Volksbefragung: Die Olympiabewerbung

Von 7. bis 9. März findet in Wien eine Volksbefragung unter dem Motto „Wien will’s wissen“ statt. Die Wienerinnen und Wiener können vier Fragen beantworten. Wien.ORF.at stellt Fragen samt Hintergründen dar. Die zweite Frage betrifft Olympia 2028.

Die zweite Frage der Volksbefragung lautet:

Soll sich die Stadt um die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2028 bemühen?

Flugaufnahme des Ernst-Happel-Stadions

APA/Robert Jäger

Die Positionen von Stadtregierung und Opposition

SPÖ: Olympia würde junge Menschen zum Sport animieren und Wiens hervorragenden Ruf als Kultur- und Musik-Welthauptstadt auch in Richtung Sport erweitern, so Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) - mehr dazu in Olympia: Häupl siegessicher.

Grüne: Der Klubchef der Wiener Grünen, David Ellensohn, tritt für ein klares Ja zu den Sommerspielen 2028 in Wien ein. Angesichts einer wachsenden Stadt sei das Großevent eine Chance. Denn nur zehn Prozent des Aufwands würden in Sportstätten fließen, der Rest in Infrastruktur. Das olympische Dorf könnte etwa für Wohnungen nachgenutzt werden. Die Gesamtlinie der Grünen ist aber, dass sie keine Empfehlung abgeben.

FPÖ: Olympische Spiele in Wien würden den Steuerzahler Milliarden kosten, warnte der Landesobmann der FPÖ Wien, Heinz-Christian Strache. Schon allein für die Bewerbung müssten mehr als 100 Mio. Euro veranschlagt werden. Strache verwies weiters auf die Erfahrungen aus London, wo weniger Besucher als geplant gekommen seien. Dafür seien dort die Miet- und Wohnungspreise um bis zu 100 Prozent angestiegen.

ÖVP: Die ÖVP hat keine Empfehlung zu dieser Frage abgegeben. Es lägen zu wenige Informationen vor, um über eine Olympiabewerbung entscheiden zu können - etwa über einen möglichen Standort für das olympische Dorf, mit welchen Partnerregionen man sich zu bewerben gedenke oder welche Infrastruktur nötig wäre.

Mögliche Bewerbung polarisiert

44 Prozent der Wienerinnen und Wiener können sich dafür begeistern, Olympische Spiele in Wien abzuhalten. 36 Prozent halten hingegen nichts davon, der Rest interessiert sich nicht für dieses Thema. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage von Makam-Research, für die 500 Personen befragt wurden. Vor allem jüngere Menschen sprechen sich dafür aus, die Skepsis ist vor allem bei älteren Menschen größer.

Allerdings: Immerhin 78 Prozent erwarten durch die Austragung der Olympischen Spiele einen hohen Werbeimpuls für Wien. Zwei Drittel rechnen mit einer Ankurbelung der Wirtschaft in ganz Österreich. 13 Prozent sind sogar überzeugt, dass Wien die besten Olympischen Sommerspiele aller Zeiten organisieren würde.

Sechs von zehn Wiener meinen jedoch auch, dass es für die Mittel, die für eine Bewerbung erforderlich sind, sinnvollere Investitionsmöglichkeiten geben würde. Mehr als die Hälfte der Wiener schloss sich der Aussage an, dass die in Wien vorhandenen Sportstätten unzureichend seien. Sportler sehen eine Bewerbung optimistisch - mehr dazu in Sportler sehen Wiens Bewerbung als Chance.

Paralympics als zusätzliche Herausforderung

Über eine breite Zustimmung würden sich die heimischen Behindertensportler freuen, da sich Wien damit automatisch auch um die Paralympics 2028 bewerben würde.

„Das wäre in der Tat eine Herausforderung für die Sportstätten in Wien, sowohl organisationsmäßig als auch architektonisch“, betonte Maria Rauch-Kallat, die Präsidentin des Österreichischen Paralympischen Committees (ÖPC). „Das wäre ein absoluter Gewinn für den Behindertensport, denn es müssen alle Sportstätten nach der Ö-Norm 1600 behindertengerecht sein, nicht nur für die Sportler, sondern auch für die Besucher.“

Auch Claudia Lösch, frisch gebackene Vierfach-Weltmeisterin der Ski-WM für Behindertensportler in La Molina und zweifache Paralympics-Goldmedaillengewinnerin bei den Winterspielen 2010 in Vancouver, bezeichnete das Olympia-Projekt Wien 2028 als „besondere Herausforderung“ und hofft, dass es Realität wird. „Denn es gibt nichts Schöneres für Sportler, als Heimspiele zu haben“, meinte die 24-jährige Vorzeigeathletin, die seit einem Autounfall im Jahr 1994 querschnittgelähmt ist.

30 Sportstätten als Minimum

Für den Fall, dass sich die Wiener für eine Bewerbung aussprechen, wird die Stadt das auch tun, so Bürgermeister Häupl. Damit verbunden wäre ein Bauboom von bisher wohl unbekanntem Ausmaß: Im Vergleich zu den vergangenen drei Olympischen Sommerspielen in Athen (2004), Peking (2008) und London (2012) waren 30 Sportstätten das Minimum. Das allerdings auch nur, weil alleine die 2012 in London als eine Anlage ausgewiesene ExCel-Arena gleich fünf Hallen mit Fassungsvermögen zischen 6.000 und 10.000 Zuschauern beherbergte.

Infrastrukturkosten

Die Infrastrukturkosten für Olympische Sommerspiele liegen derzeit zwischen sieben und zwölf Milliarden Euro.

In Wien wären derzeit bestenfalls das Ernst-Happel-Stadion, das Dusika Stadion, das Horr-Stadion/Generali-Arena und die Marathonstrecke Olympia-tauglich. Ausbaufähig wäre das Ruderzentrum an der Neuen Donau. Ein Stadion mit mindestens 60.000 Plätzen Fassungsvermögen ist für Olympische Spiele Pflicht und derzeit nicht vorhanden. Vieles ist von Spekulationen geprägt, etwa Segelbewerbe am Attersee oder vor Triest. Bogenschießen und Beachvolleyball vor dem Riesenrad wären spektakulär, Golf im Wiener Umland möglich.

Unbedingt notwendig ist auch ein großes Olympiagelände, das unter anderem auch den Medien Platz bietet und auf dem das olympische Dorf für die Athleten Platz findet. Denkbar könnte das in Wien etwa auf Stadtentwicklungsgebieten wie der Seestadt Aspern, hinter den Gasometern und auf dem Gelände des ehemaligen Nordwest-Bahnhofs sein. Nach den Erfahrungen aus Spielen der vergangenen zwei Jahrzehnte liegen die Kosten für die Infrastruktur zwischen sieben und zwölf Milliarden Euro.

TU hält Nachteile für Wiener möglich

Das Departement für Raumplanung, Infrastruktur und Umweltplanung der Technischen Universität (TU) Wien führte Studien über vergangene Olympische Spiele durch. Als besonders problematisch hat sich dabei die Entwicklung der Wohnsituation herausgestellt. Das sei etwas, wo die Stadt Wien sehr aufpassen müsse, sagte Rudolf Giffinger von der TU Wien. An sich habe Wien sehr leistbare Wohnungen, aber mit der Tendenz, dass sie teurer werden und die Frage der Leistbarkeit im Raum steht.

„Das kann im Hinblick auf eine Großveranstaltung zu einem Problem werden, weil hier Spekulation, überzogene Erwartungen zu einer Veränderung auf dem Wohnungsmarkt beitragen und das nicht immer zum Vorteil der lokalen Bevölkerung“, so Giffinger. Klar sei auch, dass Wien mehr und bessere Verkehrsinfrastruktur für ein solches Event benötigt.

„Teilnehmen ist wichtiger als Siegen“

Der Olympiagedanke ist in Wien schon länger heimisch. Nicht nur, dass es schon einmal eine Bewerbung Wiens für Olympische Spiele gegeben hat - mehr dazu in Olympia: Wien bewarb sich bereits. Seit 1977 gibt es vor dem Happel-Stadion im Prater den Olympiaplatz, seit 1991 in Wien-Leopoldstadt den Pierre-de-Coubertin-Platz. Der Begründer der modernen Olympischen Spiele war es auch, der vor mehr als 100 Jahren einen Satz aussprach, der jetzt auch für Wien wieder Bedeutung gewinnen könnte: „Teilnehmen ist wichtiger als Siegen.“

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