BAWAG-Prozess: Schuldsprüche gefordert

Mit den Schlussplädoyers ist am Landesgericht Wien das Finale des zweiten BAWAG-Prozesses eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft fordert Schuldsprüche für alle Angeklagten, die Urteile sind für Dienstag vorgesehen.

Im zweiten BAWAG-Strafprozess hat am Freitag die Staatsanwaltschaft Schuldsprüche für alle Angeklagten gefordert. Sie begleite das Verfahren schon seit 2007, „viel Neues hat sich im zweiten Verfahren nicht ergeben“, meinte Staatsanwältin Sonja Herbst.

Sie hatte schon im ersten Verfahren gemeinsam mit Georg Krakow die Anklage vertreten. Im Kern der Anklage stehe Untreue gegenüber der Bank, so Herbst in ihrem Schlussantrag am Freitag im Großen Schwurgerichtgssaal des Wiener Straflandesgerichts.

Schuldsprüche wegen Generalprävention

Herbst zog einen Vergleich der verlustreichen Spekulationen der BAWAG Ende der 1990er Jahre mit einem Casino-Besuch: Der damalige Bank-Chef Helmut Elsner sei „mit einer Tasche Geld“ mit dem Management ins Casino gegangen, dort sei der Spekulant Wolfgang Flöttl als Croupier gesessen. Auch Flöttl habe gewusst, dass das Geld der Bank nicht eingesetzt hätte werden dürfen. „Sie setzen auf Rot, die Kugel rollt auf Schwarz“.

Schuldsprüche für die Angeklagten seien auch wegen der Generalprävention erforderlich, argumentierte die Staatsanwältin: Der Bankvorstand habe „bewusst weggeschaut“ und das Geld verspekuliert. „Man muss ein Zeichen setzen“, forderte Herbst.

Flöttls Anwälte, Christian Hausmaninger und Herbert Eichenseder, forderten einen Freispruch für ihren Mandanten. Flöttl habe nicht gewusst, dass Elsner ihm das Geld für die Geschäfte nicht geben hätte dürfen. Als Flöttl der BAWAG im Herbst 1998 nach den ersten großen Verlusten sein Vermögen überließ, habe er niemanden über die Höhe seines Vermögens - das mit rund 90 Mio. Dollar wesentlich geringer war als der Verlust - getäuscht. „Es ist absurd, einen Schädigungsvorsatz Flöttls anzunehmen“, sagte Hausmaninger. Auch alle anderen Verteidiger forderten Freisprüche für ihre Mandanten. Die Schlussplädoyers blieben insofern ohne Überraschungen.

Elsner blieb wieder weg

„Helmut Elsner ist nicht da“, hatte Richter Christian Böhm zu Beginn der Verhandlung am Freitag festgestellt. Elsners Anwalt Stephan Mertens beantragte, das Verfahren gegen den 77-jährigen Elsner „aufgrund permanenter Verhandlungsunfähigkeit“ einzustellen. Der mentale Stress und Ärger, dem Elsner ausgesetzt wäre bei einer Verhandlung, könnte bei ihm einen Herzinfarkt auslösen.

„Es ändert sich nichts, es verbessert sich nichts“, schilderte Elsners Verteidiger dessen Gesundheitszustand. Der herzkranke Elsner hält sich nach Angaben seiner Verteidigung in Bayern auf.

Laut Richter Christian Böhm wird versucht, Elsner die Reisedokumente zu entziehen. Das Verfahren zur Entziehung von Reisepass und Personalausweis sei noch im Anfangsstadium, erklärte er. Elsner hat im zweiten Strafprozess bisher allen Ladungen nicht Folge geleistet. Böhm hatte das Verfahren gegen Elsner ausgeschieden. Wenn er ein Urteil über die anderen Angeklagten fällt, kann das Verfahren gegen Elsner getrennt fortgeführt werden - mehr dazu in Elsner wieder nicht bei Prozess.

Jürgen Stephan Mertens, Anwalt von Helmut Elsner, beim zweiten BAWAG-Prozess

APA/Herbert Pfarrhofer

Elsner-Anwalt Stephan Mertens beantragte, das Verfahren gegen seinen Mandanten einzustellen

Keine Änderung bei Gutachten

Der gerichtliche Sachverständige Günter Steurer sagte, er habe die ihm vorgelegten Gutachten der Verteidigung studiert, aber er sehe keinen Anlass sein Gutachten zu ändern. Steurer hat Elsner ja Verhandlungsfähigkeit bescheinigt, was von Elsners Verteidigung bestritten wird. „Es ist eine chronische Erkrankung, die Lungensituation hat sich etwas gebessert, die Herzsituation ist gleichgeblieben“, sagte Steurer.

Strafrechtlich hat Elsner aber keine zusätzliche Haftstrafe zu befürchten, weil er bereits im ersten Strafprozess die Höchststrafe ausgefasst hatte. Von seiner zehnjährigen Haftstrafe saß der frühere Banker viereinhalb Jahre in der Justizanstalt Wien-Josefstadt ab - inklusive U-Haft. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er im Juli 2011 für vollzugsunfähig erklärt und entlassen.

Richter Christian Böhm

APA/Georg Hochmuth

Richter Böhm leitete 27 Verhandlungstage

BAWAG wollte Pensionsabfindung zurück

Die Neuauflage der Causa begann heuer am 25. April und dauerte bisher 27 Verhandlungstage. Elsner wurde wegen einer sogenannten Subsidiarklage der Bank erneut angeklagt. Mit der Privatanklage will die BAWAG auf Elsners Pensionsabfindung zugreifen und erhofft sich bessere Chancen im Zivilverfahren.

Gregor Schet, Vertreter der BAWAG, ging in seiner Schlussansprache auf Helmut Elsner ein. Die übrigen Angeklagten hätten sich in ihrer Verteidigung darauf konzentriert, den früheren BAWAG-Generaldirektor als den Schuldigen darzustellen, nach dem Motto: „Der Elsner wars...“. Doch Elsners Schuld enthebe die anderen nicht von ihrer Verantwortung als Vorstandsmitglieder, als Aufsichtsratspräsident, als Wirtschaftsprüfer und auch als Investor mit Bankgeldern, der gewusst habe dass die Bank nicht spekulieren durfte, so der BAWAG-Vertreter.

Die BAWAG fordert von den Angeklagten jeweils bis zu drei Mio. Euro als Schadenersatz. Im Urteilsspruch könnte das Gericht der BAWAG direkt Geldbeträge zusprechen, die die Bank dann einfordern könnte.

Anklage nach verlustreichen Spekulationen

Die Urteile über den Spekulanten Wolfgang Flöttl, die früheren BAWAG-Vorstände Christian Büttner, Josef Schwarzecker, Hubert Kreuch, den ehemaligen BAWAG-Aufsichtsratspräsidenten Günter Weninger, den Wirtschaftsprüfer Robert Reiter, Ex-BAWAG-Generalsekretär und späteren Vorstand Peter Nakowitz werden für nächsten Dienstag erwartet. Der zweite Strafprozess hatte im April 2012 begonnen.

Den Angeklagten wird von Staatsanwältin Sonja Herbst unter anderem Untreue vorgeworfen. Die frühere Gewerkschaftsbank sei durch verlustreiche Spekulationen Flöttls mit BAWAG-Geldern geschädigt worden, die Bankspitze soll dies vertuscht haben. Elsner wirft Flöttl seit Jahren vor, er habe das Geld nicht zur Gänze verspekuliert, sondern unterschlagen. Wolfgang Flöttl, Sohn von Elsners Vorgänger an der Bankspitze Walter Flöttl, weist die Vorwürfe zurück. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Der erste Strafprozess gegen ehemalige BAWAG-Manager unter Leitung der damaligen Richterin und späteren Justizministerin Claudia Bandion-Ortner hatte 117 Tage bis zum 4. Juli 2008 gedauert. Knapp zweieinhalb Jahre später hob der Oberste Gerichtshof (OGH) das Urteil weitgehend auf.

Link: