„Landtmann“: Jubiläum voller Skurrilitäten

Eine Stalinorgel auf der Sommerterrasse, das Kellergewölbe als Backstube und ein Nachbau in Tokio: In knapp eineinhalb Jahrhunderten kommen einige Skurrilitäten zusammen. Das Cafe Landtmann feiert dieser Tage sein 140-jähriges Jubiläum.

Den Namen hat die weit über die Bundeshauptstadt bekannte Institution von dessen Gründer Franz Landtmann, der das Lokal einige Jahre nach Fertigstellung der Ringstraße aufsperrte und laut Eröffnungsanzeige ins „größte Kaffeehaus der Residenz vis-a-vis dem Rathauspark mit gefälliger, solider und überraschend eleganter Ausstattung zur Verabreichung nur ausgezeichneter Getränke bei promptester Bedienung“ lud. Gelegen zwischen Großbaustellen - am angrenzenden Burgtheater sowie am gegenüberliegenden Rathaus wurde noch fleißig gewerkt - geriet das Cafe bald in finanzielle Schwierigkeiten und wechselte bereits 1881 erstmals die Besitzer.

Trinkgelage in der Besatzungszeit

Es folgten turbulente Jahrzehnte, u.a. geprägt durch Rohstoffknappheit und Lebensmittelrationierungen als Folgen des Ersten Weltkriegs, erinnert Hausherr Berndt Querfeld. 1926 übernahm die Familie Zauner das Landtmann, krempelte das Interieur radikal um und erweiterte das Lokal um eine Sommerterrasse Richtung Burgtheater. „Unsere Einrichtung stammt zu 99 Prozent aus dieser Zeit“, so Querfeld.

Cafe Landtmann

APA/Neubauer

Besonders die Jahre nach der Nazi-Herrschaft dürften einigermaßen aufregend und chaotisch verlaufen sein. „Im großen Saal gab es eine Volksküche und angeblich wurde auf der Terrasse eine Stalinorgel aufgestellt“, so Querfeld. Denn der City-Abschnitt, in dem das Landtmann liegt, war russische Besatzungszone und das Cafe äußerst beliebt - Trinkgelage inklusive.

„Mohnkipferl waren uns zu wenig“

Berndt Querfelds inzwischen verstorbener Vater Herbert - zuvor als Elektrohändler tätig - übernahm das Kaffeehaus schließlich 1976. Das sei eigentlich die Zeit des großen Kaffeehaussterbens gewesen, verwies der Sohn heute auf den Vormarsch der Espressomaschinen. Auch das Landtmann habe als tot gegolten.

Um die Übernahme durch eine Bank oder ein Autohaus zu verhindern, wurde das Tisch- und Stuhlensemble unter Denkmalschutz gestellt. Die Querfelds renovierten das Cafe mehrere Jahre lang. „Das hat viele Millionen Schilling gekostet“, so Anita Querfeld, die Mutter des heutigen Chefs.

Die Karte wurde ebenfalls erweitert. „Nussbeugel und Mohnkipferl waren uns zu wenig“, deshalb habe man unter Konditoranleitung bald eine Backstube im Kellergewölbe eingerichtet. Inzwischen wird das Tortensortiment in einer eigenen 1.300 Quadratmeter großen Patisserie in Alt-Erlaa gebacken.

Cafe Landtmann

APA/Neubauer

Nachbau in Tokio

Räumlich kamen im Jahr 2007 der Wintergarten - ein Glas-Stahl-Zubau - sowie im Vorjahr die „Bel-Etage“ genannten Veranstaltungsräume über dem Cafe hinzu. Das gesamte Kaffeehaus ist übrigens seit geraumer Zeit rauchfrei. Im heurigen Sommer schaffte es das Landtmann wiederholt in die Schlagzeilen, weil man sich entschloss, für einen halben Liter Leitungswasser 2,50 Euro zu verlangen - mehr dazu in Teures Wasser ein „Image-Killer“.

Die Querfelds haben sich inzwischen zu einer wahren Kaffeehausdynastie gemausert. Sie betreiben u.a. die Cafes Mozart, Hofburg und Museum in der Innenstadt, drei Lokale in Schönbrunn, ein Pub sowie einen Tortenshop. Allein im Landtmann bewirtet man rund eine halbe Million Gäste im Jahr und beschäftigt 92 Mitarbeiter. Seit 2009 gibt es übrigens auch einen - vom Querfeld-Clan unabhängigen - Landtmann-Nachbau in Tokio - untergebracht im dritten Stock eines Hochhauses in der Aoyama Street.