David Schalko: „Ich bin ein Knoi!“

„Braunschlag“-Regisseur David Schalko hat seinen dritten Roman mit dem Fantasienamen „Knoi“ geschrieben. Im Interview erzählt er, was sein Buch mit „Shades of Grey“ gemeinsam hat und warum er über seine neue TV-Serie nicht sprechen möchte.

Jakob liebt Rita und hat mit Jennifer ein Verhältnis. Jennifer ist nach einem Unfall gelähmt und an den Rollstuhl gefesselt. Rita liebt Jakob, ist aber mit Lutz zusammen, der ebenfalls ein Verhältnis mit Jennifer beginnt. Nachdem er sie betäubt, um mit ihr zu schlafen, wacht sie nicht mehr auf. Soweit zum Inhalt von David Schalkos neuem Roman „Knoi“.

Die Geschichte wird als abgründig und zugleich komisches Kammerspiel bezeichnet, in dem jeder jeden täuscht. Nur ein fantasiebegabtes Kind sieht in den Menschen das, was sie sind. Lutz ist eben ein „Waks“ und Jakob ein „Knoi“. Im Gespräch mit wien.ORF.at erzählt Schalko über Fantasie, Sehnsüchte und Obsessionen sowie darüber, warum er Lesungen in puncto Bühnenpräsenz gerade noch okay findet, mehr für ihn aber nicht vorstellbar ist.

wien.ORF.at: Als „Knoi“ wird ein freundliches Wesen bezeichnet, das selten Initiative zeigt, undeutlich spricht und stets von einer Müdigkeit geplagt wird. Sind Sie selbst ein „Knoi?“

David Schalko: Zumindest mehr als eine Waks oder eine Zonz. Es ist ja kein autobiografisches Buch, aber wenn ich von den Typen, die da beschrieben sind einer bin, dann am ehesten ein Knoi.

wien.ORF.at: Warum verhalten sich in Ihren Werken Erwachsene oft wie Kinder?

Schalko: Es gibt bei mir oft die Sehnsucht von Erwachsenen, wieder Kind sein zu wollen. Das sind dann oft so bizarr poetische Züge, wie in „Braunschlag“ der Hasenklub, oder in der „Weißen Nacht“, wo sich die als Löwen verkleiden. Ich glaube, dass es eher so eine Sehnsucht nach einer gewissen Unschuld ist oder nach solchen Dingen, die auch in Erwachsenen oft drinnen sitzen.

David Schalko

ORF/ Florian Kobler

David Schalko steht nicht gern im Rampenlicht

wien.ORF.at: Warum haben Sie diesen Roman geschrieben?

Schalko: Nach zwei Jahren „Braunschlag“ war die Sehnsucht groß, wieder allein ein Buch zu schreiben und sich zwei Jahre mit so was zu beschäftigen. Die Idee zu diesem Roman hatte ich schon länger im Kopf. Eigentlich war die Sprache im Roman das, was mich am meisten interessiert hat.

wien.ORF.at: Sie haben einmal gesagt: „Bücher sind ja auch dazu da, dass man nicht zum Mörder wird.“ Ist das bei Ihnen so?

Schalko: Ja, ich hab aber einen viel schöneren Satz über Literatur in einem Buch von Fernando Pessoa gelesen. Er hat gesagt, dass Literatur die angenehmste Art ist, das Leben zu ignorieren. Das finde ich besser.

wien.ORF.at: Nach Ihrem letzten Roman hat Sie Stefan Petzner (BZÖ) (vergeblich) verklagt, weil Sie ihn als Vorlage für eine Figur genommen haben. Besteht eine ähnliche Gefahr bei „Knoi?“

Schalko: Also ich wüsste jetzt nicht, wer mich klagen sollte. Vielleicht jemand, der sich als Knoi bezeichnet. Nein, ich glaube es ist kein Buch, wo man geklagt wird. Es ist auch kein Skandalbuch. Wenn man jetzt will, dass sich das Buch verkauft, könnte man sagen, es ist eine intellektuelle Form von „Shades of Grey“, aber das ist es auch nicht wirklich.

Knoi, David Schalko, Buchcover

Jung und Jung

Buchhinweis

David Schalko: Knoi. Jung und Jung, 272 Seiten, 22 Euro

wien.ORF.at: Inwieweit ist „Knoi“ ein Liebesroman?

Schalko: Die Protagonisten ringen alle um ihre Liebesfähigkeit. Bei der Liebe geht es in erster Linie für mich darum, ob man lieben kann und nicht, ob man geliebt wird. Alle Protagonisten sind eigentlich auf der Suche nach ihrer Liebe. Sie verwechseln Liebe oft mit Obsessionen oder Sehnsüchten oder mit irgendwelchen Egoismen. Das ist eigentlich das Thema des Buches.

wien.ORF.at: Ein Protagonist im Buch betäubt eine Frau, die gelähmt ist, um mit ihr zu schlafen. Wie kommt man als Autor auf solche Ideen?

Schalko: Das ist aus der Figur heraus entstanden. Da es in diesem Handlungsstrang sehr darum geht, dass Liebe mit sexueller Obsession verwechselt wird oder kompensiert wird. Diese Obsession ist ja eigentlich eine Gegenständliche, wo jemand die Leute betäubt und sie dann eigentlich wie Gegenstände behandelt.

Es geht um die Grenze zwischen tot und lebendig sein und um Puppenhaftigkeit. Und das passt auch zu dem Buch, weil es sich auch in einem Zwischenstadium befindet zwischen Bewusstsein und Unbewusstsein. Was ist Fantasie und was ist Realität, wann ist man bei sich und wann nicht?

wien.ORF.at: Eine Figur im Buch behauptet, dass Psychotherapeuten selbst den größten Schaden hätten. Wie sehen Sie das als Autor dieser Zeilen?

Schalko: Na gut, da ist eine sehr spezielle Psychotherapeutin am Werken, die ihre Patienten auch als sexuelle Objekte benutzt und eigentlich den größten Schaden von allen hat. Und das sagt ja eine Figur, nicht der Erzähler, dass die Psychotherapeuten oft nur deswegen Psychologie studieren, damit sie sich selbst heilen können. Wird schon was Wahres dran sein, stimmt aber sicher nicht für alle Psychotherapeuten, glaub ich. Es werden auch nicht Leute Chirurgen, um sich selbst zu operieren.

wien.ORF.at: Sie haben einmal gesagt, dass „Knoi“ eher ein Frauenbuch ist. Warum?

Schalko: Das sag ich immer, weil 80 Prozent der Leute, die Bücher kaufen, Frauen sind. Ich glaube, dass es von der Sprache und von der Poesie her eher ein Frauenbuch ist. Von der Thematik her tendenziell ein Männerbuch, weil eher Männer zu dieser Art von Sexualität neigen. Aber das ist ja auch nicht das einzige Thema in diesem Buch. Also ich glaub, dass diese Art, dass die Dinge nicht direkt angesprochen werden, so indirekt und deutungsmäßig, dass das eher meiner Erfahrung nach Frauen entspricht.

David Schalko

Der 40-jährige Filme- und Fernsehmacher zeichnet für TV-Formate wie „Sendung ohne Namen“ und "Willkommen Österreich“ sowie als Regisseur für TV-Produktionen wie "Aufschneider“ und "Braunschlag“ verantwortlich. „Knoi“ ist nach "Frühstück in Helsinki“ (2006) und "Weiße Nacht“ (2009) sein dritter Roman.

wien.ORF.at: Sie lesen am 22. August beim O-Töne-Festival im MuseumsQuartier. Gefallen Ihnen Lesungen?

Schalko: Lesungen sind ja immer am interessantesten für denjenigen, der vorliest. Aber ich schau, dass ich nicht allzu viele Lesungen mache, sodass man nie das Gefühl bekommt, dass es jetzt ein Fließbandprozess wird, sondern was Spezielles bleibt. Es ist natürlich schön, wenn man vorliest und direkt jemanden hat, der das hört, was man geschrieben hat. Und wenn man nicht vor zehn Leuten liest, sondern vor mehr, ist es tendenziell noch schöner. Insofern ist es bei O-Töne natürlich super, weil es auch im Freien ist und auch ein super Publikum hat.

wien.ORF.at: Haben Lesungen einen Reiz für Sie, weil Sie bei anderen Projekten wie „Braunschlag“ stets der „Mann im Hintergrund“ sind?

Schalko: Ja, aber Lesungen haben den wunderbaren Vorteil, dass man nicht spielen muss und sich wunderbar hinter seinem eigenen Text verstecken kann und den ja mehr oder weniger vorliest. Dadurch empfinde ich das gar nicht so als Bühnenschaffen, sondern das ist so etwas wie die minimalistischte Form der Bühnenpräsenz. Weil man sitzt auf einem Tisch, liest aus seinem Text vor und es wird auch nichts anderes von einem erwartet. Das ist so das Verträglichste, was ich mir gerade noch vorstellen kann. Mehr wird da schon schwierig.

wien.ORF.at: Sie tanzen beruflich auf zehn Hochzeiten. Wird man da als Autor ernst genommen?

Schalko: Das ist oft das Thema, dass sich wer denkt, jetzt muss der, der Film oder Fernsehen macht, auch noch Romane schreiben. Obwohl ich eigentlich von dort komme. Für mich stellt sich eher die Frage, muss ich jetzt auch noch Fernsehen machen? Da ist man halt etablierter. Aber ich glaube, dass dieses Schubladendenken schon lange nicht mehr stimmt.

Es gibt genug Beispiele aus der Literatur und aus dem Film, wo Leute beides gemacht haben. Und eigentlich geht es immer nur ums Schreiben. Regie mache ich in erster Linie, um meinen Text zu beschützen. Aber klar, die Frage gibt es immer, weil sich die Leute einfach denken, die besten Romane werden von denen geschrieben, die ausschließlich Romane schreiben. Das glaube ich nicht.

wien.ORF.at: Sie haben von Gedichten bis zur Sexkolumne alles geschrieben. Welche Texte schreiben Sie am liebsten?

Schalko: Sexkolumnen habe ich vor zwanzig Jahren geschrieben, um Miete bezahlen zu können. Am liebsten ist mir die Abwechslung zwischen Drehbuch- und Romanschreiben. Drehbuchschreiben alleine wäre mir zu wenig im Sinn von Literatur, weil es sich doch ein bisschen als Gebrauchsanweisung für einen Film versteht und ohne denjenigen, der es spielt oder die Abbildung dessen, so etwas wie ein gehandicaptes Stück Literatur ist, dem etwas fehlt.

wien.ORF.at: Nächstes Jahr soll eine neue Fernsehserie mit dem Titel „Altes Geld“ von Ihnen produziert werden. Bisher ist nur bekannt, dass es um einen Milliardär geht, der auf der Suche nach einer Spenderleber ist. Darf man schon mehr darüber sagen?

Schalko: Man kann sagen, dass der Gert Voss mitspielt. Das ist ja schon durchgedrungen. Aber sonst will ich eigentlich noch nichts darüber sagen. Das liegt einfach daran, dass ich noch mitten im Schreiben bin und nicht einmal die Hälfte geschrieben habe. Außerdem bin ich da abergläubisch. Man soll nicht über Sachen reden, während man sie noch tut.

wien.ORF.at: Schreiben Sie bereits an einem neuen Roman?

Schalko: Nein, es gibt eine Idee, aber ich komme frühestens nächstes Jahr dazu zu beginnen. Jetzt schreib ich mal diese neue Serie und dann schauen wir weiter.

Das Gespräch führte Florian Kobler, wien.ORF.at

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