Flüchtlinge überlegen Rückzug

Die Flüchtlinge in der Votivkirche überlegen, in ein anderes, warmes Quartier zu übersiedeln. Auch Bundespräsident Heinz Fischer appellierte an sie, das angebotene Ausweichquartier anzunehmen.

Ein Flüchtlingssprecher in der Votivkirche deutet einen baldigen Abzug an: „Es ist jetzt Zeit zu handeln. Wenn wir tot sind, ist das keine Lösung. Vielleicht starten wir nächste Woche einen Dialog und übersiedeln dann woanders hin.“ Denn wegen des Hungerstreiks eskaliert die Situation in der Kirche langsam. In den vergangenen zwei Tagen gab es allein 15 Rettungseinsätze.

Innenministerium: Asylwerber versäumten Fristen

Das Innenministerium wies am Donnerstag darauf hin, dass sich der Anteil der Personen in der Votivkirche mit negativem Asylbescheid seit Beginn der Besetzung erhöht hat. Wesentlich für Asylverfahren sei die Mitwirkung des Antragstellers. Aufgrund etwa von versäumten Fristen mangle es jedoch zum Teil an dieser Mitwirkung. Die Folge sei eine höhere Zahl von Personen mit rechtskräftigen negativen Bescheiden.

Flüchtlinge wollen Demo abwarten

Die Flüchtlinge wollen die Solidaritäts-Demo am Samstag in Wien abwarten. Gleich danach wollen sie mit der Kirche und der Caritas in konkrete Verhandlungen treten und die Bedingungen diskutieren. So könnten die Flüchtlinge, wenn in den anderen Quartieren ein ähnlicher Schutz wie in der Votivkirche geboten werde, schlussendlich übersiedeln. Der Auszug stehe nicht unmittelbar bevor, es seien jedoch konkrete Verhandlungen ab Sonntag gewünscht, hieß es aus dem Kreis der Aktivisten.

Fotos: Asylwerber in der Votivkirche

Fischer schlägt Übersiedlung vor

In seinem Antwortschreiben an die Refugees versprach Bundespräsident Fischer Hilfe im Rahmen der geltenden Gesetze und berief sich auf Gespräche mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und der Caritas. Man wolle die derzeitige gesundheitsgefährdende und für alle Beteiligten im höchsten Maße unbefriedigende Lage verbessern, erklärte er. Eine Übersiedlung wäre „ein wichtiger und positiver Schritt in die richtige Richtung“, so Fischer.

Über Gesetze nicht hinwegsetzen

Über die Gesetzeslage, über Gerichtsentscheidungen oder über die Abgrenzung verschiedener Verantwortungsbereiche in Österreich könne man sich aber nicht hinwegsetzen. „In dieser Beziehung gibt es offenbar einen Unterschied zwischen Österreich und den Erfahrungen, die Sie vielleicht in anderen Ländern gemacht haben.“

Mit einer Übersiedlung wäre eine Grundlage geschaffen, damit in Gesprächen mit jedem einzelnen Betroffenen eine individuelle Perspektivenabklärung erfolgen könne, so Fischer. „Dazu ist es aber notwendig, dass Sie die Kirche verlassen.“ Er betonte, dass es die verfassungsmäßigen Rechte des Bundespräsidenten nicht zuließen, sich in einzelne Verfahren einzuschalten. Auch ein allgemeines Bleiberecht sehe die österreichische Rechtslage nicht vor.

Fischer: „Kann mit dem Vorschlag am besten helfen“

„Ich hoffe, Sie spüren und glauben mir, dass ich Ihnen wirklich helfen möchte, aber ich kann meinen verfassungsmäßigen Spielraum nicht überschreiten und bin außerdem überzeugt, Ihnen mit diesem Vorschlag am besten zu helfen“, so der Bundespräsident. Über Hilfe für die Flüchtlinge habe er in den vergangenen Wochen immer wieder nachgedacht. „Denn Menschen, die all das auf sich nehmen, was Sie und die von Ihnen erwähnten Personen auf sich nehmen, verdienen es, ernst genommen zu werden.“

Die Flüchtlinge nahmen den an sie gerichteten Brief von Fischer sehr positiv auf. Das erklärte der Sprecher der Caritas Wien, Klaus Schwertner. Ob das Schreiben allerdings Einfluss auf die weitere Entwicklung haben wird, lasse sich noch nicht abschätzen.

Flüchtlinge freuten sich über den Brief

„Die Flüchtlinge haben sich sehr gefreut, dass der Bundespräsident auf ihr Schreiben geantwortet hat. Aus Sicht der Caritas ist es ein gutes Signal, dass er zuerst die konkreten Menschen im Blick hat, ihre Verzweiflung und ihre Not“, so Schwertner.

Gleichzeitig habe der Präsident im Brief klargestellt, dass in Österreich niemand über dem Gesetz stehen kann. Ob der Brief Einfluss darauf haben kann, wie es nun weitergeht, könne noch nicht beurteilt werden. Die Caritas äußerte einmal mehr ihre Sorge über den Gesundheitszustand der Betroffenen in der Kirche. Seit 18. Dezember befinden sich mehr als 40 Asylwerber in der Kirche, etliche von ihnen im Hungerstreik.

Kein Runder Tisch mehr geplant

Das Innenministerium hielt am Donnerstag fest, dass es keinen weiteren Runden Tisch mit den Flüchtlingen geben wird, ebenso wenig wie strukturelle Änderungen im österreichischen Asylwesen. Die Positionen des Bundespräsidenten in seinem Brief würden sich mit jenen des Ministeriums decken, hieß es aus dem Ressort. Weiterhin lege man den Flüchtlingen nahe, die kalte Kirche zu verlassen und in die angebotenen Quartiere zu übersiedeln.

Die Räumung des von Asylaktivisten besetzten Sigmund-Freud-Parks vor der Votivkirche am 28. Dezember ist laut der internen Evaluierung des Innenministeriums korrekt vollzogen worden - mehr dazu in Votivpark: Räumung „verhältnismäßig“.

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