Hermes Phettberg ist 60

Der legendäre Moderator der „Nette Leit Show“, Hermes Phettberg, ist am Freitag 60 Jahre alt geworden. Sein Fazit: „Ich bin nicht mehr der, der ich einmal war.“ An Gott kann er nicht mehr glauben, dafür hat er das Radio für sich entdeckt.

Von Hermes Phettberg, dem einstigen Koloss und medienwirksamen „Extremerotiker“, ist wenig übrig geblieben. Mehrere Schlaganfälle haben sein Sprechvermögen stark beeinträchtigt, er hat rund 100 Kilo abgenommen und ist nur noch um die 70 Kilogramm schwer.

Hermes Phettberg während eines Interviews

APA/Roland Jäger

Phettberg: „Kann nicht mehr an Gotty glauben“

Viermal pro Woche wird er von einer Heimhilfe betreut, diese hat „mein Leben gerettet“, sagte Hermes Phettberg zur APA in seiner Wohnung in Mariahilf. Es geht ihm „elend“, so elend, „dass ich nicht mehr an Gotty glauben kann“. Gotty ist Gott, seine Helfer nennt er liebevoll „Nothelfys“.

Jeansboys, Medikamente und Ö1

An den Wänden der mit Medikamenten, angebissenen Äpfeln und getrockneten Kornspitzen übersäten Dreizimmerwohnung hängen zwischen erotischen Gemälden zahlreiche Poster von „Jeansboys“, auf den Tischen türmen sich Zettelberge, neben seinem Rollator liegen Hermann Hesses „Demian“ und Thomas Glavinics „Unterwegs im Namen des Herrn“.

Neben den Büchern füllen vor allem Radiosendungen seinen Alltag: „Ich lebe nur von Ö1“, sagte Phettberg, wie alles, mehrmals hintereinander. Immer wieder muss er sich zurücklehnen, sich „sammeln“, um weitersprechen zu können. Wer sein Internet-Tagebuch, die „Gestionen“ kennt, weiß, dass der Schein trügt: Hermes Phettberg denkt klar, kritisch, zynisch. Bloß die Artikulation macht nicht immer mit.

Hermes Phettberg während eines Interviews

APA/Roland Jäger

„Mir entgeht nichts“, schmunzelte er in Hinblick auf seinen Radio-Konsum. Doch ausgerechnet das Fernsehen, das wesentlich zu seinem einstigen Ruhm beigetragen hat, bleibt ihm verwehrt. Nach seinen Schlaganfällen kommt er nicht mehr mit den beiden Fernbedienungen zurecht. „Es ist einfach zu kompliziert für mich, den Fernseher einzuschalten. Aber ich will es auch nicht.“

„Ein Kind hätte es nicht leicht gehabt“

Die Aufregung um seine jüngste Fesselungs-Aktion im Rahmen der grünen „Wienwoche“ lässt ihn kalt. Schließlich habe er sein Honorar der „Rosa-Lila-Villa“ gespendet, um einem türkischen Transsexuellen, der in seiner Heimat verfolgt wurde, ein Zimmer in Wien zu organisieren. „Unser Staat ist reich, er sollte sich bemühen, Andersartige, die in ihrer Heimat verfolgt werden, aufzunehmen“, unterstrich Phettberg, der die Situation von Schwulen und Lesben heutzutage als wesentlich besser als vor einigen Jahrzehnten einschätzt.

Dennoch: „Dass die ÖVP dagegen ist, dass Schwule und Lesben Kinder adoptieren dürfen, ist ein Wahnsinn. Nur ein Kind macht die Vaterschaft perfekt.“ Er selbst bereut es nicht, keine Kinder zu haben: „Ich bin dafür auch zu dumm gewesen. Gotty hat schon Recht gehabt. Ein Kind hätte es in meinem Leben nicht leicht gehabt“, so Phettberg selbstkritisch, aber wehmütig.

Kaffee und Butterbrot als größter Wunsch

„Ich lebe von der Sozialhilfe. Mein größter Wunsch ist es, mir jeden Tag einen Kaffee und ein Butterbrot mit Schnittlauch im Cafe Jelinek leisten zu können. Das reicht mir.“ Aber auch beim Essen stößt Phettberg nunmehr an seine Grenzen. Am Montag wird ihm sein letzter Backenzahn gezogen. Er sah zu seiner Heimhilfe auf: „Ich bin nicht mehr der, der ich einmal war.“

Hermes Phettberg während eines Interviews

APA/Roland Jäger

Auftritt bei Regenbogenparade nach wie vor Fixpunkt

Hermes Phettberg wurde am 5. Oktober 1952 in Hollabrunn geboren. Der Sohn von Weinbauern arbeitete zunächst als Bankangestellter, bevor er nach einer theologischen Fortbildung Pastoralassistent in der Erzdiözese Wien wurde. Mitte der 80er-Jahre war er Mitbegründer des Vereins „Libertine Sadomasochismusinitiative Wien“ und des Projekts „Polymorph Perverse Klinik Wien“. Öffentlich bekannt wurde er mit sadomasochistischen Kunstaktionen (wie seiner „Verfügungspermanenzen“) gemeinsam mit Walter Reichl im Rahmen von „ErotiKreativ“ im WUK.

In der Theatergruppe „Sparverein Die Unz-Ertrennlichen“ rund um Kurt Palm spielte er ab Anfang der 90er-Jahre verschiedene Rollen, seit 1992 schreibt Phettberg für den „Falter“ die wöchentliche Kolumne „Phettbergs Predigtdienst“. Eine Sammlung der Falter-Kolumnen erschien als Faksimile der Typoskripte unter dem Titel „Hundert Hennen. Katechesen 1992 - 2003“.

In seiner Talkshow „Phettbergs Nette Leit Show“ begrüßte er ab Ende 1994 verschiedene Prominente, darunter etwa Marcel Prawy, Hermann Nitsch, Manfred Deix oder Josef Hader . Gemeinsam mit Kurt Palm gab er 1996 das Buch „Frucade oder Eierlikör“ mit Interviews und Monologen aus der Show heraus. 2003 und 2004 strahlte ATV die Sendung „Beichtphater Phettberg“ aus. Als jährlicher Fixpunkt gilt nach wie vor sein jährlicher Auftritt auf der Regenbogenparade auf dem Ring.

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