräften neben dem regulären Unterricht auch die deutsche Sprache zu fördern und den Kindern mehr Zeit für den Spracherwerb zu geben. In der Lehrerausbildung bzw. -fortbildung wiederum müsse der Umgang mit mehrsprachigen Klassen stärker in den Mitttelpunkt gestellt werden.

„Gepflanzt“ fühlt sich De Cillia von der Vorgangsweise des Expertenrats für Integrationsfragen. Erst in der Vorwoche habe es in Wien eine von diesem veranstaltete Tagung mit nationalen und internationalen Experten gegeben, bei der er auch einen Workshop geleitet habe. „Dort hat kein einziger für ein segregatives Modell plädiert, keine einzige Stellungnahme ging in diese Richtung.“ Grundtenor wäre vielmehr gewesen, die Mehrsprachigkeit von Kindern mit Migrationshintergrund als Ressource zu sehen und zu fördern.

„Dass da zunächst große wissenschaftliche Expertise zusammengerufen wird und dann eine Empfehlung ausgesprochen wird, die dem entgegenläuft, zeigt einen respektlosen Umgang mit dieser Expertise“, kritisierte der Experte.