Meyer: „Mortier ist nicht seriös“

Pünktlich zum Saisonauftakt hat Gerard Mortier die künstlerische Qualität der Staatsoper als „Katastrophe“ bezeichnet. Direktor Dominique Meyer bezieht im Interview mit wien.ORF.at Stellung und kündigt ab Herbst Livestreams aus der Oper an.

Bis zu 95 Stunden verbringt Direktor Dominique Meyer pro Woche in der Staatsoper. „Nur so könne man dieses Haus mit Leidenschaft führen“, so Meyer. Im Gespräch mit wien.ORF.at erzählt Meyer, dass er noch im Herbst die ersten Opernaufführungen per Internet aus Wien in die Welt streamen möchte, welche Aufgaben die neue Regierung zu lösen hat und warum er die „Operntoilette“ am Karlsplatz furchtbar findet.

wien.ORF.at: Wie verbringt ein Staatsoperndirektor die Ferien? Sind Sie viel gereist?

Dominique Meyer: Ja, ziemlich viel. Zuerst war das Staatsballett drei Wochen in Paris mit drei verschiedenen Programmen. Natürlich war ich dort am Anfang, zwischendurch und am Ende für die letzte Vorstellung. Ich war in Zürich, in St. Petersburg, in Florenz, in Bayreuth, in Salzburg. Da ist natürlich viel los im Sommer.

wien.ORF.at: Was haben Sie mitgenommen und wie steht die Wiener Staatsoper im internationalen Vergleich da?

Meyer: Die Staatsoper steht wie immer in der ersten Reihe. Man empfängt die Staatsoper immer mit viel Respekt. Man sieht, dass die internationale Ausstrahlung der Staatsoper groß ist. Wir sind gefragt für Gastspiele. Wir könnten jede Woche reisen, wenn wir die Kapazitäten hätten. Sowohl mit dem Ballett also auch mit der Oper. Die Spielzeit beginnt ja zuerst mit einem Gastspiel. Wir fahren nächste Woche nach Hamburg und spielen dort eine konzertante Aufführung von „Le nozze di Figaro“.

Dominique Meyer

ORF/ Florian Kobler

Dominique Meyer in seinem Büro: „Die Kaffeemaschine ist sehr wichtig.“

wien.ORF.at: Die Saison startet kommende Woche. Was sind die Highlights?

Meyer: Das Highlight ist, dass wir nach wie vor 300 Vorstellungen spielen mit großem Repertoire. Seit ein paar Jahren spielen wir mehr Stücke aus dem 20. Jahrhundert. Der Leos-Janacek-Zyklus geht weiter, natürlich spielen wir auch Stücke, die man noch nie an der Staatsoper gespielt hat. Es ist eine gute Mischung zwischen Klassik und Raritäten.

Im Herbst gibt es natürlich viel Verdi, weil die Opernliebhaber auf den Verdi-Geburtstag eingestellt sind. Es gibt auch neue Produktionen wie Antonin Dvoraks „Rusalka“, das ist eine Oper, die man hier schon lange nicht mehr gespielt hat. Oder „Das schlaue Füchslein“ von Janacek, eine neue Zauberflöte, einen neuen Lohengrin, „Adriana Lecouvreur“ und jetzt zum Start eine neue Produktion von „La fanciulla del West“ mit Jonas Kaufmann. Das verspricht vieles.

wien.ORF.at: Der ehemalige Salzburger Intendant der Salzburger Festspiele Gerard Mortier hat kürzlich gesagt, dass das Programm der Staatsoper eine Katastrophe sei - mehr dazu in Mortier gibt Philharmonikern Saures (salzburg.ORF.at; 27.08.13)

Meyer: Er ist Spezialist für solche Deklarationen. Ich lasse ihm diese Spezialität. Er ist wütend, weil wir einmal eine Koproduktion nicht gemacht haben, die geplant war. Jetzt gebraucht er jede Möglichkeit, um schlecht über mich und die Staatsoper zu sprechen. Das ist nicht seriös.

wien.ORF.at: Es wurden Internet-Streamings aus der Staatsoper angekündigt. Was bringt die Zukunft?

Meyer: Wir haben ein großes Projekt, das wir bald bei einer großen Pressekonferenz veröffentlichen. Wir werden ein großes Streaming-Projekt mit wichtigen Partnern machen. Und ich freue mich, weil das ein Mittel ist, wie wir unsere Produktionen weltweit ausstrahlen können und jeder der Lust hat, eine Vorstellung aus der Staatsoper genießen kann. Wir werden eine sehr hohe Bild- und Tonqualität haben und ich glaube, dass das eine sehr wichtige Neuerung ist. Das startet im Herbst 2013.

wien.ORF.at: Welche Neuerungen gibt es auf der Homepage?

Meyer: Die Geschichte der Staatsoper nach 1955 ist schon online und jetzt gehen wir weiter. Das ist eine riesige Arbeit. Man wird seit der Eröffnung 1869 von jedem Tag alle Programme, Sänger und Rollen nachlesen können. Jetzt kann man das schon seit der Wiedereröffnung der Staatsoper im Jahr 1955 machen. Das ist schön für Wissenschaftler und Opernliebhaber. Wir gehen jetzt Stückweise weiter in die Vergangenheit.

wien.ORF.at: Wie wird die neue Staatsopern-App angenommen?

Meyer: Es wird genützt. Unsere Facebook-Seite funktioniert auch sehr gut. Wir haben jeden Tag viele Klicks. Wir wollen unsere Zuschauer nicht überfordern. Wir schicken jede Woche vier bis fünf Nachrichten. Mehr will ich auch nicht und es ist auch nicht nötig, dass man dauernd nicht so wichtige Informationen liefert. Wir sprechen, wenn wir was zu sagen haben.

wien.ORF.at: Im September ist die Wahl. Erwarten Sie das Ergebnis mit Spannung?

Meyer: Ich bin seit drei Jahren hier. Ich bin von Wien adoptiert. Über Politik spreche ich nie.

wien.ORF.at: Die finanzielle Lage der Staatsoper ist trotz 99-Prozent-Auslastung nicht optimal. Wird die Politik hier keine Rolle spielen?

Meyer: Natürlich ist es problematisch. Weil wir seit der Ausgliederung 1999 die gleiche Subvention bekommen und die Inflation ungefähr 15 Millionen geschluckt hat. Das sind 30 Prozent der Subvention. Ich hoffe, dass wir mit der neuen Regierung eine Lösung finden werden. Das ist nötig.

wien.ORF.at: Sie möchten mehr in den Bundesländern spielen. Wird dieser Wunsch erfüllt?

Meyer: Ja, wir gehen nach Graz. Wir haben mehrere Projekte in den Bundesländern. Ich finde es normal, denn eigentlich sind die Steuerzahler aus ganz Österreich und nicht nur aus Wien. Ich hoffe, dass das mehr wird. Das können wir nicht allein entscheiden.

wien.ORF.at: Sie wollen das Kinderzelt auf der Terrasse künftig nicht mehr benützen. Gibt es schon einen neuen Raum?

Meyer: Ja, es gibt zwei Projekte. Natürlich ist das Zelt eine tolle Notlösung. Aber es ist nach wie vor eine Notlösung. Es ist warm im Sommer, es ist kalt im Winter. Es ist nicht so einfach da oben. Es stört auch die Sicht auf die Fassade. Wir haben regelmäßig Diskussionen mit dem Bundesdenkmalamt und das verstehe ich auch. Ich bin überzeugt, dass wir das bald lösen werden.

wien.ORF.at: Wie stehen Sie zu CD- und DVD-Aufnahmen?

Zur Person

Dominique Meyer, 1955 im Elsass geboren, war unter anderem Generaldirektor der Pariser Oper und Oper Lausanne sowie Generalintendant des Theatre des Champs-Elysees in Paris. Seit 2010 ist er Direktor der Wiener Staatsoper und Lehrbeauftragter an der Universität Wien.

Meyer: Wir haben aktuell den „Ring der Nibelungen“ unter Thielemann und die aktuelle „Arabella“-Produktion unter Welser-Möst auf DVD veröffentlicht. Es erscheint jetzt der neue Nussknacker und im Herbst kommt eine tolle Archivaufnahme von „Don Carlo“ unter der Leitung von Karajan. Also wir mischen Neuigkeiten und Archivaufnahmen. Ich glaube, es ist eine Freude für viele Musikliebhaber, das zu bekommen. Es hilft auch, dass die Wiener Staatsoper eine Ausstrahlung im In- und Ausland hat.

wien.ORF.at: Welche Musik hören Sie privat?

Meyer: Ich höre viele verschiedene Sachen. Gestern hab ich mir eine große CD-Sammlung von Günter Wand gekauft. Es gibt darin drei verschiedene Aufnahmen von der 8. Symphonie von Anton Bruckner. Da bin ich zuhause.

wien.ORF.at: Auf welchen Tonträgern hören Sie Musik?

Meyer: Schallplatte nicht mehr, aber dafür am iPod, davon hab ich mehrere. Ich habe auch Computer, die voll mit Musik sind und CDs überall. Das begleitet mich seit Jahren.

wien.ORF.at: Sie haben einen mehr als 40-Stunden-Job. Wie geht sich da zum Beispiel Unterricht an der Universität noch aus?

Meyer: Das mache ich gerne, weil ich denke, dass es irgendwie auch eine Verpflichtung ist. Weil wenn wir Fachleute das nicht machen, wer soll das tun? Hier im Haus verbringe ich zwischen 90 und 95 Stunden pro Woche. Aber das ist keine Belastung, weil wenn man die Sachen mit Leidenschaft macht, ist alles leicht.

wien.ORF.at: Ihr Vertrag wurde bis 2020 verlängert. Bleiben Sie danach auch noch, wenn es möglich ist?

Meyer: Ich habe nie Pläne für mein Leben gemacht. Wir machen jetzt fleißig unsere Spielzeit 2013/2014 und planen die Saison 2017/2018 und alles ist in Ordnung.

wien.ORF.at: Ihre Vorgänger haben Biografien gemacht. Können Sie sich das auch vorstellen?

Meyer: Ja, vielleicht wird das geschehen. Vielleicht nicht. Das ist alles nicht so wichtig.

wien.ORF.at: Wie stehen Sie als Operndirektor zur „Operntoilette“, die sich in der Karlsplatz-Passage befindet?

Meyer: Furchtbar. Es stört mich und auch unsere Besucher. Wenn man aus einer Opernvorstellung kommt, will man nicht unbedingt gezwungen sein, andere Musik zu hören. Und überhaupt finde ich es unangenehm, wenn ständig und überall Musik gespielt wird, beispielsweise im Restaurant oder im Kaufhaus.

Das Interview führte Florian Kobler, wien.ORF.at

Link: