Spitäler: Ab Herbst mit Dolmetschern

Gerade im Spital werden Verständigungsschwierigkeiten oft zum Problem. In einem Pilotversuch wird ab Oktober ein Videodolmetschservice getestet. Dolmetscher sind täglich 16 Stunden per Knopfdruck erreichbar.

In Wien sollen ab 7. Oktober zwei Spitäler des Krankenanstaltenverbundes (Semmelweis-Klinik, Rudolfstiftung) und das St. Anna Kinderspital an dem Pilotversuch teilnehmen. Bei der AUVA werden es das Lorenz-Böhler-Krankenhaus und das Meidlinger Unfallkrankenhaus sein.

Qualität der Kommunikation derzeit mangelhaft

An dem Projekt, das von der Plattform Patientensicherheit, vom Gesundheitsministerium und dem Universitätsinstitut initiiert wurde, wird schon seit vergangenem Jahr gearbeitet.

Projektkoordinatorin Sabine Parrag erläuterte: „In Gesundheitseinrichtungen gibt es die unterschiedlichsten Lösungsversuche für sprachliche Verständigungsprobleme. So holt man in Ambulanzen und Spitälern beispielsweise Beschäftigte mit der jeweiligen Sprache als ‚Dolmetsch‘. Fremdsprachige Patienten werden in Arztordinationen oft von Kindern, Ehepartnern, Verwandten begleitet, die für die Verständigung sorgen sollen.“ Das alles ist zunächst einmal aus Gründen der Privatsphäre problematisch, die Qualität der Kommunikation ist auch nicht garantiert.

Ambulanz Lorenz Böhler Spital

APA/Barbara Gindl

Ambulanzen bekommen Videodolmetsch

Aufklärung bei Heilbehandlung

Die Angelegenheit hat aber auch gesundheitspolitisch und rechtlich eine hohe Brisanz. Das Gesundheitswesen kann sich nicht „ausreden“, dass sozusagen eine „Bringschuld“ für Verständnis bei den Konsumenten läge: Abgesehen von akuten, lebensbedrohlichen Notfällen kann nur ein ausreichend aufgeklärter Patient seine Einwilligung zu einer Heilbehandlung geben.

Dazu die Geschäftsführerin des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin, Maria Kletecka-Pulker, selbst Juristin: „Es können bei durch schlechte Kommunikation aufgetretenen Fehlleistungen in Spitälern, in Arztordinationen oder in Pflegeeinrichtungen auch straf- und/oder privatrechtliche Konsequenzen drohen.“ Abgesehen davon hat in Österreich jeder Mensch - unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht, Religion etc. - Anspruch auf gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen. In Österreich leben derzeit 1,1 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, sie haben jedes Anrecht auf Zugang zum Gesundheitssystem.

Bis zu 14 Dolmetscher in Wien

Im Rahmen des Videodolmetschdienst-Projektes soll jetzt erprobt werden, ob ein externes Übersetzungsservice via Datenleitung etc. durch diplomierte Fachkräfte machbar ist und von Patienten sowie von den beteiligten Spitalsambulanzen, Pflegeeinrichtungen und niedergelassenen Ärzten akzeptiert wird. „Wir werden mit acht bis 14 Dolmetschern, die von einem Büro in Wien aus arbeiten, 16 Stunden am Tag – von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr – ein Service für Türkisch, Bosnisch/Serbisch/Kroatisch und in Gebärdensprache anbieten“, sagte Parrag.

Die Pilotphase des Dolmetschservice von einem halben Jahr wird mit einem eigenen Studienprojekt mit wissenschaftlicher Auswertung begleitet. Parrag erläuterte: „Es wird Fragebögen für alle Beteiligten in Papierform und online geben sowie direkte Befragungen. Wir werden analysieren, welche der Sprachen am häufigsten verlangt sind, wann in den einzelnen beteiligten Institutionen zeitlich der größte Bedarf ist etc.“

System könnte österreichweit eingeführt werden

In Niederösterreich wird der Videodolmetsch in der Notfallaufnahme am LK St. Pölten und der psychiatrische Ambulanz des LK Neunkirchen angeboten - mehr dazu in Mehr Dolmetscher in den Spitälern (noe.ORF.at). In Linz soll es die Notfallambulanz am AKH sein, die PVA will das System in ihrem Rehabzentrum in Felbring in Niederösterreich und bei der Landesbegutachtungsstelle (Pflege) in St. Pölten erproben. Weiters soll das System auch im steirischen KAGES-Krankenhaus in Leoben (Gynäkologie) getestet werden.

„Wir wollen aber auch zehn niedergelassene Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen (Allgemeinmedizin, Pädiatrie, Gynäkologie, Anm.) einbinden“, sagte Parrag. Hier geht es noch um die Finanzierung. Kommt man zu positiven Ergebnissen, könnte das System dann österreichweit angeboten werden. Das würde natürlich auch die Kosten reduzieren.

Langfristig Kosten senken

Ein solches Dolmetschservice könnte aber auch Kosten sparen helfen. Nicht ausreichend zustande kommende Kommunikation zwischen Arzt und Patient im Gesundheitswesen dürfte nämlich auch zu Mehrfachuntersuchungen, Doppelbefunden, fehlender Therapietreue der Kranken und somit zu weiteren Komplikationen führen.

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