Kirchen gehen Organisten aus

Wenig Nachwuchs, schlechte Bezahlung, renovierungsbedürftige Instrumente: Der katholischen und evangelischen Kirche in Wien gehen die Organisten aus. Hält dieser Trend an, könnten künftig Computer in den Kirchen vermehrt den Ton angeben.

Organist

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Organisten könnten künftig von Computern ersetzt werden

„Was mir Sorgen macht, ist die Zukunft“, sagte Konstantin Reymaier, Leiter des erzbischöflichen Referates für Kirchenmusik, gegenüber wien.ORF.at. Schon jetzt können die Orgeln in den rund 200 katholischen Wiener Pfarren während der Gottesdienste nur mit Hilfe von externen Organisten - zumeist Musikstudierenden - besetzt werden.

Auch Matthias Krampe, Landeskantor der evangelischen Kirche in Österreich, sieht einen Mangel an Organisten in den rund 22 Wiener Pfarren. „Wir greifen im Notfall auf Klavierstudenten zurück, die sich ein Taschengeld verdienen wollen. Bei Hochzeiten und Taufen kommt außerdem immer öfters der CD-Player zum Einsatz.“ Um für Nachwuchs zu sorgen, bietet die evangelische Kirche über die private Johann-Sebastian-Bach-Musikschule Orgelunterricht in Kirchen an. Derzeit gibt es vier Schüler. „Das ist noch ausbaufähig“, so Krampe.

Keine Nachfrage in Wiener Musikschule

Gründe für den Organistenmangel gibt es viele. Einer liege im fehlenden Ausbildungsangebot der Musikstadt Wien, so Reymaier. Wer in Wien Orgel lernen möchte, kann das nur an einer einzigen Landesmusikschule in Favoriten tun. Zum Vergleich: In Oberösterreich und Niederösterreich bieten die Landesmusikschulen an 39 und 56 Standorten Orgel als Unterrichtsfach an.

Die Leiterin der Musikschule Wien, Swea Hieltscher, erklärt das fehlende Angebot mit der kaum vorhandenen Nachfrage. „Es gibt nur ganz wenige Schüler, die sich vom Klavier auf die Orgel spezialisieren wollen - und die finden bei uns Platz im Unterricht.“

Weitervermittlung von Ersatzorganisten

Am Institut für Orgel, Orgelforschung und Kirchenmusik der Universität für Musik und Darstellende Kunst ging die Zahl der Studierenden in den vergangenen drei Jahren von 42 auf 36 Studierende im Instrumentalfach Orgel und von 27 auf 18 Studierende im Fach Katholische und Evangelische Kirchenmusik zurück.

Fortgeschrittene Musiker können in Wien auch am Konservatorium für Kirchenmusik Orgel studieren. Derzeit zählt man dort 200 Studierende und 400 Absolventen. Pro Sonntag werden im Schnitt acht bis zehn Studierende an Wiener Pfarren als Ersatzorganisten für einen Tarif von rund 20 bis 30 Euro pro Messe weitervermittelt. Zu Weihnachten, Ostern und anderen christlichen Feiertagen ist die Nachfrage seitens der Pfarren weit größer.

Computer ersetzen Organisten

In einer niederösterreichischen Pfarre wurde der Organist bereits durch einen Computer ersetzt, der via Fernbedienung jedes Lied auf der Orgel spielen kann - mehr dazu in Computer orgelt die Sonntagsmesse (noe.ORF.at; 20.5.2013). Für Reymaier wäre das in Wien undenkbar. „Ein Gottesdienst ist eine Sache von lebendigen Menschen, nicht von Automaten.“

Um künftig mehr Organisten für die Pfarren zu gewinnen, denkt Reymaier unter anderem über die Erhöhung der Tarife für Kirchenmusiker nach. „Für 20 Euro einen Gottesdienst zu spielen, ist kein großer Anreiz“, weiß Reymaier. Auch ein größeres Ausbildungsangebot und die Renovierung von Orgeln seien wichtig. Denn auch neue, hochwertige oder gutgepflegte Instrumente könnten junge Leute motivieren.

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