Votivpark: Räumung „verhältnismäßig“

Die Räumung des von Asylaktivisten besetzten Sigmund-Freud-Parks vor der Votivkirche am 28. Dezember ist laut der internen Evaluierung des Innenministeriums korrekt vollzogen worden. Die Polizei will aber auch Lehren aus dem Einsatz ziehen.

Das Einschreiten der Wiener Polizei habe „durchgehend den geforderten Grundsätzen der Deeskalation und Verhältnismäßigkeit“ entsprochen, heißt es in dem Bericht, der Dienstagabend vorgestellt wurde. Auch die rechtlichen Begründungen für das Einschreiten seien „plausibel, schlüssig und nachvollziehbar“.

Polizisten bei einem Zelt bei der Räumung des Asylwerber-Camps vor der Votivkirche

Polizei Wien

Polizisten bei der Räumung

Kampierverordnung der Stadt als Grundlage

Hervorgehoben wird in dem Bericht des Evaluierungsteams auch die „erfolgreiche Vermeidung der Anwendung von Zwang gegen Personen“. Der Freud-Park war wenige Tage nach Weihnachten geräumt worden, als rechtliche Grundlage hatten Polizei und Magistrat Wien die Kampierverordnung der Stadt herangezogen - mehr dazu in Camp vor Votivkirche geräumt.

Allerdings will die Exekutive auch Lehren aus dem Einsatz ziehen, hieß es. So werde man zukünftig bei derartiger Zusammenarbeit die Einsätze besser koordinieren. Auch die Medien sollen künftig bei derartig sensiblen Situationen besser einbezogen werden.

Das Evaluierungsteam gab zudem eine weitere Empfehlung ab: Da die Polizei bei der Vollziehung von Landesgesetzen derzeit keine Verständigungspflicht gegenüber dem bei der Volksanwaltschaft eingerichteten Menschenrechtsbeirat hat, „wäre eine solche allenfalls im Zuständigkeitsbereich der Länder zu regeln“, heißt es in dem Bericht.

Protestcamp im Sigmund-Freud-Park

APA/Herbert Pfarrhofer

Seit 25. November wurde vor der Votivkirche protestiert

Kritik an Räumung

Beim Abbau der Zelte kamen auch Bagger und ähnliche Geräte zum Einsatz, was sowohl für Flüchtlingsvertreter als auch für Amnesty International Fragen der Verhältnismäßigkeit aufwarf. Der Einsatz der Bagger wurde bei der Evaluierung beleuchtet.

Dabei habe es sich um Geräte privater Firmen gehandelt, die der Magistrat bei der Aktion hinzugezogen habe. Um derartige Eindrücke zu vermeiden, will die Polizei künftig bei solchen Kooperationen intensivere Vorbesprechungen mit anderen Beteiligten, wie in diesem Fall dem Magistrat, führen und auch Private sensibilisieren.

Übereinkommen bereits eine Woche vor Räumung

Bereits eine Woche vor dem Einsatz, am 21. Dezember, habe es zwischen dem Landespolizeipräsidenten und der Wiener Magistratsspitze ein grundsätzliches Übereinkommen über die Räumung der Zelte im Park gegeben, heißt es in dem Bericht.

Aufgrund des Weihnachtsfriedens und um weiter deeskalierend einzuwirken, sei die Aktion erst am 28. Dezember erfolgt, so Michaela Kardeis, Vizepräsidentin der Wiener Polizei. Aber auch aus dieser Situation habe man gelernt: Um die Entstehung eines solchen Camps gar nicht erst zuzulassen, werde man beim nächsten Mal „schneller reagieren“.

Fotos: Protestcamp vor der Kirche vor der Räumung

Räumung in der Früh aus „taktischen Gründen“

Aus „taktischen Gründen“ sei die Räumung um 4.00 Uhr früh erfolgt - um etwa den Berufsverkehr nicht zu behindern. Dabei sei die Polizei selbst vorbildlich vorgegangen, heißt es auch nach der Evaluierung.

Körperliche Zwangsmaßnahmen habe es keine gegeben, auch Beschwerden aufgrund des Einschreitens seien nicht eingelangt. Zudem seien persönliche Gegenstände der Aktivisten und Flüchtlinge genauestens dokumentiert und aufbewahrt worden. Nur abgeholt habe diese bisher noch niemand, Kardeis bezeichnete das Ergebnis der Evaluierung als „zufriedenstellend“.

Ministerium: „Dellen“ in Wahrnehmung vermeiden

„Der Einsatz war grundsätzlich positiv“, sieht sich auch Robert Strondl, Leiter der Einsatzabteilung im Innenministerium, bestätigt. Allerdings gelte es, derartige „Dellen“ in der öffentlichen Wahrnehmung zu vermeiden.

So müsse man bei solchen Einsätzen zukünftig die polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit besser in das Verfahren einbeziehen, empfiehlt auch das Evaluierungsteam des Ministeriums. Und auch eine Medienbetreuung an Ort und Stelle sei „zur Erreichung einer objektiven Berichterstattung unabdingbar“.

Auch der Direktor des Bundeskriminalamts, Franz Lang, sieht das Problem eher im Eindruck, den der Einsatz in der Öffentlichkeit hinterlassen hat, und will das zukünftig vermeiden. Denn: „Jeder gelernte Österreicher weiß, wie man eine Heurigengarnitur abbaut: so, dass man sie danach wieder verwenden kann.“

SOS Mitmensch kritisiert Bericht

„Wenn die brachiale Zerstörung des Protestcamps verhältnismäßig war, ist es um die Verhältnismäßigkeit in unserer Republik schlecht bestellt“, zeigte sich SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak über den Bericht enttäuscht. „In einer funktionierenden Demokratie braucht es Behörden, die zu echter Selbstkritik fähig sind. Ansonsten wird sich der unverhältnismäßige Einsatz staatlicher Gewalt immer wieder wiederholen“, so Pollak.

Kritik kam auch von der grünen Menschenrechtssprecherin Alev Korun. „Nun hat die Polizei bzw. ihre Oberbehörde, das Innenministerium, die Bagger-Räumung des Flüchtlingscamps im Votivpark also ‚überprüft‘. Wenig überraschend dabei - man findet sich ohne jeden Fehl und Tadel“, so Korun. „Genau jene Zustände bei Asyl, die von den Votivkirchenflüchtlingen seit Monaten kritisiert werden, wuchern auch nach der Räumung des Protestcamps fort.“

Asylwerber seit 18. Dezember in Kirche

Seit der Räumung konzentriert sich der Flüchtlingsprotest auf die Votivkirche, in der sich seit 18. Dezember mehr als 40 Asylwerber aufhalten, etliche von ihnen im Hungerstreik. Derzeit dürfen nur fünf Personen von außen auf einmal die Kirche betreten, um mit den Flüchtlingen zu sprechen. Das sei zu wenig, betonten die Flüchtlinge.

Fotos: Asylwerber in der Votivkirche

Die Erzdiözese will die „Hausordnung“ in der Kirche, die gemeinsam mit den Flüchtlingen im Dezember beschlossen wurde, aber nicht ändern. „Wir haben nicht vor, dass das geändert wird“, sagte Schönborn-Sprecher Michael Prüller. Man wolle den Flüchtlingen eine Zuflucht bieten, berücksichtigen müsse man aber auch, dass die Votivkirche Pfarrkirche sei.

Zwischenfall am Sonntag

Aufregung gab es am Sonntag, als Flüchtlingsgegner für einige Stunden die Votivkirche besetzten. Die Caritas sprach von einer „bewussten Provokation“ auf Kosten der Asylwerber. Die Polizei geleitete die neun Männer kurz nach 17.00 Uhr von der Kirche weg, um Zusammenstöße mit etwa rund 100 Asylwerbersympathisanten zu vermeiden, die sich vor der Kirche versammelt hatten - mehr dazu in Votivkirche kurzfristig besetzt.

Links: