„3096 Tage“: Bedrückende Premiere

Es ist eine Heldengeschichte: So kündigte Regisseurin Sherry Hormann die Weltpremiere von „3096 Tage“ Montagabend an. Zwei Stunden später erahnten die Premierenbesucher, was Natascha Kampusch in acht Jahren Gefangenschaft durchlebte.

Unzählige Kamerateams, Blitzlichtgewitter, roter Teppich: In den vergangenen Jahren hatte sich Kampusch weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, Montagabend waren wieder alle Kameras auf sie gerichtet. Ihr zur Seite standen die Regisseurin des Films, Sherry Hormann, und die beiden Darsteller Antonia Campbell-Hughes (Kampusch) und Thure Lindhardt (Wolfgang Priklopil).

Natascha Kampusch

APA/Herbert Neubauer

Blitzlichtgewitter rund um Kampusch

Hormann: Kraft stärker als auferlegtes Schicksal

Aufgrund des enormen Medieninteresses startete der Film fast eine Stunde später als geplant. Regisseurin Hormann warnte die Besucher im Kino vor: Dieser Film wird sie durchrütteln. Aber es sei eine „Heldengeschichte“, weil die Kraft von Natascha Kampusch stärker gewesen sei als das ihr auferlegte Schicksal.

„Es war klar: Nur einer von uns beiden würde überleben“, hieß es dann zu Beginn des Films. In den folgenden knapp zwei Stunden wurde erzählt, was dies bedeutete und das 3096 Tage dauernde Martyrium von Kampusch ohne Effekthascherei gezeigt. Viele Szenen spielten im klaustrophobischen Verlies, in dem Kampusch während ihrer Gefangenschaft Großteils leben musste. Wie furchtbar sich die Einsamkeit dort angefühlt haben muss, dürfte jedem der Premierengäste rasch bewusst geworden sein.

Absolute Stille im Kinosaal

Im Kinosaal hätte man während des gesamten Films eine Stecknadel fallen hören, so bedrückend waren die dargestellten Szenen vom zehnjährigen Mädchen, das in der Dunkelheit verzweifelt nach seiner Mutter ruft, bis zur jungen Frau, die alles tut, um zu überleben und nicht verrückt zu werden. Der Entführer bestimmte, ob sie zu essen bekommt, wann Licht brennt und wie sie heißt, dazwischen misshandelte und missbrauchte er sein Opfer.

Fakt ist: Kampusch musste sich seit ihrer Befreiung viel Kritik gefallen lassen und wurde auch offen auf der Straße beschimpft. Montagabend zollten die Premierengäste dem Entführungsopfer Respekt und Anerkennung. Nach dem Film herrschte zuerst lange Stille, dann setzte Applaus ein.

Schauspielerin Antonia Campbell-Hughes, Regisseurin Sherry Hormann und Schauspieler Thure Lindhardt

APA/Herbert Neubauer

Schauspielerin Antonia Campbell-Hughes (l.), Regisseurin Sherry Hormann (m.) und Schauspieler Thure Lindhardt

Letztes Projekt von Eichinger

Initiiert hatte das Projekt noch die 2011 verstorbene Produzentenlegende Bernd Eichinger. Seine Kollegin Ruth Toma vollendete das erst zu zwei Drittel fertige Drehbuch nach seinem Tod, wobei die Produktion in diesem Zuge international ausgerichtet wurde. So drehte die Deutsch-Amerikanerin Hormann auf Englisch mit der Britin Campbell-Hughes (2012 Gewinnerin des Berlinale-Shooting Star Awards) als erwachsene Natascha Kampusch, dem Dänen Lindhardt und der jungen Amelia Pidgeon, welche Kampusch zum Zeitpunkt ihrer Entführung spielt und dieser zum Verwechseln ähnlich sieht.

Bilderstrecke: Fotos aus dem Film „3096 Tage“

Film bricht letztes Tabu

Die Produktionsfirma holte sich für ihr Vorhaben die Zustimmung der heute 25-jährigen Kampusch, mit der sich Eichinger noch vor Beginn der Arbeit am Drehbuch mehrmals getroffen hatte. Dass Eichinger das Werk federführend auf Schiene gebracht hatte, war für Kampusch ein zentrales Argument, ihm und der Constantin die Rechte zu verkaufen.

Besonders was die Darstellung der Sexualität innerhalb der Gefangenschaft betrifft, wünschte Kampusch sich ein behutsames Umgehen: „Da war mein Wunsch, der auch respektiert wurde. Mir war auch wichtig, das Ganze nicht zu einem Gewaltfilm zu machen“, so Kampusch - mehr dazu in dazu in Kampusch über „inneres Gefängnis“. Im Film sieht man sie mit Kabelbinder an ihren Peiniger gefesselt, der sich an ihr vergeht.

Regisseurin Hormann sagte dazu in einem Interview: „Bei einem Mädchen, das zu einer jungen Frau heranreift, steht das Thema Sexualität unweigerlich im Raum. Sonst wäre es ein verlogener Film. Die Szenen sind ja nicht reißerisch gedreht, sondern so, wie sie waren.“

Ziel: Ausmaß der Gefangenschaft spürbar machen

Kampusch sah sich im Vorfeld der Premiere mit ORF-Redakteur Christoph Feurstein den fertigen Film an. Kritik, ihre Geschichte nur vermarkten zu wollen, ließ die junge Frau nicht gelten. Sie wolle das Ausmaß der Gefangenschaft spürbar machen, sagt sie im Interview mit der Sendung „Thema“. Zu oft werde sie beschuldigt, freiwillig geblieben zu sein. „Nachdem diese Leute den Film gesehen haben, sagen sie das sicherlich nicht mehr“, meinte Natascha Kampusch - mehr dazu in TVThek.ORF.at.

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