Jubel und Ernüchterung in Wien

Unterschiedlich sind die Reaktionen zur Nationalratswahl ausgefallen. Heinz-Christian Strache sprach von einem „großen Schritt vorwärts“, für die Grünen haben die Verluste in Wien nichts mit der Mariahilfer Straße zu tun, die NEOS feierten.

Der Wiener FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache freute sich über den „unglaublich großen Schritt vorwärts“ für seine Partei bei der Nationalratswahl. Dass die Freiheitlichen vorerst nicht das erhoffte „blaue Wunder“ erlebt und die ÖVP überholt haben, stört ihn nicht. Während sich die Koalitionsparteien in einer „Abwärtsspirale“ bewegen würden, befinde sich die FPÖ in einer „Aufwärtsspirale“, meinte Strache.

Strache mit Victory-Zeichen

APA/Fohringer

Strache ließ sich feiern

„Koalitionsangebot“ von Strache an die SPÖ

Ob die FPÖ nun in eine Regierung soll oder nicht, beantwortete Strache nicht direkt. Die Rolle der Opposition sei in einer Demokratie ebenso wichtig. „Das ist jetzt ein Auftrag, das ist eine Verantwortung, die man übernimmt“, kommentierte er das Votum für seine Partei allgemein.

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Im ORF-Interview machte Strache dann aber ein indirektes Angebot an die SPÖ. Faymann müsse jetzt mit allen Parteien Gespräche führen. Die SPÖ dürfe nicht den gleichen Fehler wie in Wien machen und den Wahlgewinner ignorieren, so Strache. Sollte etwa die SPÖ wider Erwarten Koalitionsverhandlungen aufnehmen wollen, nannte der FPÖ-Obmann vorrangig die Einführung der „direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild“ als Bedingung.

Die Mariahilfer Straße sei ein Beispiel dafür, wie in Wien autoritär über die Bevölkerung „drübergefahren“ werde, sagte FPÖ-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache im Interview mit ORF-Wien-Chefredakteur Paul Tesarek. Er sei sich sicher, dass dies als Stimmungsbild bei den Wahlentscheidungen eine Rolle gespielt habe.

Grüne: Mariahilfer Straße kein Thema

Die Spitzenkandidatin der Wiener Grünen, Eva Glawischnig, schwörte ihre Partei auf die Fortsetzung des Oppositionskurses ein. „Wir werden weitermachen müssen als gute Oppositionspartei. Das können wir und das werden wir.“ Es sei zu befürchten, dass die rot-schwarze Bundesregierung weiter mache wie bisher. Fehler im Wahlkampf wollte sie keine erkennen und auch die Konflikte in Wien rund um die neue Mariahilfer Straße hätten den Grünen nicht geschadet, zeigte sie sich überzeugt.

„Ich glaube, wir können den Mythos, dass die Mariahilfer Straße hätte irgendwie das Wahlergebnis beeinflusst, endgültig zu Grabe tragen. Im 6. Bezirk sind die Grünen stimmenstärkste Partei mit Zuwächsen (...) Wir sehen, dass das nicht irgendetwas mit dem Wahlergebnis zu tun hatte“, sagte die Grüne Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou in „Wien heute“.

Glawischnig

APA/Pfarrhofer

Eva Glawischnig konnte jubeln

„Wir haben uns mehr erhofft“, sagt der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, im Interview mit „Wien heute“. Das Ergebnis sei aber trotzdem das „beste grüne Ergebnis der Geschichte bei Nationalratswahlen.“ Dafür müsse man den Wählern dankbar sein, sagte Steinhauser.

Die Auseinandersetzung um die neue Mariahilfer Straße habe keine Auswirkungen gehabt, sagte auch Steinhauser. Man sei in den betroffenen Bezirken Mariahilf und Neubau die stimmenstärkste. Die Parteien, die das Thema im Wahlkampf „instrumentalisiert“ hätten, hätten damit nicht gepunktet, sagte Steinhauser und meinte damit die ÖVP und die FPÖ. Die ÖVP sei abgestraft worden, die FPÖ habe in Wien nur marginal zugelegt, sagte Steinhauser.

ÖVP-Jank: „Haben mehr erwartet“

Die Spitzenkandidatin der Wiener ÖVP, Brigitte Jank, musste Verluste von einem ohnehin schon schwachen Ergebnis in Wien verdauen. „Wir haben mehr erwartet, sind aber mit dem Ergebnis gut bedient“, sagte sie im Interview in „Wien heute“.

Die ÖVP setzte in Wien mit der Spitzenkandidatin Jank, die auch Präsidentin der Wirtschaftskammer ist, auf das Wirtschaftsthema. Es sei der Partei in Wien aber nicht gelungen, den Leute klarzumachen, dass "Wirtschaft nicht nur aus den Wirtschaftstreibenden, sondern auch aus den Mitarbeitern besteht. Außerdem seien die letzten Jahre eine wirtschaftlich schwierige Zeit gewesen.

Jank wollte am Sonntagabend keine Koalitionsansage machen, es sei wichtig, „ein gemeinsames Programm“ zu arbeiten, dass „die richtigen Schwerpunkte setzt“. Ihr sei dabei vor allem das Thema Bildung wichtig. Es werde in der ÖVP jetzt auch keine Obmanndebatte geben, auch wenn das der Partei immer nachgesagt werde und es Michael Spindelegger nicht gelungen sei, sein Ziel, nämlich Kanzler zu werden, zu erreichen.

Jank

ORF

Brigitte Jank

„Große Wahlsieger sehen anders aus“, ergänzte der Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka. Es gebe in Wien ein Überangebot im bürgerlichen Lager. „Man muss Konsequenzen ziehen. Auf Bundesebene hat man der großen Koalition keinen großen Reformeifer zugetraut“, analysierte Juraczka. Man müsse auf Bundesebene die große Brocken anpacken, sagte Juraczka, und sprach die Verwaltungsreform und die Bildung an. Er schloss Koalition mit der FPÖ nicht aus. „Es kommt auf die Inhalte an, wenn ich mir da die Positionen der FPÖ in Europa anschaue, wird es schwierig.“

Team Stronach: Frischer Wind fürs Parlament

Von einem „großartigen Erfolg“ sprach die Wiener Spitzenkandidatin des Team Stronach, Jessi Lintl. Man dürfe nicht auf Meinungsumfragen vertrauen, was zähle, sei die Stimme des Wählers. Über Koalitionen wollte sie im „Wien heute“-Interview nicht sprechen, das Team Stronach sei froh über den Einzug in den Nationalrat und darüber, „dort frischen Wind“ hineinzubringen. Über Koalitionen sollen höhere Gremien entscheiden, wenn das endgültige Ergebnis vorliegt. Sie sei überzeugt davon, dass Frank Stronach ein Mandat im Nationalrat persönlich übernehmen werde.

Beate Meinl-Reisinger vor einem Plakat der NEOS

APA/Oczeret

Beate Meinl-Reisinger

NEOS: „Wir schreiben Geschichte“

Sollte die Mandatsmehrheit der Großen Koalition nicht halten, stünden die NEOS für mögliche Gespräche über eine Regierungsbeteiligung ihrer Partei bereit, sagte die Wien-Chefin der NEOS, Beate Meinl-Reisinger. Man habe NEOS nicht nur im Hinblick auf eine „starke Opposition“ ins Leben gerufen, auch bei einer Regierungsbeteiligung könne man etwas weiter bringen.

Der Einzug ins Parlament sei jedenfalls Grund für eine „unglaubliche Freude“, so Meinl-Reisinger. „Es ist ja sensationell, was wir in den letzten zehn Monaten auf die Beine gestellt haben. Wir schreiben Geschichte.“ Gleichzeitig werde man mit dem „Vertrauensvorschuss“ der Wähler aber demütig umgehen.

BZÖ: „Nicht das Ende“

Der Spitzenkandidat des BZÖ in Wien, Michael Tscharnutter hoffte bis zuletzt darauf, dass seiner Partei der Einzug in den Nationalrat noch gelingt. „Das Ergebnis ist nicht so ausgefallen, wie wir uns das vorgestellt haben“, sagte Tscharnutter. Das Ergebnis sei aber nicht das Ende des BZÖ. Man werde in den Gremien beraten, wie es jetzt weitergehen kann. Als Beispiel nannte er das Liberale Forum, dass ohne Beteiligung im Nationalrat auch weiterexistiert hat.