Mundartdichterin Trude Marzik ist 90

Die Mundartdichterin Trude Marzik ist 90 Jahre alt geworden. Veröffentlichen will sie nichts mehr, denn man müsse „ein Kochbuch schreiben oder einen Porno“. Bekannt machte sie einst Heinz Conrads.

Ihr letzter Gedichtband „Meine Lieblingsgedichte“,eine Zusammenstellung persönlicher Lieblingsstücke aus ihrem Schaffen, erschien vor fünf Jahren. Ein neues Buch wird es nicht mehr geben. „Heutzutage muss man entweder ein Kochbuch schreiben oder einen Krimi oder einen Porno, da passe ich nirgends hinein“, lachte Marzik.

Mundartdichterin Trude Marzik

APA/HEDI TYPOLT

„Heute muss man ein Kochbuch schreiben oder einen Krimi oder einen Porno“

Also schreibt sie nur mehr für sich: „Wenn man eine Schreiberin ist, schreibt man.“ Das sei allerdings „unendlich mühsam. Verdienen tut man nur lausig dabei und so besonders ehrgeizig bin ich auch nicht“, sagte die Jubilarin.

„Ich will nicht unbedingt twittern“

Wie sie die sich auch durch neue Medien wie SMS und E-Mail verändernde Sprache wahrnimmt? „Man kann es nicht aufhalten. Die persönliche Kommunikation ist kaum mehr vorhanden“, seufzte Marzik.

„Liebespaare können sich SMS schicken, im Kaffeehaus fällt ihre Kommunikation nur mehr spärlich aus. Schreibt jemand noch Liebesbriefe? Eher ein Smiley im E-Mail“, so die Autorin, die „klarerweise“ einen Computer habe, aber diesen nur dort verwende, wo es ihr auch nütze: „Ich will nicht unbedingt twittern, ich habe kein so großes Mitteilungsbedürfnis, der Welt zu sagen, wann ich ein Butterbrot esse.“

Geld zunächst durch Kabarettauftritte verdient

Marzik wurde am 6. Juni 1923 in Hernals geboren. Das Dichten und Reimen begleitet sie seit ihrer Kindheit, als sie für die Eltern Krampusverse und gereimte Schulaufsätze verfasste. Sie studierte an der Universität Wien zunächst Anglistik und Germanistik und nahm privaten Schauspielunterricht. Die Verpflichtung zum Arbeitsdienst zwang sie jedoch, das Studium aufzugeben.

Nach Kriegsende verdiente sich Marzik ihr Geld zunächst durch Kabarettauftritte bei Fred Kraus und im „Lieben Augustin“ bei Fritz Eckhardt. Sie verließ aber aus persönlichen Gründen die Bühne und wechselte zur Fluggesellschaft PanAm. Bedingt durch den Beruf und die Geburt ihres Sohnes blieb Marzik in diesen Jahren wenig Zeit zum Schreiben. Erst ab 1968 entstanden wieder regelmäßig Gedichte.

„Am Anfang war die Kuchlkredenz“

An den Beginn ihrer Karriere erinnert sie sich noch genau: Als Heinz Conrads ihr Gedicht im Radio vorgelesen hat, habe es sehr viele Hörer-Anfragen gegeben, wo denn ihr Buch zu kaufen sein.

Radiohinweis: Trude Marzik ist am Samstag, 15. Juni, um 12.10 Uhr bei Bernd Matschedolnig in der Radio Wien-Serie „Menschen im Gespräch“ zu Gast.

Da sie noch keines hatte, habe sie den Band „Am Anfang war die Kuchlkredenz“ zusammengestellt und mithilfe eines Buchhändlers den Zsolnay Verlag gefunden, der das Buch herausgegeben hat, so die Dichterin. „Für damalige Verhältnisse war das ein schöner Erfolg“, dem auch Gedicht-Vertonungen von Musikern folgten. „So bin ich ins Textergeschäft gekommen“, erinnerte sich Marzik.

Nach ihrem Durchbruch veröffentlichte sie weitere Gedicht- und Prosabände, darunter „A bissl Schwarz - A bissl Weiss“ (1972) und den erfolgreichen Band „Parallelgedichte“ (1973), in dem sie Lyrik von Goethe, Eichendorff, Rilke, Kästner und Brecht ins Wienerische übersetzte.

Auch „Schlichte Gedichte“ veröffentlicht

In den 90er-Jahren veröffentlichte die mehrfache Großmutter die Bücher „Was ist schon dabei, wenn man älter wird“ (1997), „Wiener Melange“ (1997) und „Romeo Spätlese"(1998), in dem sich die Autorin ironisch-heiter über die Liebe im Alter Gedanken macht.

2003 erschien der Gedichtband "Schlichte Gedichte“, 2005 folgte der Band „Mütter und Großmütter. Gedichte und Geschichten“, in dem sie in gewohnt lakonischer und ironischer Manier über die Freuden und Leiden des Mutterdaseins berichtete. Den Abschluss machte 2008 der Sammelband „Meine Lieblingsgedichte“.

Der Autor und Theaterkritiker Hans Weigel sagte über Marzik einmal, dass sie „das Wienerische als Umgangssprache in den verschiedensten Spielarten vom Salon bis zum Gemeindebau und von der Zwischenkriegszeit bis in die Gegenwart beherrscht“.

„Eine Hetz ist das Alter nicht“

Das hohe Alter, das sie nun erreicht, empfindet sie nicht nur als Segen: „Man muss es erleiden, eine Hetz ist es nicht“. Nachsatz: „Aber es gibt Ärgeres.“ Das Schlimmste sei, „dass einem die Jahrgangskollegen wegsterben. Wenn man mit Gleichaltrigen verkehrt, ist es einfacher. Da sagt man ‚Kannst dich erinnern...‘“.

Den Jüngeren müsse man immer erst alles erklären. Sie habe es sich „nicht gewünscht, 90 zu werden, es ist mir widerfahren. Henry Kissinger ist kürzlich auch 90 geworden. Mein geliebter Loriot war auch mein Jahrgang, er hat es aber nicht mehr geschafft.“

Link: