Rettungsgasse: Sonderfall Tangente

Eineinhalb Jahre nach ihrer Einführung sehen Rettung und Polizei einen Hoffnungsschimmer: Die Autofahrer würden immer besser darin, eine Rettungsgasse zu bilden. Nur Wien ist anders: Die Tangente bleibe ein Sonderfall, wie es heißt.

„Die subjektiven Empfindungen der Einsatzfahrer sind österreichweit so, dass es in weiten Teilen auf den Autobahnen dank der Rettungsgasse besser funktioniert. Das heißt, wir kommen rascher und gefahrloser an die Unfallstelle“, so Bundesrettungskommandant Gerry Foitik vom Österreichischen Roten Kreuz.

„Es ist merkbar oder spürbar, dass es langsam besser wird“, stimmt Wolfgang Scherabauer, Verkehrsoffizier in der Wiener Landesverkehrsabteilung, dem zu. Einig sind sich Rettung und Polizei aber auch noch in einem anderen Punkt, der für Wien schlagend ist: Auf der Südost-Tangente funktioniert die Bildung der Rettungsgasse auch eineinhalb Jahre nach der Einführung nicht wirklich gut.

Grafik Bildung einer Rettungsgasse

APA/Martin Hirsch

Tangente auch für Polizei ein „Ausnahmefall“

Die Polizei kontrolliert die Bildung der Rettungsgasse auf der Tangente nach wie vor mit zivilen Autos und Motorrädern. Doch selbst die Polizei räumt ein, dass es die Autofahrer auf der drei- bis vierspurigen Tangente mit ihren vielen Auf- und Abfahrten nicht immer leicht haben, einfach so eine Rettungsgasse zu bilden: „Es ist für einen Autofahrer schon schwierig, wenn er sich eingereiht hat, dann plötzlich eine Rettungsgasse bilden muss, und dann seine Ausfahrt naht. Da versuchen die Lenker natürlich, die Rettungsgasse zu queren“, so Schererbauer.

Oft würden Autofahrer die querenden Autos dann nicht einreihen lassen. Zwischen solchen gescheiterten Abbiegeversuchen und missbräuchlicher Verwendung der Rettungsgasse weiß die Polizei laut Schererbauer zu unterscheiden: „Man sieht ja, ob einer blinkt und nicht hineingelassen wird, oder ob einer die Rettungsgasse als seine Privatstraße betrachtet.“ Die Tangente sei eben ein Ausnahmefall. So wirklich optimal werde die Rettungsgasse auf ihr wahrscheinlich nie funktionieren.

Illustration zum Thema "Rettungsgasse auf der Autobahn"

APA/DPA/Marc Müller

„Miteinander“ als Lösung für Wien

Zusätzlich verschärfen würden das Problem Rettungsgasse auf der Tangente auch die beengten Platzverhältnisse sowie die hohe Verkehrsdichte, ergänzt der Bundesrettungskommandant des Österreichischen Roten Kreuzes, Gerry Foitik. Im Überlandverkehr stehe einfach mehr Platz zur Verfügung.

Als Lösung für Wien sieht Foitik ein Miteinander und ein verantwortungsvolles Autofahren. Er appelliert an die Autofahrer, es wenigstens zu versuchen, Platz zu machen, und zwar dort, wo es Platz dafür gibt. Wo es eigentlich zu eng für eine Rettungsgasse wird, sollten Autofahrer wenigstens so viel Platz machen, dass die Einsatzfahrzeuge durchkommen können.

Gegner und Befürworter 2012 fast gleichauf

An einer Umfrage auf wien.ORF.at im Dezember 2012, ob die Rettungsgasse sinnvoll wäre, beteiligten sich 1.868 Menschen. Damals war das Verhältnis von Befürwortern und Gegnern beinahe ausgewogen: 46,61 Prozent beantworteten die Frage mit Ja, 44,49 Prozent mit Nein. Hier können Sie nun erneut abstimmen.

Evaluierung soll im Herbst vorliegen

Ob sich die subjektiven Eindrücke von Rettung und Polizei statistisch belegen lassen, wird sich im Herbst zeigen. Gemeinsam mit dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) sammeln die Einsatzorganisationen Daten für ein wissenschaftliches Evaluierungsprojekt. Laut Polizei verhindern vor allem zwei Gruppen von Autofahrern die Bildung einer Rettungsgasse: solche, die nicht wissen, dass es eine Rettungsgasse gibt, und solche, die die gesetzlichen Bestimmungen einfach ignorieren.

Geregelt ist die Rettungsgasse seit einer Novelle im § 46 Abs. 6 StVO: „Zu bestrafen ist, wer trotz Vorliegens der Voraussetzungen keine Rettungsgasse bildet, sofern damit eine Behinderung von Einsatzfahrzeugen oder Fahrzeugen des Pannen- und Straßendienstes verbunden ist. Ebenfalls zu bestrafen ist, wer eine Rettungsgasse befährt, sofern damit eine Behinderung von Einsatzfahrzeugen oder Fahrzeugen des Pannen- und Straßendienstes verbunden ist.“

Die Strafdrohung sieht Geldstrafen von 72 Euro bis 2.180 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen vor.

Probleme von Anfang an

Um Einsatzfahrzeugen den Weg zu Unfallstellen freizumachen, wurde mit 1. Jänner 2012 die Pflicht eingeführt, Rettungsgassen auf Autobahnen und Schnellstraßen zu bilden - mehr dazu in Rettungsgasse ab 1. Jänner Pflicht (wien.ORF.at; 6.11.2011)

Probleme mit der Rettungsgasse auf Österreichs Autobahnen gibt es seit der Einführung. Bereits eine erste Bilanz nach wenigen Wochen war wenig erfreulich. Aber auch fünf Monate nach der Einführung gab es laut Rettungsorganisationen in Wien noch Probleme - mehr dazu in Weiter Probleme mit Rettungsgasse (wien.ORF.at; 31.5.2012)

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