Leseschwäche bleibt „Hauptschulphänomen“

Der zum dritten Mal durchgeführte Lesetest für die Schüler der vierten und achten Schulstufe hat ähnliche Ergebnisse wie 2012 gebracht. Laut Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl bleibt die Leseschwäche "ein Hauptschulphänomen“.

Knapp jeder fünfte Schüler der 4. Schulstufe hat Probleme beim Lesen - insgesamt sind es 18,6 Prozent. Das ist eine schwache Verbesserung um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. In der 8. Schulstufe haben mit 22,4 Prozent der Schüler nahezu gleich viele wie im Vorjahr große Probleme beim Lesen. Zwölf Prozent von ihnen gehen in eine AHS, sagte sagte Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl.

Grafik Lesetest 2013 - Lesefertigkeit von Schülern der 4. und 8. Schulstufe

APA/Martin Hirsch

Lesefertigkeit von Wiener Schülern

„Das heißt wir haben schlechte Leser auch in der AHS und dann dementsprechend in den Hauptschulen, also es ist ein Hauptschulphänomen“, so Brandsteidl.

Förderung greift laut Nachtestung

Am gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) durchgeführten Lesetest nahmen Ende Februar rund 15.000 Kinder in der vierten Klasse Volksschule und rund 16.000 Kinder in der vierten Klasse AHS-Unterstufe bzw. Hauptschule teil. Außerdem wurden jene rund 2.800 Schüler der ersten Klasse AHS/Hauptschule nachgetestet, die im Vorjahr beim Lesetest in der schwächsten Kompetenzstufe gelandet waren („Risikoschüler“) und in der Zwischenzeit durch unterschiedliche Maßnahmen speziell gefördert wurden.

Von jenen Kindern, die nach einem schlechten Lesetest 2012 in diesem Schuljahr besondere Förderung erfahren haben, sind mehr als 60 Prozent beim heurigen Nachtest in eine höhere Lesestufe gewechselt. Dies und der Rückgang bei den Risikoschülern in der Volksschule zeige, dass die Leseförderung in Wien greife, so Brandsteidl.

Der Lesetest im Vorjahr hatte große Leseschwächen bei den Schülerinnen und Schülern aufgezeigt. So wurden 20,6 Prozent der Volksschüler in die Gruppe der Risikoleser mit schwacher Lesekompetenz eingestuft, in der achten Schulstufe waren es 25,2 Prozent - mehr dazu in Enorme Leseschwächen bei Schülern.

Wiener Lehrer erhalten Ergebnisse

In Wien erhalten die Lehrer im Gegensatz zu den Bildungsstandard-Testungen die Ergebnisse der einzelnen Schüler und können diese in die Noten einfließen lassen. „Wir gehen davon aus, dass Lehrer sich den Lesetest anschauen und die Ergebnisse auch sinnvoll verwenden“, so Brandsteidl. Im Normalfall sollten Risikoschüler nicht mehr in einer AHS landen. Derzeit seien aber immerhin noch zwölf Prozent der leseschwächsten Schüler in der achten Schulstufe in einer AHS zu finden.

Bei den Bildungsstandards geht Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) einen anderen Weg: Dort werden die Einzelergebnisse nur den Schülern selbst mitgeteilt, Lehrer, Direktoren und Schulbehörden erhalten nur die anonymisierten Werte. Die Resultate sollen nicht zur Förderung einzelner Schüler beitragen, sondern auf Systemebene einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung an den Schulen leisten.

„Wir wollen die schlechten Leser finden - und fördern“, so Brandsteidl. „Es gibt manche Sachen, wo der Durchschnitt nichts bringt. Wenn Sie einen Marathon in zwei Stunden laufen und ich in sechs, sagen die durchschnittlichen vier Stunden weder etwas über Sie noch über mich.“

Kritik von FPÖ und ÖVP

„Wenn der Weg von Brandsteidl in dieser Form weitergeführt wird, dann schaffen wir es im Endeffekt allen Wiener Kindern in zehn Jahren das Lesen beizubringen“, so ÖVP-Bildungssprecherin Isabella Leeb ín einer Aussendung. Auch wenn beim Ergebnis der vierten Schulstufe eine geringfügige Verbesserung eingetreten ist, „sind die Schüler der achten Schulstufe, die nur kaum oder gar nicht lesen können weiterhin konstant“. Die Ergebnisse seien neuerlich „ernüchternd“ und „vom großen Wurf weit entfernt“, so Leeb.

„Das sind Zahlen, für die sich jede westlich-fortschrittliche Stadt in Grund und Boden schämen würde. Aber Brandsteidl ist begeistert und fühlt sich in ihrem Weg bestätigt“, kritisierte FPÖ-Bildungssprecher Dominik Nepp. „Ich betone erneut, dass es ohne ausreichende Deutschkenntnisse keinen Schuleintritt geben darf. Wie sollen Kinder, die kein Wort Deutsch verstehen, lesen lernen?“, so Nepp.

Der Grüne Bildungssprecher Harald Walser wiederum verlangt eine flexible Schuleingangsphase und eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen mit individueller Förderung. Wenn zwölf Prozent der 14-jährigen Schüler mit Leseproblemen aus AHS kämen, sei die Selektion nach der Volksschule auf Grund von Leistung „offensichtlich gescheitert“, so Walser in einer Aussendung. Dagegen habe die gezielte Förderung von leseschwachen 10-jährigen Schülern zu massiven Verbesserungen der Leistungen geführt.

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