Husslein: „AKH geht vor die Hunde“

Wegen einer neuen Betriebsvereinbarung zu den Ärzte-Dienstzeiten an der MedUni Wien kommt es zu Engpässen bei der Patientenversorgung im AKH. Für Peter Husslein von der Universitäts-Frauenklinik „geht das Spital vor die Hunde“.

Maßgebliche Klinikchefs beklagen einen katastrophalen Personalmangel, der zu längeren Wartezeiten und geringeren Kapazitäten bei der Behandlung führt. „Mir tut es leid, dass dieses wunderbare Spital vor die Hunde geht. (...) Dieses Spital wird heruntergewirtschaftet“, erklärte Peter Husslein, Vorstand der Universitäts-Frauenklinik der MedUni Wien im AKH, gegenüber der APA.

Ein anderer Klinikchef bestätigte die Aussagen Hussleins mit einer immer schlechter werdenden Situation: „Das AKH geht den Bach runter. Die medizinischen Standards sind wegen der neuen Dienstregelungen längst verlassen.“ 15 bis 20 Prozent an Kapazitäten sollen bei den Ärzten fehlen.

Arbeitszeit am Patienten reduziert

Wolfgang Schütz, Rektor der MedUni und damit Arbeitgeber der Ärzte an den Uni-Kliniken, sieht dagegen „keine Gefahr“: „Das höhere Gut sind ausgeruhte Ärzte. Wir hoffen, das jetzige Defizit (an verfügbaren Ärzten; Anm.) wieder ausgleichen zu können“. Der Hintergrund sei eine neue Betriebsvereinbarung auf der Basis des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes. Damit wird die durchgängig mögliche Arbeitszeit eines Arztes am Patienten von ehemals 32 Stunden auf höchstens 25 Stunden reduziert. Dies betrifft die Nachtdienste.

Laut Schütz hätten die Ärzte der Uni-Kliniken im Wiener AKH ehemals bis zu 72 Wochenstunden absolviert. Da wäre mit 32 Stunden Dienst (acht Stunden Tagdienst, 16 Stunden Bereitschaftsdienst/Nachtdienst plus noch einmal acht Stunden Tagdienst) bereits die Frage der Unverantwortbarkeit entstanden.

Die neue Betriebsvereinbarung gilt seit 1. September 2013. Der Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres, ehemals selbst Betriebsrat, bezeichnete die Grundsätze der neuen Vereinbarung als gut – vor allem, weil damit annehmbare Dienstzeitenregelungen verbunden und auch Platz für Forschung sei.

Operationen werden verschoben

Die von allen Betroffenen auch zugegebene Kehrseite ist der offenbare ärztliche Personalmangel an den Wiener Universitätskliniken – vor allem zu den „Stoßzeiten“ am Vormittag. Der Grund: Mit der Betriebsvereinbarung geht jeder Arzt nach einem Nachtdienst und Dienstübergabe aus dem „patientenbezogenen Dienst“. An der Uni-Klinik bzw. an der MedUni Wien soll und kann er dann seine Forschungsarbeit bzw. die Lehre betreiben.

Bisher gab es an den Wiener Universitätskliniken 173 Ärzte im Nachtdienst. Diese Mediziner fehlen am Tag nach dem Nacht-/Bereitschaftsdienst für die Patientenversorgung. Das Beispiel der Wiener Universitäts-Frauenklinik, auch eine der größten Entbindungskliniken: Es gibt jede Nacht neun diensthabende Ärzte. Sie fallen am nächsten Vormittag aus. Die Anästhesie hat laut einem Klinikchef 24 diensthabende Ärzte in der Nacht – und die fehlen dann ebenfalls jeden Tag. So stehen beispielsweise Operationssäle leer, Operationen werden verschoben.

MedUni-Wien-Rektor Schütz hatte am Dienstag eine Aussprache mit mehreren Abteilungsleitern. Man arbeite daran, „das jetzige Defizit wieder auszugleichen". Dies sei bis 1. März kommenden Jahres geplant. Zehn bis 15 Prozent der Nachtdienste sollen eingespart werden, damit wären von den 173 Ärzten im Nachtdienst am nächsten Tag mehr als derzeit zur Verfügung. Zusätzlich wolle man den Ärztestand insgesamt erhöhen: „Wir werden nicht bei eins zu eins zur alten Situation gelangen. Aber ich sehe keine Gefahr.“

Mediziner mit Rahmenbedingungen unzufrieden

Im Hintergrund werden von den kritisch eingestellten Klinikchefs der MedUni Wien auch die gesamten Rahmenbedingungen an der Universität beklagt. An den Universitätskliniken und somit im AKH solle Lehre, Forschung und Spitzenmedizin betrieben werden. Für die Gemeinde Wien ist seien sie eben ein „Allgemeines Krankenhaus“.

In der Mediziner-Ausbildung solle bei mehr Studenten in Kleingruppen gelehrt werden. Die Qualitätszertifizierung des Krankenhauses koste Personal. Und, so ein Abteilungsleiter: „Die Patienten werden anspruchsvoller. Wir haben mehr Patienten, die sich beschweren. Das kostet auch Personal. Dabei wird die Zahl der Stellen reduziert und wir haben die neue Betriebsvereinbarung – noch dazu.“

Peter Husslein zog folgende Bilanz: „Das System zerbröselt. Wir sind vor 25 Jahren in das Neue AKH eingezogen. Es ist einleuchtend, dass man es generalsanieren und Re-Investitionen von 1,5 Milliarden Euro tätigen muss. So kann es nicht weitergehen.“ Statt ein neues „Krankenhaus Nord“ zu bauen, sollte die Gemeinde Wien besser darauf achten, die Universitätskliniken und somit das AKH nicht zu vernachlässigen. Der Gynäkologe: „Es ist jedem in Wien zuzumuten, über die Gürtelbrücke ins AKH zu fahren. Die Patienten in Wien wollen das AKH.“

Ministerium: Mehr finanzielle Mittel

Das Wissenschaftsministerium verwies zur Knappheit beim Ärztepersonal auf die gestiegenen finanziellen Mitteln für die MedUni Wien. „Für die aktuelle Leistungsvereinbarungsperiode (2013 – 2015) stellt das Ministerium der Med-Uni Wien rund 950 Millionen Euro zur Verfügung“, hieß es in einer Aussendung.

An der Medizinischen Universität Wien und dem AKH würden – wie auch das vor kurzem erschienene "Times Higher Education Ranking“ zeige – Lehre und Forschung auf höchstem Niveau betrieben. Dem sei mit dem Budget Rechnung getragen worden. Das Ressort in einer Aussendung zu den 950 Millionen Euro an Aufwendungen: „Das entspricht einer Steigerung von 128 Millionen Euro und einer überdurchschnittlichen Budgetsteigerung von 15,6 Prozent im Vergleich zur Vorperiode (der Durchschnitt der 21 Unis beträgt 13,1 Prozent Budgetsteigerung).“

Die derzeitigen Diskussionen seien an der MedUni Wien selbst zu führen: „Die Betriebsvereinbarung, deren Grundsätze beispielsweise auch vom Wiener Ärztekammerpräsidenten und ehemaligen Betriebsrat Thomas Szekeres befürwortet werden, wurde zwischen dem Rektorat und dem Betriebsrat ausverhandelt und wird folglich auch von diesen beiden Partnern verantwortet.“

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