Gebärdensprache für alle

Zum 100-jährigen Bestehen fordert die Präsidentin des Gehörlosenbunds, die Gebärdensprache in den Schullehrplan aufzunehmen. Beim morgigen Festakt werden außerdem die Politikerinnen Prammer und Glawischnig ausgezeichnet.

Gebärdesprache, ihre Grammatik und Syntax, müsse wie Turnen, Englisch oder Mathematik unterrichtet werden. Das forderte Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbunds (ÖGLB) bei der Pressekonferenz anlässlich des 100-jährigen Bestehens des ÖGLB.

Gebärdensprache als Muttersprache

„Gehörlose Kinder in Österreich haben immer noch nicht das Recht, in ihrer Muttersprache unterrichtet zu werden“, kritisierte sie. Deshalb brauche es verpflichtende Gebärdensprache-Kompetenz für Lehrer, bilingualen Unterricht in Laut- und Gebärdensprache und ausreichend zur Verfügung stehende Dolmetscher.

Erster Flashmob in österreichischer Gebärdensprache

ServiceCenter ÖGS.barrierefrei

Flashmob für Gebärdensprache im Jahr 2011

Den Inklusionsfahrplan des Unterrichtsministeriums, basierend auf der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, „hat bis jetzt sein Ziel klar verpasst“, sagte Jarmer. Zwar steht die Anerkennung der Österreichischen Gebärdesprache seit 2005 in der Verfassung, sie sei allerdings „totes Recht“. Es fehle vor allem an Lehrern mit ausreichender Kompetenz in Gebärdensprache und inklusiver Bildung. Derzeit müssten Lehrer nicht einmal eine Prüfung in Gebärdensprache absolvieren.

Zweiter österreichischer Bildungskongress

„Bildung braucht beide Sprachen, Kinder müssen selbst entscheiden dürfen, wann sie welche einsetzen“, erklärte die ÖGLB-Präsidentin. Oft werde für gehörlose Kinder automatisch der Lehrplan reduziert, am Ende erhalten sie nur ein Sonderschulzeugnis. „Und das entspricht sicher nicht ihrem Niveau“, sagte Jarmer. Aber nicht die Lehrer seien das Problem, sondern das System selbst. Mit dem zweiten Bildungskongress, der am Freitag und Samstag unter dem Motto „Gebärdensprache macht stark“ stattfindet, wolle man erneut auf diese Problematik hinweisen.

Gebärde mit zwei Händen

ServiceCenter ÖGS.barrierefrei

Forderung: Gebärdensprache für alle

Auch die Situation in Deutschland sieht ähnlich aus, sagte Rudolf Sailer, Präsident des Deutschen Gehörlosenbunds. „Viel passiert nur alibimäßig, hinter den Kulissen sieht es ganz anders aus.“ Gehörlose hätten genauso wie jeder andere das Recht auf Zugang zu Bildung, betonte er.

Unterstützung aus Deutschland und der Schweiz

Dem stimmte auch Roland Hermann, Präsident des Schweizer Gehörlosenbundes, zu. „Es ist immer eine Frage des Geldes - und da darf man einfach nicht aufs Geld schauen.“ Sie unterstützen geschlossen Jarmers Forderung nach bilingualem Unterricht und zur Verfügung gestellten Dolmetschern.

Das 100-Jahre-Jubiläum des ÖGLB wird am Samstag mit einem Festakt im Rathaus gefeiert. Dabei werden vier Personen mit dem türkisen Ribbon für ihre Verdienste um Gebärdensprache und Gehörlosenkultur ausgezeichnet. Mit Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) und der Grünen-Klubobfrau Eva Glawischnig stehen zwei der Preisträger schon fest. Die beiden weiteren werden morgen überraschend bekannt gegeben. Das Türkise Ribbon überreicht der ÖGLB seit 2005.

Links: