Kellerleichen: Der Prozess des Jahres

Lange Zeit Mordfantasien, schockierende Verhaltensmuster, ein in Haft geborenes Kind und viele Tränen beim Prozess: Der Kriminalfall rund um Estibaliz C. klingt nach einem Thriller, in der Realität endete er jedenfalls mit lebenslanger Haft.

Die Fakten standen seit Beginn des Prozesses fest. Estibaliz C. war geständig, im April 2008 ihren Ex-Mann Holger H. und im November 2010 ihren damaligen Lebensgefährten Manfred H. erschossen, zerstückelt, einbetoniert und im Keller ihres Eissalons „Schleckeria“ verborgen zu haben, bis die Plastikwannen im Juni 2011 bei Installationsarbeiten zufällig entdeckt wurden. Vier Tage wurde vor Gericht im Großen Schwurgerichtssaal versucht, ein Bild dieser Frau zu zeichnen und damit zu klären, wie es so weit kommen konnte.

Kellerleichen-Prozess: Die mutmaßliche Doppel-Mörderin Estibaliz C. (M.) mit ihren Anwälten Werner Tomanek (l.) und Rudolf Mayer

APA/Helmut Fohringer

Beruhigungsmittel bei Prozess für Angeklagte

Problem mit Männern seit der Kindheit

Die Kindheit der 34-Jährigen wurde dabei immer wieder beleuchtet. Den eigenen Vater bezeichnete C. als „Tyrann“, der keinen Lärm geduldet habe. Sie habe quasi nicht existieren dürfen. Diese Darstellung wurde durchaus auch von der psychiatrischen Gutachterin gestützt. Die Angeklagte sei in einem schwierigen familiären Umfeld aufgewachsen: „Frauen waren die, die zu gehorchen hatten. Die Männer bestimmten, was geschah.“ Den Vater habe männliche Dominanz ausgezeichnet. Ihm sei eine unterwürfige, dankbare Mutter gegenübergestanden, führte Kastner aus.

Leben mit „Plastiksackerl über dem Kopf“

C. habe aus dieser Konstellation gelernt, man müsse für Männer möglichst attraktiv sein, um den Partner halten zu können. Eine herkömmliche Trennung, ein schlichtes Verlassen der Männer, die sie nicht glücklich machten, sei der Angeklagten dabei nicht möglich gewesen. Auch die Angeklagte selbst sprach im Prozess mehrmals davon, dass sie sich gefühlt habe, als ob sie ein „Plastiksackerl“ über dem Kopf gehabt hätte, und dieses Gefühl wollte sie so schnell wie möglich loswerden.

Gutachterin spricht von „Narzissmus pur“

Doch Fakt ist: C. wurde vom Opfer zum Täter mit einer „gravierenden, umfassenden, vielgestaltigen Persönlichkeitsstörung“, so Kastner. C. setze das, was sie will, für absolut: „Das ist Narzissmus pur.“ In den Beziehungen mit ihren späteren Mordopfern wollte sie vor allem Familie beziehungsweise ein Kind, wie sie auch selbst vor Gericht beteuerte. Beide Männer verwehrten ihr diesen Wunsch und mussten wohl auch deshalb sterben.

Estibaliz C. und Gutachterin Adelheid Kastner im Mordprozess um die Kellerleichen in Meidling am dritten Verhandlungstag im Wiener Landesgericht

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Kastner sprach von „gravierender Persönlichkeitsstörung“

Von „zwei Gesichtern“ der Angeklagten sprach die Staatsanwältin zum Prozessauftakt. C. präsentiere sich einerseits als „liebe brave Frau“, andererseits sei sie eine „brandgefährliche tickende Zeitbombe“. Im Laufe des Verfahrens und aufgrund zahlreicher Zeugenbefragungen wurde deutlich, was die Staatsanwaltschaft damit konkret meinte.

„Nette Frau“ versus „tickende Zeitbombe“

Er habe „sie als hübsche, nette Frau kennengelernt, aber bald das Interesse verloren“, beschrieb beispielsweise ein kurzzeitiger Partner die Frau: „Die Esti war eine, die alles getan hat, um einem zu gefallen.“ Sie sei „unterwürfig“ gewesen, sagte ein anderer. Es habe ihr „die Authentizität gefehlt. Sie war nicht das, was sie vorgegeben hat. Sie hat sich als perfekt präsentiert, was sie aber nicht halten konnte“, hieß es.

Im Kopf der Angeklagten dürften sich jedenfalls ganz andere Dinge abgespielt haben, vor allem in den beiden Beziehungen zu den späteren Mordopfern, die ihr nicht das geben konnten, was C. erwartet hatte. Die 34-Jährige erklärte vor Gericht hingegen, sie habe ihren ersten Mann „anfangs verehrt“, sei „blind und naiv“ gewesen: „Manchmal habe ich mich an ihn angekuschelt, und für diese Minuten habe ich gelebt.“ Nachdem sie ihn erschossen hatte, habe sie Reue verspürt und eingesehen, „dass ich ein Miststück bin“.

Das zweite Opfer, Manfred H., wiederum habe mit ihr „Psychoterror von in der Früh bis in die Nacht betrieben“. Dieser musste sterben, „weil ich die Hoffnung verloren habe, dass er sich ändert und dass er mich gehen lässt“, sagte die Angeklagte.

Tötungen immer wieder „durchgespielt“

In diesen Situationen sei ihr „die Tötung, das Aus-dem-Weg-Räumen dieses Menschen“ als Lösung erschienen, wie die Gutachterin meinte. Diese Möglichkeit habe die Frau längere Zeit „durchgespielt“ und von einer Fantasie zur „Gewissheit“ entwickelt: „Es war eine Welle, die kommt und immer stärker wird.“ Die Taten an sich habe die Angeklagte dann zielgerichtet vollbracht. „Sie verliert nicht den Kopf. Sie verliert sich in Emotionen“, sagte die Psychiaterin über C.

Konkret bedeutete das: Sie erschoss ihren ersten Mann mit drei Schüssen von hinten. Weil es nicht gelang, den Toten zu verbrennen, zerteilte sie die Leiche mit einer Kettensäge, bewahrte sie in einer Tiefkühltruhe auf und betonierte sie schließlich in einem Kellerabteil ein.

Prozess um Kellerleichen: Die mutmaßliche Doppel-Mörderin Estibaliz C. (M.) mit ihren Anwälten Werner Tomanek (l.) und Rudolf Mayer am ersten Prozesstag

APA/Helmut Fohringer

Die Angeklagte mit ihren Anwälten Werner Tomanek und Rudolf Mayer

Beim zweiten Mord ging C. laut Staatsanwaltschaft schon „gezielt und strukturiert“ vor. Bereits im Vorfeld kaufte sie eine Kettensäge und Zement und kleidete angeblich das Schlafzimmer mit Folien aus. Die Gerichtsgutachterin dazu: „Der Lerneffekt der ersten Tötungshandlung war eine bessere Effizienz bei der zweiten und nicht ein Verhindern der zweiten.“

Kein Blickkontakt zu neuem Mann

In weiterer Folge ging sie eine neue Beziehung mit ihrem heutigen Mann ein, wurde schwanger, bis ein Nachbar im Keller Installationen durchführte und dabei die Leichen fand. Die Flucht dauerte nur kurz, in Udine wurde Estibaliz C. verhaftet. Der Mann von C. machte übrigens von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch, wobei er während der paar Augenblicke, die er auf dem Zeugenstuhl verbrachte, keinen Blickkontakt mit seiner Frau aufnahm.

Der inzwischen zehn Monate alte Sohn von C. lebt mittlerweile in Spanien bei den Großeltern. Vor Gericht sagte die Angeklagte, dass sie darüber sehr glücklich sei, wenngleich ihre eigene Kindheit dort sehr problematisch war. Ihr Vater habe sich grundlegend geändert und sei nun der „beste Großvater“, den sie sich vorstellen könne.

Psychiaterin zweifelt an Therapieerfolg

Wann und ob C. jemals ihr Kind in Freiheit sehen wird, kann derzeit niemand sagen. Die Prognose von Kastner war jedenfalls düster: Sie bezifferte die statistische Wahrscheinlichkeit, dass die 34-Jährige in den nächsten zehn Jahren neuerlich eine Straftat mit schweren Folgen begehen wird, mit 31 Prozent. Dabei handle es sich um eine „individuelle Prognose, bezogen auf ihre konkrete Persönlichkeitsstruktur“. C. könne „von sich aus schlecht aus ihren Mustern heraus. Die Mechanismen sind vorhanden. Die werden sie fast zwingend wieder in solche Situationen führen“, sagte Kastner.

Ob bei der an sich therapiebedürftigen Frau therapeutische Maßnahmen überhaupt wirken, ließ die Gutachterin offen. Dafür sei die Bereitschaft erforderlich, sich einer Therapie zu stellen. Ob eine solche bei ihr überhaupt gegeben ist, erschien Kastner fraglich.

Mitleid nur mit sich selbst?

In der U-Haft habe die 34-Jährige zwar psychiatrische Hilfe in Anspruch genommen - aber nicht, um gegen ihre Persönlichkeitsstörung anzugehen, sondern „die Erinnerung an schieres Grauen“ zu bekämpfen. Die Bilder vom Zerteilen der Leichen hätten sich bei der Frau nämlich zu „Alpträumen“ entwickelt, so Kastner. C. selbst hatte beim Prozessauftakt auch mehrmals ausgesagt, wie furchtbar der Geruch beim Zerteilen der Leichen gewesen sei und dass sie diesen nie aus der Nase bekommen habe.

Man habe das Gefühl, dass sie sich selbst am meisten leid tut: Mit diesem Vorwurf wurde die Angeklagte sowohl von der Staatsanwältin als auch von einem Geschworenen konfrontiert. Sie nehme Beruhigungsmittel und wirke womöglich deshalb nach außen so, sagte C. als Rechtfertigung. Sie bedürfe der Mittel, „weil ich Angstzustände und Herzrasen habe. Es ist so, dass ich ständig mein Herz schlagen höre.“

Beim Prozessfinale sagte die 34-Jährige dann schließlich: „Ich kann nicht mehr sagen, als dass es mir leidtut, dass ich Holger und Manfred das Leben genommen habe.“ Das Urteil nach vier Prozesstagen: Lebenslange Haft und Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher.

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