Einser trotz Leseschwächen

Jeder fünfte Wiener Volksschüler hat im Abschlusszeugnis der vierten Klasse ein Sehr gut oder Gut im Fach Deutsch erhalten, obwohl er große Probleme beim Lesen hat. Das zeigt eine Detailauswertung der Ergebnisse des Wiener Lesetests.

Die Details wurden beim Wiener Lesesymposium vorgestellt. Demnach erhielten drei Prozent der betroffenen Volksschüler ein Sehr gut und 17 Prozent ein Gut im Fach Deutsch, Lesen, Schreiben. Die Note umfasse zwar mehr als nur die Lesefähigkeiten, Lehrer sollten aber die Unterschiede zwischen dem Ergebnis des Tests und der Beurteilung hinterfragen, so Rupert Corazza, Leseexperte des Wiener Stadtschulrats. „Da werden wir in nächster Zeit genau hinschauen, weil mit der Note auch Berechtigungen (für den AHS-Besuch, Anm.) verbunden sind.“

Suche nach Zusammenhang zwischen Test und Noten

Insgesamt wurden 21 Prozent der Kinder in der vierten Klasse Volksschule in die Gruppe jener eingeordnet, die ein sehr geringes Leseverständnis haben. Ein Nicht Genügend im Zeugnis im Fach Deutsch bekam in dieser Gruppe jedoch nur etwas mehr als ein Prozent, 37 Prozent erhielten ein Genügend und der größte Teil der Schüler (41 Prozent) ein Befriedigend.

Angesichts dieser Ergebnisse wurde im Stadtschulrat der Zusammenhang zwischen Lesetestergebnissen und Deutschnoten näher angesehen, wobei Bandbreiten definiert wurden, innerhalb derer eine Note als „unauffällig“ angesehen werden kann. Dabei zeigte sich, dass in jeder achten Klasse mehr als 40 Prozent der Beurteilungen als „auffällig“ einzustufen sind. So erreichten zehn Prozent der Schüler deutlich weniger Punkte als der Durchschnitt aller Schüler, bekamen aber ein Sehr gut im.

Gleichzeitig lieferten fünf Prozent der Schüler mit einem Vierer im Zeugnis ein besseres Ergebnis als der Wiener Durchschnitt. Und von den 37 Schülern, die ein Nicht genügend erhielten, sind laut Lesetest 33 Prozent keine Risikoschüler.

Mehr „Risikoschüler“ in Hauptschulen

Eine Sonderauswertung durch das Bundesinstitut für Bildungsforschung (BIFIE), das den Test für den Stadtschulrat konzipierte, zeigt außerdem in der achten Schulstufe (4. Klasse AHS-Unterstufe bzw. Hauptschule, Neue Mittelschule etc.) massive Unterschiede bei den Leseleistungen nach Schultyp: So fallen an den AHS 61 Prozent in jene Gruppe, die sehr gut lesen kann, 34 Prozent in die Gruppe der guten Leser und fünf Prozent in die der „Risikoschüler“.

An den Hauptschulen und ähnlichen Schulformen machen die „Risikoschüler“ hingegen mit 48 Prozent die größte Gruppe aus, 41 Prozent sind gute Leser und nur elf Prozent sehr gute Leser. „Das ist ein Ergebnis, das man in etwa erwarten darf. Das ist eine natürliche Folge unseres Schulsystems“, kommentierte BIFIE-Direktor Günter Haider das Ergebnis.

Akademikerkinder: Bessere Chancen

Außerdem präsentierte Haider Detailergebnisse der internationalen Bildungsvergleichsstudie PIRLS 2006 zu den Lesefähigkeiten von Volksschülern: Demnach haben bei gleicher Lesekompetenz Kinder von Akademikern eine doppelt so hohe Chance, ein Sehr gut im Abschlusszeugnis zu erhalten, wie Kinder von Lehrlingen oder Pflichtschulabsolventen.

Selbst wenn sie die gleichen Noten erhalten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in eine AHS übertreten, sehr unterschiedlich: Während sie bei Akademikerkindern mit Sehr gut in Deutsch und Mathematik bei 80 Prozent liegt, sind es bei Arbeiterkindern mit gleichen Noten nur 50 Prozent.

Zweite Auflage für Lesetest

Der Wiener Lesetest wurde im Schuljahr 2012 zum zweiten Mal unter allen Schülern der vierten bzw. achten Schulstufe durchgeführt. Beim zweiten Durchgang lag die Zahl der „Risikoschüler“ an den Volksschulen bei rund 20,5 Prozent (2011: 23,7 Prozent). Innerhalb dieser Gruppe wurde noch einmal unterschieden: Mehr als halbiert hat sich mit 3,9 Prozent die Zahl jener Schüler, die intensiven Förderbedarf haben (2011: 10,6 Prozent), 16,6 Prozent haben „normalen“ Förderbedarf (2011: 13,1 Prozent).

Ähnlich sieht es in der vierten Klasse Hauptschule bzw. AHS-Unterstufe aus: Die Gruppe der allerschlechtesten Leser hat sich fast halbiert und liegt nun bei 3,7 Prozent (2011: 6,9 Prozent). 18 Prozent haben „normalen“ Förderbedarf (2011: 12,3 Prozent), 3,5 Prozent „etwas Förderbedarf“ (2011: 9,5 Prozent). Überhaupt keinen Förderbedarf weisen 74,8 Prozent auf (2011: 71,2 Prozent).

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